Elektroautos sind ein Segen – nicht nur für das Klima, sondern auch für die Ohren und die Nachtruhe. Wer wie der Autor einen Unternehmer zum Nachbarn hat, der sein BMW M850 Gran Coupé werktags um 6 Uhr in der Früh‘ laut bollernd startet, um damit im Tiefflug ins Büro zu eilen, weiß, wovon die Rede ist. Schon aus dem Grund sollten Autos mit Verbrennungsmotoren schnellstmöglich aus Wohngebieten verbannt werden. Zumindest die, bei denen ausschließlich ein Benziner oder Diesel unter der Haube werkelt.

Beim Jeep Renegade 4xe sieht die Ökobilanz schon anders aus. Denn den „Geländewagen des Jahres“ 2020 gibt es neuerdings auch als Plug-in-Hybrid, der dank einer Batterie mit einer Speicherkapazität von 11,4 Kilowattstunden (kWh) bis zu 50 Kilometer weit elektrisch bewegt werden und dann an einer Wallbox oder Ladestation wieder aufgeladen werden kann. Das schont nicht nur die Nerven der Nachbarn, sondern angeblich auch die Geldbörse – auch wenn der Anschaffungspreis mit 38.200 Euro fast das Doppelte etwa des allradgetriebenen und dieselbetriebenen Dacia Duster Blue (19.990 Euro) beträgt. Allerdings unterstützt Väterchen Staat den Kauf eines Plug-in Hybrid derzeit noch mit 6750 Euro, was die Preisdifferenz zum Dacia etwas verringert.

Einladung zum Plantschen
Eine Wattiefe von 40 Zentimeter gibt Jeep für den Renegade an. Da ist derr Bachlauf kein Hindernis auf der Fahrt durchs Revier.

Unser Testwagen trägt „Bikini“, eine Lackierung in einem dunklen Türkis-Metallic. Das schreit eigentlich nach Meer und Sandstrand. Doch das ist vom Siebengebirge mindestens 340 Kilometer und drei Fahrstunden entfernt. Und in den Niederlanden werden wegen steigender Infektionszahlen die Corona-Beschränkungen gerade wieder verschärft – den Ausflug sparen wir uns lieber. Denn Abenteuer lassen sich mit einem Allradler auch im Mittelgebirge erleben. Erst recht, wenn es in der Familie einen Jäger gibt. Der fährt aktuell mit einem Fiat Punto ins Revier, liebäugelt schon seit längerem mit einem kleinen SUV vom Kaliber eines Suzuki Jimny (aktuell nicht lieferbar wegen der strengen Abgasvorschriften in Europa) oder Lada Niva (wegen der strengen Abgasvorschriften und der schlechten Verkaufsperspektiven nur als Grauimport erhältlich).

Jeep verspricht: „Trail Rated“

Ein Jeep mit Allradantrieb und Unterfahrschutz, mit einer Systemleistung von 177 kW (240 PS), obendrein mit E-Kennzeichen? Das lässt Jungjäger Simon S., 31, schon mit der Zunge schnalzen. Zumal das Testgerät in der Ausführung „Trailhawk“ daher kommt: Nur Autos, für die 60 Grad steile Schotterpisten und fast 50 Zentimeter tiefe Wasserlöcher meistern, über 20 Zentimeter hohe Felsbrocken klettern und 30 Grad steile Böschungswinkel bewältigen können, bekommen von der Fiat-Tochter und Stellantis-Marke das Gelände-Siegel auf die Flanke geklebt. Eine Pirschfahrt durchs Jagdrevier? Sollte damit auch nach Dauerregen und über aufgewühlte Wald- und Feldwege kein Problem sein.

Jagdwagen in Lauerstellung
Mit dem elektrischen Antrieb bewegt sich der Renegade 4xe beinahe lautlos durch das Revier. Die Beobachtung der Wildbestände vom Hochsitz erleichtert das enorm. Und der Allradantrieb sichert anschließend das Weiterkommen.

Allerdings ist der Renegade 4xe, der Name macht es schon klar, kein Allradler nach der altväterlichen Art etwa eines Lada Niva oder eines Dacia Duster. Vorder- und Hinterachse sind nicht mechanisch und nicht permanent über Kardanwelle und Differenzial miteinander verbunden. Der Vierradantrieb eAWD schaltet vielmehr auf Knopfdruck oder automatisch den 132 kW (180 PS) starken Verbrennungsmotor an der Vorderachse mit einem 44 kW (60 PS) starken Elektromotor an der Hinterachse zusammen, wenn „Durchkommer“-Qualitäten gefragt sind. Beispielsweise, weil sich die Wiese rund um den Hochsitz nach heftigen Regenfällen mal wieder in einen Sumpf verwandelt hat.

