1400 Kilowatt Leistung, eine Beschleunigung und ein Spitzentempo jenseits von Gut und Böse – mit einem Sportwagen voller Superlative versucht der indische Technologie-Konzern Mahindra die italienische Designschmiede Pininfarina zu einer Luxusmarke für Elektroautos auszubauen. Und hat dazu als hundertprozentige Tochter die Automobili Pininfarina gegründet, mit Firmenzentrale in München.

Schon beim Start des neuen Unternehmens vergangenes Jahr in Rom war klar, dass Konzernchef Anand Mahindra mehr will, als nur ein Elektrogeschoss namens Battista für Autosammler mit einer Stückzahl von maximal 150 Exemplaren zu bauen. Doch eine neue Marke aus dem Boden zu stampfen ist teuer, auch wenn sie vom Ansehen des italienischen Traditionshauses profitiert, das bereits für Ferrari und Alfa Romeo Klassiker geschaffen hat. Um Kosten zu senken, nutzt Automobili Pininfarina mit dem deutschen CEO Michael Perschke an der Spitze für seinen Sportwagen Antriebs- und Akkutechnik des kroatischen Unternehmens Rimac. Doch an der südosteuropäischen Firma haben sich mittlerweile Porsche und Hyundai beteiligt.

Daher geht Perschke einen eigenen Weg und entwickelt für künftige Modelle nun selbst eine Technikplattform. Dazu hat er den Ingenieursdienstleister Bosch Engineering und den Paderborner Zulieferer Benteler ins Boot geholt. Um die Stückzahlen zu erhöhen und so günstiger Teile einkaufen zu können, will er die Plattform auch für andere Hersteller öffnen.

Im Interview erklärt Perschke, wie weit die Entwicklung des Battista gediehen ist und was für Modelle folgen werden.

Herr Perschke, wann werden Sie den ersten Prototypen des Battista auf die Straße schicken?

Wir planen, Ende des ersten Quartals 2020 mit ein oder zwei Fahrzeugen auf die Rennstrecke zu gehen, die in Sachen Leistung und Optik schon sehr nah am Serienmodell sind. Dabei wollen wir nicht nur selbst Erfahrungen sammeln, sondern auch wichtigen Meinungsbildnern und Kunden die Autos zeigen.

Und dann können Sie zum ersten Mal real erleben, was es bedeutet in zwei Sekunden von 0 auf 100 Kilometer pro Stunde zu beschleunigen. Selbst ein Formel-1-Rennwagen benötigt heute 2,4 bis 2,6 Sekunden, um das zu schaffen. Bei einer derartigen Beschleunigung werden sie als Beifahrer nicht in der Lage sein, bis Tempo 200, 220 einen 100-Euro-Schein vom Armaturenbrett zu klauen, weil Sie so stark in den Sitz gepresst werden.

Sie rechnen also weiterhin damit, Ende 2020 die ersten Fahrzeuge an Kunden zu übergeben?
Pininfarina feiert kommendes Jahr das 90jährige Bestehen. Da ist es für uns eine Herzensangelegenheit den Battista rechtzeitig im vierten Quartal auszuliefern. Vorher wollen wir im August 2020 während des Pebble Beach Concours d’Elegance in Kalifornien das erste Serienfahrzeug zeigen – und haben dann hoffentlich schon einige Rekorde gebrochen.
Derzeit liegen wir im Zeitplan: Im Simulator testen wir bereits virtuelle Prototypen mit echten Fahrzeugdaten auf dem Nürburgring und auch das Crashverhalten überprüfen wir gerade am Rechner.

Ganz final scheinen die Entwürfe aber noch nicht zu sein, schließlich hat sich bei Aerodynamik und Reichweite noch etwas getan.

