Die Japaner haben ihre „Kei Cars“ wie den Nissan Sakura – kleine und kubistische Bonsai-Autos von maximal 3,40 Metern Länge und 1,48 Metern Breite – um kostengünstig und ohne Parkplatznöte in die Stadt zu kommen. In Europa gab es für derlei Mobilitätsbedürfnisse lange den zweisitzigen Smart Fortwo, der seit 2012 auch und zwischen 2020 und dem Produktionsende im März 2024 als Smart EQ nur noch mit Elektroantrieb angeboten wurde. Inzwischen werden unter der Marke nur noch ausgewachsene Elektroautos bis hin zum 475 kW starken und 4,70 Metern Länge Smart #5 Brabus angeboten – leistungs- und größentechnisch für den Stadtverkehr völlig überdimensioniert. Und mit Preisen ab 45.900 Euro unerschwinglich für die meisten Menschen.

Aber die Nachfrage nach preisgünstigen wie wendigen Klein- und Kleinstwagen wächst auch in Europa. Mit dem Leicht-Elektromobil Twizy hatte Renault bereits 2012 einen Vorstoß in der Richtung gewagt, der bis zur Einstellung des Modells im September 2023 allerdings keine großen Erfolge brachte: Die Jahresproduktion des Zweisitzers betrug anfangs nur 9000 Einheiten – und fiel dann stark ab.

Für die Fahrt zur Schule oder zum Shoppen
Silence bietet das Leichtfahrzeug S04 in zwei Varianten an. Die L6e-Version ist maximal 45 km/h schnell und kann schon von 15-jährigen mit Mofa-Führerschein bewegt werden - als "Unico"-Modell zum Basispreis von 9.990 Euro. Fotos: Nissan
Für die Fahrt zur Schule oder zum Shoppen
Silence bietet das Leichtfahrzeug S04 in zwei Varianten an. Die L6e-Version ist maximal 45 km/h schnell und kann schon von 15-jährigen mit Mofa-Führerschein bewegt werden – als „Unico“-Modell zum Basispreis von 9.990 Euro. Fotos: Nissan

Unter der Submarke Mobilize soll jetzt ein neuer Anlauf genommen werden. Der Verkauf der Schmalspur-Stromer Duo und Bento (für den Warentransport) ist in Frankreich seit kurzem bestellbar, nach Deutschland sollen die ersten Exemplare zum Jahresende kommen. Als maximal 45 km/h schneller Duo Neo zum Preis von 9.990 Euro und zu Preisen ab 12.500 Euro in einer 80 km/h schnellen Version. Für die Version der europäischen Leichtfahrzeugkategorie L6e-B reicht ein Führerschein der Klasse AM, der bereits mit 15 Jahren erworben werden kann. Für die „schwere“ L7e-B-Version braucht es einen Pkw-Führerschein der Klasse B.

Elektro-Scooter machte den Anfang

Auch das einstige spanische Startup Silence will sich ein ordentliches Stück vom Kuchen abschneiden. Carlos Sotelo Rosell hatte das Unternehmen 2012 in Barcelona gegründet, um die Städte leiser und den Verkehr dort möglichst emissionsfrei zu machen. Der Ingenieur startete mit einem Elektro-Scooter, der als Besonderheit über einen austauschbaren 5,6 kWh-Akku verfügt. Dieser kann entweder zu Hause an einer Haushaltssteckdose geladen werden. In Spanien können die Besitzer des S01 zudem eine von aktuell 160 Batterie-Wechselstationen ansteuern, wenn der Energievorrat nach zur Neige geht. Rund 55.000 Elektro-Scooter hat Silent abgesetzt. Unter anderem über die VW-Tochter Seat, die das Modell unter dem Namen MÓ und in zwei Variationen bis zum vergangenen Jahr auch bei uns vertrieb. Inzwischen ist der Seat-Roller mit Silence-Technik nur noch in Spanien im Angebot.

Begegnung der unheimlichen Art 
Der Silence S04 ist gerade einmal 1,26 Meter breit. Da kann es dem Fahrer neben einem ausgewachsenen Traktor mulmig werden.
Begegnung der unheimlichen Art
Der Silence S04 ist gerade einmal 1,26 Meter breit. Da kann es dem Fahrer neben einem ausgewachsenen Traktor mulmig werden.

Über ein Batterie-Wechselsystem verfügt auch das nur 2,28 Meter lange und 1,26 Meter breite Nanocar Silence S04, den das Unternehmen 2022 zum Startpreis von 7.500 Euro in Spanien auf den Markt brachte – und den Nissan seit vergangenem Jahr seinen Kunden in einem Pilotprojekt anbietet. Zu Preisen von 11.995 Euro in der L6e-Version und für 16.645 Euro in der L7-Premium-Version mit 14 kW Leistung und zwei Akkus für 149 Kilometer Reichweite. Der Silence S04 wird zum Modelljahr 2025 aufgewertet und das Angebot um eine Cargo-Variante erweitert. Vor allem aber wird die Kooperation von Silence und Nissan massiv ausgebaut, kündigten Silence-Gründer Sotelo und Nissan-Manager Gareth Dunsmore – der Brite ist in Europa, Afrika und Indien für das neue Geschäftsfeld eMicro Mobility verantwortlich.

