Was ist nicht alles schon spekuliert und geschrieben worden über die Probleme, die Volkswagen mit der neuen Betriebssoftware für das Elektroauto ID.3 hat. Alles halb so schlimm, heißt es nun bei der Vorstellung des Wagens und der ersten Ausfahrt mit Vertretern der Presse auf einem Testgelände von Volkswagen in Wolfsburg.

Entwicklungsvorstand Frank Welsch legt ebenso wie der neue VW-CEO Ralf Brandstätter Wert darauf, dass aus dem kunterbunten IT-Potpourri von 256 (!) Funktionen, mit denen der Hoffnungsträger seine Kunden zu Elektrojüngern werden lassen möchte, gerade einmal zwei Details nicht funktionieren. Aber die Hauptsache ist: Der ID.3 rollt problemlos und kann deshalb jetzt auch an Kunden ausgeliefert werden.

Wer sich bereits als Kaufinteressent registriert hat, kann das 4,26 Meter lange Elektromobil ab kommender Woche offiziell bestellen. Alle anderen müssen sich noch ein wenig gedulden. Sie können ihren VW ID.3 erst ab Mitte Juli bestellen. Geliefert wird das Auto dann im vierten Quartal 2020 geliefert. Die Erwartungen der VW-Manager sind hoch. Sie erwarten, dass in den kommenden Wochen aus den mehr als 35.000 Vormerkungen mindestens 30.000 feste Bestellungen werden. Die Fahrzeuge werden seit Monaten im Werk Zwickau in der sogenannten First Edition vorproduziert.

Das Basismodell startet bei 39.995 Euro

Es gibt die erste Serie nur mit 150 kW / 204 PS, dem mittleren 58-kWh-Akku, in vier Farben und drei festen Ausstattungspaketen. Verfügt das 39.995 Euro teure Basismodell des ID.3 First über Navigationssystem, Digitalradio, Sitz- und Lenkradheizung und 18-Zöller, bietet erst das Plus-Paket für knapp 46.000 Euro eine Rückfahrkamera, das schlüssellose Zugangssystem, LED-Matrix-Scheinwerfer sowie Räder im Format 19 Zoll. In der rund 50.000 Euro teuren Topversion dürfen sich die die Insassen über Ausstattungsdetails wie das Augmented-Reality-Head-up-Display freuen, über ein Panoramadach und elektrische Massagesitze, einen 20-Zoll-Radsatz sowie ein Fahrerassistenzpaket nebst Telefonschnittstelle mit der Möglichkeit zum induktiven Laden – des Smartphones. Die Möglichkeit, die Fahrzeugbatterie mit 100 kW Gleichstrom (DC) bzw. 11 kW Wechselstrom (AC) zu laden, bieten dagegen alle Versionen. Das mittlere Akkupaket soll immerhin Reichweiten bis zu 420 Kilometern ermöglichen.

Jede Menge Platz
Dank 2,76 Meter Radstand sitzen auf der Rückbank des ID.3 auch großgewachsene Menschen ganz bequem.

Nur durch die vorkonfigurierten Ausstattungspaket war es letztlich möglich, dass die ID.3 ab Anfang September in Kundenhände kommen. Sonst hätte die Corona-Krise die Planungen noch mehr durchkreuzt als dies bisher der Fall war. „Die großangelegte Elektro-Offensive der Marke Volkswagen wird mit dem ID.3 nun auf der Straße sichtbar. Das Auto unterstreicht unseren Anspruch, alltagstaugliche und bezahlbare lokale, emissionsfreie Mobilität für alle anzubieten“, sagt Ralf Brandstätter, der jetzt vom Chief Operating Officer der Marke Volkswagen zum neuen Marken-CEO aufsteigt.

Software-Updates kommen per Funk

Seit Wochen hatten speziell die Entwicklungsprobleme der komplexen Elektronikarchitektur für Gesprächsstoff gesorgt, wann die ersten Modelle in Kundenhände gingen. Speziell nachdem auch der VW Golf 8 mit einem Elektronikproblem bei seinem Notrufsystem einen Produktionsstopp verursacht hatte, schlugen die Wellen intern wie extern hoch. Doch jetzt gab die Volkswagen Führung Entwarnung. Der ID.3 kommt und Funktionen wie das Augmented Head-Up-Display oder die Einbindung der App-Connect-App für das iPhone sollen per Softwareupdate nachgeliefert werden. Dabei ist der Elektro-ID der erste Volkswagen, der per Funk – over the Air – aufgefrischt werden kann. Nur für größere technische Änderungen muss er demnach überhaupt zum Service. Die Kunden, die sich vorgemerkt haben, bekommen die ein oder andere Dreingabe. So kann man im ersten Jahr kostenfrei Strom tanken und die ersten drei Monate kostet der ID.3 First keine Leasingrate.

