Es gibt mittlerweile E-Bikes mit großen und mit kleinen Akkus, mit stärkeren und schwächeren Antrieben, mit Mittel- oder Hecknabenmotor, mit Kettenschaltungen und Tretlagergetrieben, die teilweise auch schon automatisch schalten. Als City-, Gravel- oder Travelbike, als Mountain-, Liege- oder Cargobike, für Erwachsene und inzwischen auch für Kinder: Das Angebot an Fahrrädern mit elektrischer Trittunterstützung wird immer größer und differenzierter – Diversität ist auch hier Trumpf.
„Alle Zutaten sind da – in der Mischung zeigt sich nun die Kunst“, sagte Fahrrad-Experte Gunnar Fehlau vom Pressedienst Fahrrad bei der Präsentation der neuesten Zweirad-Trends im Kölner Olympia-Museum. Zu Demozweck und für Testfahrten hatte sein Team Fahrrader der unterschiedlichsten Gattungen mitgebracht – vom Kinderrad bis zur zweirädrigen Familienkutsche. Recht schwere und ganz leichte. Mit elektrischem Antrieb, aber auch ohne.
E-Bikes weiter auf dem Vormarsch – die Preise auch
Ja, die so genannten Bio-Bikes für den reinen Muskelantrieb gibt es immer noch. Und trotz des E-Bike-Booms sind die Strampler immer noch in den Mehrheit: Nach Schätzungen des Zweirad-Verbandes werden von den 76 Millionen Fahrrädern auf Deutschlands Straßen immer noch per pedes angetrieben. Dabei kommen die neuen „analogen“ Fahrräder den Pedelecs preislich immer näher: Für das neue Gravelbike Camino Pro mit Karbon-Rahmen ruft der Hamburger Fahrradhersteller Stevens stolze 3.099 Euro auf. Ein Grund: Fahrrad-Komponenten sind während der Corona-Zeit deutlich teurer geworden, unter anderem auch wegen explodierender Logistikkosten.
Und das ist noch nicht einmal das Ende der Fahnenstange: Für das neue City-Bike „Tribeca Xpress“ ruft die Fahrrad-Manufaktur Tout Terrain im Breisgau wenigstens 4490 Euro auf. Dabei sieht es auf den ersten Blick eher unscheinbar auf. Erst bei näherem Hinsehen entdeckt man die Finessen: Ein leichtes und verschleißfreies Pinion-Getriebe mit neun Gängen und 568 Prozent Gesamtübersetzung (allein das kostet fast schon 1000 Euro) sowie einen einen sauberen Riementrieb von Gates. Hinzu kommt eine hochwertige Verarbeitung.
Komfortabel wie ein Elektroauto
Komfortabel soll das neue Fahrrad sein, dazu möglichst verschleißfrei und – wenn es eine Schaltung sein muss – leicht zu bedienen. Idealerweise so leicht wie ein Elektroauto. Und da hat das Zentralgetriebe von Pinion – entstanden im Getriebe-Entwicklungszentrum von Porsche in Weissach – gute Karten. Auch in Kombination mit einem Elektromotor. Nach dem Motto: Erst schalten, dann verstärken. In der Praxis der meisten E-Bike-Besitzer läuft es nach Feststellungen derzeit andersherum: Erst wird der Motor bis zum „Boost“-Modus ausgereizt – dann auf einen anderen Gang gewechselt.
Pinion-Getriebe sind dabei der perfekte Partner von Hecknabenmotoren. Das soll für ein harmonischeres Fahrverhalten sorgen und den Antrieb schonen: Im Vergleich zum Mittelmotorsystem ist der Antriebsstrang wesentlich geringeren Kräften ausgesetzt. „Leichte Heckmotoren erleben gerade eine Renaissance“, weiß Fehlau aufgrund intensiver Marktbeobachtung. Denn dieses Antriebskonzept sorgt für einen schlankeren Auftritt des E-Bikes. Und für die gleiche Unterstützungskraft reicht ein schwächerer Antrieb. Hitzprobleme, mit denen in der Vergangenheit manche Heckmotoren zu kämpfen hatten, seien inzwischen beseitigt.
