Anarchie auf deutschen Straßen? Auch wenn es manchen so erscheint, wenn einem mal wieder jemand hupend den Weg abschneidet, so gibt es doch noch Regeln im Straßenverkehr, an die sich die meisten auch halten. Trotzdem befürchtet die Beratungsfirma Roland Berger die Anarchie in unserer Art sich Fortzubewegen – allerdings nicht im Fahrverhalten einzelner Menschen, sondern in unserem städtischen Verkehrsnetz als Ganzes.

Im Papier „Urban Mobility 2030“ hat das Unternehmen vier unterschiedliche Zukunftsszenarien skizziert, wie wir uns in 13 Jahren in Städten fortbewegen könnten. Und die reichen von der Anarchie bis zur Hypereffizienz.

Unabhängig davon, welches Szenario eintritt, wird sich die städtische Mobilität bis 2030 stark verändern“, ist sich Torsten Henzelmann, Autor der Studie, sicher. „In 13 Jahren werden Elektromobilität, Autonomes Fahren und die Sharing Modelle weitestgehend entwickelt sein“, sagt er. „Sie sind die Treiber des Wandels“

Autonome Autos? Carsharing?

Wie das Verkehrssystem in den Städten dann tatsächlich aussehen wird, hängt laut Henzelmann davon ab, wie sich zwei Faktoren entwickeln. Auf der einen Seite ist das das grundlegende Verkehrssystem in Städten: Wie ist das Verkehrsflussmanagement, wie vernetzt sind autonome Fahrzeuge untereinander und mit der Infrastruktur, wie entwickelt sind Systeme zur Überbrückung der letzten Meile?

Der zweite Faktor ist das Fahrverhalten der Menschen, bei dem vor allem die Einstellung der Nutzer im Mittelpunkt steht. Es geht um die Frage, ob man hauptsächlich alleine oder gemeinsam unterwegs ist: Wie stark wird öffentlicher Nahverkehr im Vergleich mit Taxis genutzt, wie viele Menschen bevorzugen Ridesharing-Angebote gegenüber dem eigenen Auto? Aus diesen beiden Faktoren hat Roland Berger zusammen mit Experten aus Wissenschaft und Wirtschaft vier mögliche Szenarien für 2030 ausgearbeitet.

Wenn man Roland Berger glaubt, sind deutsche Großstädte aktuell auf dem Weg in die Anarchie. Es brauche wirtschaftspolitische Impulse, meint Henzelmann, um dieses Szenario abzuwenden. „Die Politik muss einen Rahmen schaffen, in dem die Wirtschaft dann die Lösungen bereitstellt.“ Das kann beispielsweise ein überarbeitetes städteplanerisches Konzept sein, eine Stadtmaut, die Ausweitung des öffentlichen Nahverkehrs und ein besseres Angebot zur Überbrückung der letzten Meile.

Der große Wurf fehlt – in Deutschland

Im internationalen Vergleich hinke Deutschland in einigen Bereichen noch hinterher. Den Wandel treiben andere Länder voran. „Wir sind oft nur in der Verfolgerrolle“, sagt Henzelmann. Zwar sei Deutschland in den technischen Aspekten ganz vorne, aber gerade, wenn es um rechtliche und regulatorische Bedingungen, beispielsweise für autonome Fahrzeuge oder alternative Systeme nach dem Uber Vorbild, geht, ist Deutschland nicht an der Spitze.

Das hat mitunter allerdings gute Gründe. „In Deutschland sind Faktoren wie beispielsweise Datenschutz und ethische Richtlinien wichtig“, so Henzelmann. In Singapur würden zum Beispiel autonome Fahrzeuge komplett ohne Fahrer auf öffentlichen Straßen getestet, in Deutschland ist das so noch nicht möglich. „Bei einem Zwischenfall fehlen klare rechtliche Rahmenbedingungen. Diese müssen in Deutschland verantwortungsbewusst und mit Rücksicht auf alle Einzelinteressen erarbeitet werden.“

Auch das kann einer der Gründe sein, warum aus Henzelmanns Sicht bisher noch in keiner deutschen Stadt der große Wurf in Richtung Hypereffizienz gelungen ist. Aber in den nächsten 13 Jahren werden sich die Städte neue Lösungen überlegen, glaubt Henzelmann. „Im schlimmsten Fall wird ein Verkehrskollaps zu neuen Mobilitätskonzepten führen.“ Für das Jahr 2030 hält er das Maximalauslastungsszenario für das Wahrscheinlichste. Ob es danach in die Hypereffizienz weitergeht, lässt sich schwer voraussagen. „Es gibt keinen automatischen Weg ins Hypereffizienzszenario. Entscheider aus Politik und Wirtschaft haben jetzt die Chance, um die urbane Mobilität aktiv in die richtigen Bahnen zu lenken.“

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