Kontrastprogramm
Die Heckklappe ist stets in Schwarz gehalten. Das lässt den Wagen kleiner wirken als er tatsächlich ist. Foto: Volkswagen

Wie weit der VW ID.3 mittlerweile ist, merkt man auch nach ein paar Kilometern auf Testgelände und öffentlichen Straßen.

Kraftvoll und dynamisch war er dank seiner 204 PS und 310 Nm maximalem Drehmoment bereits in der Erprobung. Doch nunmehr passen auch die Abstimmung von Fahrwerk und Lenkung des über 1,7 Tonnen schweren Elektromodells mit Hinterradantrieb. Dazu sind die nervigen Störgeräusche von den Außenspiegeln oder aus den vorderen Radhäusern verschwunden. Glänzen kann der neue VW ID3 ohnehin mit einem sehr niedrigen Geräuschniveau und einen aufgewogenen Fahrverhalten. Wie bei anderen Elektroautos üblich, ist bei 160 km/h Schluss. Doch kaum jemand dürfte den elektrischen Fünftürer als Langstreckenauto und Autobahnmodell in die eigene Garage holen.

Sportliche Fortbewegung auf Knopfdruck

Der Fahrer hat die Wahl, ob er den ID.3 wie einen Verbrenner im D-Fahrprogramm rollen lässt oder im B-Modus mit maximaler Rekuperation und dem sogenannten One-Pedal-Feeling unterwegs ist. Was gefällt, sind der niedrige Schwerpunkt und die gute Rückmeldung von der allerdings sehr leichtgängigen Lenkung. Wer über den Taster unter dem Navigationsdisplay das Fahrprogramm auf sportlich wechselt, bekommt mehr Rückmeldung und eine strafferes Gesamtpaket. Kaum anzunehmen, dass dies jedoch bei einem Elektro-Kompaktwagen ohne sportlichen Anspruch jemand im Alltag nutzt.

Karge Landschaft
Das Interieur des ID.3 ist auf den ersten Blick sehr nüchtern. Und die Kunststoff-Oberflächen wirken nicht so wertig wie beispielsweise im VW Golf. Foto: Volkswagen

Fahrverhalten und Platzangebot sind überzeugend: Auch groß gewachsene Personen sitzen dank 2,76 Metern Radstand bequem im Fond. Gewöhnen muss man sich aber wohl noch an das allzu nüchterne Interieur. Die Kunststoffoberflächen wirken deutlich weniger wertig als etwa beim Verbrenner-Bruder Golf. Und das Instrumentendisplay hinter dem Lenkrad ist recht klein geraten. Da trösten auch das optional verbaute Head-Up-Display und die gute Sprachbedienung wenig.

Schalthebel am Lenkrad wie beim BMW i3

Überhaupt hat man bei verschiedenen Details im Innenraum das Gefühl, dass der mehr als sieben Jahre alte BMW i3 bei einigen Funktionalitäten, aber auch beim Interieur-Design Pate stand. Das gilt nicht nur für den wenig schmuckvollen Innenraum, sondern auch für die Anordnung der beiden Informationsdisplays auf dem Instrumententräger oder die gewöhnungsbedürftige Wahl der Fahrstufe über einen Bediensatelliten rechts hinter dem Lenkrad.

Den ersten Kunden wird dies ebenso egal sein wie der Volkswagen-Führung. Zu groß dürfte die Mischung aus Freude und Stolz sein, dass der ID.3 trotz Corona-Krise und Elektronikproblemen doch noch im Sommer auf die Straße rollt.

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1 Kommentar

  1. Markus

    „Doch kaum jemand dürfte den elektrischen Fünftürer als Langstreckenauto und Autobahnmodell in die eigene Garage holen.“
    Als was denn sonst? Also Stadtauto für Kurzstrecke? Mit einem 58 kW Akku und ccs? Verstehe diese Aussage nicht. Hätte ich sonst wo erwarten aber nicht hier.

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