Auf einen 250 Watt starken Heckmotor mit integriertem Getriebe setzt beispielsweise auch das elegante City- oder „Urban“-Bike Java „Frenetica“. Das Bauteil mit der Bezeichnung M80 und einem maximalen Drehmoment von 40 Newtonmetern – mehr braucht kein Berufspendler im Stadtverkehr – kommt hier allerdings von dem chinesischen Hersteller Mivice. Das sorgt mit für einen günstigen Preis in Höhe von 1949 Euro.
E-Cargobikes für bis zu drei Personen
Am anderen Ende der Preisskala stehen E-Bikes, für deren Kaufpreis sich auch leicht ein Gebrauchtauto finden ließe. Und das E-Cargobike FS 200 Life Family-Plus (10360 Euro mit Regenschutz und Kindersitzen) des deutschen Herstellers Ca Go aus Koblenz hat auch schon fast die Dimensionen eines Kleinwagens – mit drei Sitzplätzen ist es auch der „ideale Zweitwagen für die Stadt“ (Fehlau), das allerdings ein Auto ersetzen soll. Fußrasten erleichtern hier dem Nachwuchs den Einstieg in die „Kiste“, ein stabiler Ständer sorgt dabei für einen sicheren Stand.
Bis zu 225 Kilogramm lassen sich damit transportieren. Dann heißt es aber ordentlich strampeln – der Bosch-Motor der Performance CX Cargo Line hat bei voller Beladung des E-Bikes trotz 85 Newtonmeter Drehmoment ordentlich zu pumpen. Und vor der ersten Ausfahrt sollte man vor dem Haus erst einmal ein paar Rangierübungen unternehmen – das lange Gefährt mit einem Radstand von über zwei Metern ist nicht das wendigste.
In der Disziplin schlägt sich das Multitinker von Riese & Müller (ab 5699 Euro) wesentlich besser. Auf dem langen Gepäckträger lassen sich ebenfalls zwei Kleinkinder mit zusammen bis zu 65 Kilogramm Gewicht mitnehmen – hintereinander auf einer Sitzbank. Alternativ passt auf die beiden Gepäckträger vorne und hinten der komplette Wocheneinkauf. Der Akku fasst 625 Wattstunden, damit ist ordentlich Reichweite vorhanden. Der Hersteller nennt den variabel einsetzbaren „Multitinker“ den idealen Autoersatz in der Stadt – auch weil die Suche nach freien Parkplätzen damit deutlich leichter ist.
Neue Leichtigkeit
So oder ähnlichen zeichnen sich auch an anderen Stellen des Fahrradmarkts Trends und Gegentrends ab: Auf der einen Seite stehen schwere SUV-Bikes mit fetten Reifen, starken Motoren und großen 720 Wh-Akkus wie etwa das vollausgestattete Trekking-Bike Yucatan X12 high von Winora (ab 4599 Euro). Demgegenüber stehen leichte E-Mountainbikes wie das Lyke 11 von Haibike (ab 7999 Euro) – nur 19 Kilogramm schwer, einem kompakten Fazua-Antrieb und einem kleinen Akku, der nur 430 Wh Strom speichert.
Auf seine Art extrem ist auch die „Streetmachine“ von HP Velotechnik – ein bis zu 45 km/h schnelles E-Liegerad der Ultimative. Mit einem 1000 Watt starken Nabenmotor von Neodrives, mit dem in acht Sekunden die Höchstgeschiwndigkeit erreicht ist. Mit Anfahrhilfe und Kopfstützen, Rückspiegeln und Hupe – was der Gesetzgeber für ein S-Pedelece so alles vorsieht. Je nach Ausstattung gut 9000 Euro teuer. Aber damit lässt man dann beim Ampelstart – S-Pedelecs dürfen bei uns nicht auf den Radweg – so maches Auto hinter sich.