Das stimmt. Das Frontdesign hat jetzt seine letzte Schleife der Evolution durchlaufen und wir haben dabei die Aerodynamik weiter verbessert. Bisher haben wir mit einer Reichweite nach WLTP-Norm von 450 bis 460 Kilometer gerechnet. Jetzt haben wir den Luftwiderstands-Koeffizienten um 0,035 verbessern können, was uns zusätzliche 40 bis 50 Kilometer bringt. Damit sind wir sicher, dass wir mit unserer 120 Kilowattstunden großen Batterie auch die Marke von 500 Kilometern Reichweite knacken werden, was für einen Supersportwagen ein wichtiger Wert ist.

Führt die verbesserte Aerodynamik auch zu einer verbesserten Höchstgeschwindigkeit, die Sie mit dem Auto erreichen werden?

Wir werden zwei V-max-Werte haben: Ab Werk wird der Besitzer auf der Straße maximal um die 350 Kilometer pro Stunde erreichen können, dann wird der Antrieb abgeregelt. Und auf der Rennstrecke mit einem anderen Satz Rädern und Reifen sind dann nach einer speziellen Freischaltung mehr als 350 km/h möglich – aber erst nach einer oder mehrerer Einführungsrunden durch unseren Entwicklungsfahrer Nick Heidfeld. Wenn Sie in Regionen jenseits der 400 km/h vorstoßen, sollten Sie nicht mehr aus öffentlichen Straßen unterwegs sein.

Wollen die Kunden überhaupt ein derartiges Geschoss? Wie viele Fahrzeuge haben Sie denn bisher verkaufen können?

Wir sind gerade dabei, die bisher erfolgten Reservierungen in Kaufverträge umzuwandeln. Für rund 50 Prozent des geplanten minimalen Produktionsvolumens von rund 125 Fahrzeugen haben wir bisher Abnehmer gefunden. Bei dem für Nordamerika vorgesehenem Fahrzeugkontingent liegt der Wert schon höher, weil wir dort auch früher mit dem Vertrieb angefangen haben als in Europa und im Mittleren Osten. Und in Fernost hat die Vermarktung von Hongkong aus noch gar nicht begonnen.

Wir sind auf jeden Fall gelassen. Andere Anbieter von Supersportwagen wie Pagani aus Italien oder Königsegg aus Schweden haben drei Jahre benötigt, um für alle geplanten Fahrzeuge Käufer zu finden. Und der Bugatti Chiron ist bis heute nicht ausverkauft.

Insgesamt wollen wir nicht mehr als 150 Autos bauen, auch aus Fairness gegenüber unseren ersten Kunden. Denn der Battista wird ein Sammlerobjekt sein. Fertigen wir zu viele Fahrzeuge, ist das schlecht für die Preise.

Der Supersportwagen soll ja nicht das einzige Modell von Automobili Pininfarina bleiben, deshalb entwickeln Sie nun mit Bosch und Benteler gemeinsam eine Fahrzeug-Plattform. Was für Autos planen Sie zu bauen?

Wir haben bereits in diesem Jahr in Pebble Beach einen Ausblick auf das Design künftiger Fahrzeug-Generationen gegeben, die nach 2021 auf den Markt kommen werden. Wir werden ganz sicher nicht ein One-Hit-Wonder bleiben. Wir haben den Anspruch, die führende Luxus-Marke bei Null-Emissionen-Autos zu werden. Um diesen Anspruch einzulösen, werden wir auch unseren Kollegen von Aston Martin mit ihrer Lagonda-Linie zuvorkommen.

Es war zu hören, dass die nächste Modellreihe ein SUV sein wird.

Ich möchte es nicht SUV nennen, das Design der heute üblichen Modelle ist mir viel zu grobschlächtig. Was wir anstreben ist die Kreuzung des Besten von einem Lamborghini Urus, einem Porsche Panamera Sport Turismo und einem Ferrari GTC4Lusso. Also etwas wesentlich Eleganteres als die aktuellen SUVs. Es wird aber auch ein Fahrzeug mit einer höheren Alltagstauglichkeit als ein Hypersportwagen wie dem Battista sein.