Brummiger Benziner, cleverer Allradantrieb

Das Schöne ist: Der Jeep erkennt, wenn es an Grip fehlt und schaltet im Automatik-Modus selbständig den Elektromotor hinzu. Im Modus „4WD Low“ kann bei Geschwindigkeiten unter 15 km/h mit Hilfe des E-Motors und über den so genannten „Selec Terrain“-Schalter (tief unten an der Mittelkonsole) auf Knopfdruck sogar ein Untersetzungsgetriebe simuliert werden, um die Geländegängigkeit zu erhöhen.

Die „4WD“-Taste erzwingt den Allradantrieb, schaltet aber dann auch automatisch den Verbrennungsmotor hinzu, was den Lärmpegel im und rund um das Auto aber deutlich erhöht: Der 1,3 Liter Turbo-Benziner ist ein zwar sparsamer, aber leider auch etwas brummiger Geselle. Pirschfahrten, die im Elektromodus gestartet wurden, um das Wild nicht zu stören, finden durch ihn ein abruptes Ende.

Ansonsten schlägt sich der 4xe genannte Allradantrieb erstaunlich gut auf unserer Testfahrt durchs Gelände, sowohl im Traktionsmodus „Auto“ als auch in den anderen „Fahrstilen“, die das „Selec-Terrain“-System zur Verfügung stellt, um knifflige Aufgaben abseits asphaltierter Wege zu meistern. Für schlammige Verhältnisse gibt es ebenso ein eigenes Fahrprogramm wie für sandige Boden „Sand“ oder tiefe Furchen („Rock“). Trotz aller Bemühungen: Festfahren konnten wir den Renegade Trailhawk nicht. Auch bei mehreren Bachdurchfahrten kam keine Angst auf, steckenzubleiben. Jeep verspricht allerdings auch eine Wattiefe von 40 Zentimetern – die wurden trotz erhöhter Wasserstände an keiner Stelle und zu keiner Zeit erreicht.

25 kWh Stromverbrauch im Elektro-Modus

Allerdings zehren die Geländefahrten mit Allradantrieb durchaus an den Kräften des kleinen SUV: Kurz vor Ende der Pirschfahrt meldete sich der Bordcomputer, um auf die geringe Restreichweite hinzuweisen: Der nur 36,5 Liter fassende Benzintank war so gut wie leer. Und der Akku hatte nach 17 Kilometern Fahrt nur noch Kraft für weitere 15 Kilometer. Die Suche nach der Wildschwein-Rotte wurde daraufhin vorsichtshalber abgebrochen werden: Niemand verspürte große Lust, den immerhin 1,7 Tonnen schweren Geländewagen mit Muskelkraft zur nächsten Steckdose oder Tankstelle zu schieben. Obendrein bergauf.

Auffällige Erscheinung im Wald
Der „Bikini“-farbene Jeep Renegade 4Xe mit wiederaufladbarem Hybridantrieb schlägt sich nicht nur im Gelände achtbar. Auch im Stadtverkehr macht er eine gute Figur. Solange man den Benziner nicht zu sehr fordert, tritt er dort auch akustisch dezent auf.

In Summe und über die gesamte Teststrecke von knapp 1000 Kilometern verbrauchte der Jeep Renegade durchschnittlich 6,5 Liter Sprit und etwa 25 kWh Strom pro 100 Kilometer – letzteres entspricht etwa einem Verbrauch von drei Litern Super. Der Stromverbrauch entsprach damit in etwa dem, was der Hersteller verspricht. Der in der Werbung genannte und nach den europäischen Bestimmungen ermittelte Spritverbrauch von 2,0 Litern ist jedoch illusorisch – erst recht, wenn das Auto nicht nur auf dem Boulevard eingesetzt wird. Und mit einem Verbrauch von in Summe neun Litern ist der Plug-in-Hybrid nicht wirtschaftlicher und klimafreundlicher als der allradgetriebene Benziner, der in den USA mit einem Verbrauch von umgerechnet 7,8 l/100 km beworben wird.

Wenn allerdings der Plug-in-Hybrid nur für Fahrten durchs Revier und ins Büro genutzt wird, reicht der Elektroantrieb des Jeep völlig aus, sinkt der Spritverbrauch möglicherweise gen Null. Jungjäger Simon hat seine Fahrgewohnheiten auf der Basis eingehend analysiert, die Möglichkeiten zum Laden des Akkus am Arbeitsplatz und daheim überprüft – und dann einen Renegade 4xe geordert. Als Jagdwagen, aber auch zum Pendeln zwischen Wohnung und Arbeitsplatz: Der örtliche Jeep-Händer zahlte ihm einen ordentlichen Preis für den Fiat Punto. Und der hatte obendrein noch einen Vorführmodell des Plug-in-Hybrid zum Sonderpreis parat. In gedecktem Grau statt in Türkisgrün. Damit das Auto nicht nur akustisch, sondern auch optisch gefällig daherkommt.

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