Wir setzen dabei auf eine Skateboard-Plattform, die beispielsweise ohne Mitteltunnel auskommt. Dadurch haben sie im Innenraum viel mehr Platz, können mehr Beinfreiheit auf der Rücksitzbank bieten. Und trotzdem können sie eine sehr sportliche Silhouette hinbekommen. Wir werden nicht so niedrig werden wie der Porsche Taycan, aber auch nicht so bullig sein wie ein BMW X6. Mehr GT als Geländewagen. Trotzdem werden wir die Vorzüge dieser Fahrzeuggattung bieten wie Allrad-Antrieb oder Torque-Vectoring mit vier Motoren, mit denen Sie eine maximale Traktionskontrolle hinbekommen.

Wird es von Ihnen auch eine klassische Limousine geben?

Nicht im Sinne einer Mercedes S-Klasse, eines 7er BMW oder eines Audi A8. Eher etwas in Richtung eines Bentley Continental GT. Das Segment der klassischen Oberklasse-Limousine stagniert, da wollen wir nicht aktiv sein.

Ihr kroatischer Entwicklungspartner Rimac will gemeinsam mit Hyundai auch Brennstoffzellen-Fahrzeuge bauen. Können Sie sich das ebenfalls vorstellen oder bleiben Sie bei den reinen batterie-elektrischen Antrieben?

Unser Mantra lautet Zero-Emission. Wir gehen nicht zurück in die alte Welt und bauen irgendwo einen Verbrennungsmotor ein. Wir werden auch nie ein Auto mit Range-Extender oder einen Plug-in-Hybrid entwickeln. Wir schauen uns andererseits die Brennstoffzelle schon genau an. Allerdings haben die Systeme heute noch einen relativ hohen Wirkungsgradverlust und Sie haben ein Versorgungsproblem, weil immer noch nur wenige Wasserstoff-Tankstellen existieren.

Verbrennungsmotoren gibt es seit 120 Jahren, Elektromotoren im Auto seit rund zehn Jahren. Daher sind insbesondere bei den Akkus noch Quantensprünge möglich, sei es bei der Zellchemie und -struktur, sei es bei Energiegewinnung oder Recycling der Batterien. Die kommenden zehn, zwanzig Jahre wird Elektro in Sachen Innovationen die führende Antriebstechnik sein. Das mögen traditionelle Autohersteller anders sehen. Für uns Europäer muss der Elektroantrieb aber das nächste große Ding sein. Die Brennstoffzelle bleibt spannend, aber wir werden uns erst einmal mit unseren Partnern auf batterieelektrische Fahrzeuge konzentrieren.

Den Battista werden, so haben Sie es bisher angekündigt, Ihre Konzernkollegen von Pininfarina S.p.A. in Cambiano bauen. Werden Sie die nachfolgenden Modelle auch in Italien fertigen oder kommen auch andere Standorte in Frage?

Für die Produktion von Kleinserien ist Cambiano einfach der ideale Standort. Die Mitarbeiter dort sind darauf spezialisiert exklusive Sportwagen wie etwa von Ferrari fast in Handarbeit zu bauen. Es existieren erfahrene Zulieferer, die auch mit kleinen Stückzahlen gut leben können.
Für die weiteren geplanten Modelle PF1, PF2 und PF3 prüfen wir gerade Standorte.

Es vergeht keine Woche, in der ich nicht Briefe aus England bekomme. Da gibt es gerade ein paar freie Produktionskapazitäten. Und auch aus Osteuropa erhalten wir Angebote. Unser primäres Ziel ist es, in Italien zu fertigen. Der italienische Staat hat durchaus Interesse, uns ins Land zu holen, etwa in die Region von Turin, wo es ungenutzte Fabriken gibt. Wenn die Mischung aus Kapazitäten, Know-How, Investitionshilfen und Umsetzungstempo stimmt, ist Italien mit Abstand unser bevorzugter Standort. Made in Italy ist für uns schon sehr wichtig, auch wenn viele ökonomische Faktoren gerade eher gegen das Land sprechen.

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