Neue Kunden für Nissan, ein Vertriebsnetz für Silence

„Das Fahrzeug beschert uns eine Menge neue Kunden – darunter zahlreiche junge Menschen, die zuvor noch nie etwas mit Nissan zu tun hatten“, erklärte Dunsmore im Gespräch mit EDISON. Da liege eine große Chance für die Marke – wie in der Elektromobilität insgesamt. Die gleichen Effekte wären wahrscheinlich auch in einer Kooperation mit der Renault-Tochter Mobilize und mit deren Kleinstfahrzeugen Duo und Bento zu erreichen gewesen. Aber aus strategischen Gründen habe sich Nissan dagegen entschieden – wohl auch, weil in Japan damals noch Sondierungsgespräche über eine Fusion mit Honda liefen. Zudem bringt Nissan in die Kooperation mit Silence außer dem Vertriebsnetz nichts ein. Eine finanzielle Beteiligung an dem Unternehmen, das inzwischen ein Tochterunternehmen des spanischen Bau- und Immobilienkonzerns und Nordex-Großaktionärs Acciona ist, sei nicht geplant.

Rote Nähte 
Ein wenig Sportlichkeit versprüht die L7e-Version des Silence S04 in der "Plus" genannten Topversion. Hier ist auch der Hartplastik-Anteil im Cockpit leicht reduziert. Geschaltet wird über einen Lenkstock, für das Smartphone gibt es eine Halterung, mehr aber nicht.
Rote Nähte
Ein wenig Sportlichkeit versprüht die L7e-Version des Silence S04 in der „Plus“ genannten Topversion. Hier ist auch der Hartplastik-Anteil im Cockpit leicht reduziert. Geschaltet wird über einen Lenkstock, für das Smartphone gibt es eine Halterung, mehr aber nicht.

Aber auch so sind sie Silence natürlich froh, Nissan als Partner gewonnen zu haben. „Die Kooperation sorgt für ein Vertriebsnetz, das wir bislang nicht hatten“, freut sich Firmengründer Sotelo. Und das sei nötig, um auf höhere Stückzahlen zu kommen und in neue Märkte vorzustoßen. Bislang bietet Silence sein Nanocar – mit bescheidenem Erfolg – außer in Spanien nur über 800 Verkaufs-Stützpunkte in Frankreich, Deutschland, und Italien an. Gegen den Stellantis-Konzern, der mit den in Marokko produzierten Modellen Citroën Ami , Opel Rocks-e und Fiat Topolino aktuell den Markt für Leichtfahrzeuge in Europa dominiert, kommen die Spanier damit nicht an: Erst 800 Fahrzeuge hat Silence bislang abgesetzt – Stellantis hat allein vom Citroën Ami seit 2020 rund 75.000 Einheiten verkauft.

Akku künftig auch im Abo

Aber das soll sich durch die Unterstützung von Nissan nun bald ändern. Was auch helfen, die Silence-Fabrik in Barcelona besser auszulasten. Dort rollen im Einschichtbetrieb jährlich nur rund 5000 Autos vom Band – bei einer Kapazität, die etwa viermal so groß ist. Noch in diesem Jahr soll der S04 auch in Großbritannien und Irland, in Belgien und Luxemburg sowie Dänemark, Polen, Griechenland und in der Türkei in den Handel kommen, in den Niederladen sogar schon im Juni. Zudem ist geplant, auch in Frankreich testweise ein Netz von Batterie-Wechselstationen aufzubauen. Für die kleine E-Autos, aber auch für die E-Scooter – die Antriebsbatterie für beide Fahrzeuge ist die gleiche. Aufgestellt werden sollen sie bei Nissan-Händlern, aber auch an Tankstellen von Shell und auf öffentlichen Parkplätzen etwa von Einkaufszentren.

Fiat Topolino 
Das  Leichtfahrzeug der Kategroei L6e bieten die Italiener im Internet in einer geschlossenen und - als "Dolcevita" - in einer teiloffenen Version an. Der Spaß beginnt hier bei 9.890 Euro. Foto: Stellantis
Fiat Topolino
Das Leichtfahrzeug der Kategroei L6e bieten die Italiener im Internet in einer geschlossenen und – als „Dolcevita“ – in einer teiloffenen Version an. Der Spaß beginnt hier bei 9.890 Euro. Foto: Stellantis

Vor dem Hintergrund wurde auch das Vertriebsmodell überarbeitet. Um den Zugang zu erleichtern soll der Elektro-Zwerg künftig auch ohne Akku verkauft werden – den Stromspeicher mietet der Fahrzeugkäufern hinzu. Das neue Einstiegsmodell „Unico“ der L6-e-Kategorie verbilligt sich dadurch um rund 1000 Euro – statt 9.990 Euro in Deutschland wären also nur 8.990 Euro zahlen. Wie hoch die monatliche Batteriemiete ausfällt, wollten sie bei der Präsentation des neuen Service allerdings noch nicht verraten. Was auch damit zusammenhängt, dass sie im ersten Jahr nach dem Erwerb des Fahrzeugs wegfällt. Das lässt Zeit, um Erfahrungen zu sammeln und die Miete in kalkulieren.

Offene Version in Vorbereitung

Aber in erster Linie muss das Fahrzeug überzeugen. Im Unterschied zu Stellantis und Renault/Mobilize wird Silence den S04 – der Name schreit eigentlich nach einer Schalke-Version – weiterhin in beiden Leichtfahrzeug-Kategorien anbieten. Und obendrein in einer Cargo-Version, bei der statt des zweiten Sitzes ein stählernes Gepäcknetz im Fahrgastraum montiert wird. In Vorbereitung ist zudem eine Version mit offenem Dach und breiteren Rädern nach dem Vorbild des Citroën Ami Buggy für Einsätze als Leihwagen in sonnigen Urlaubsgebieten. Auf die Straße kommt die Open-Air-Version allerdings frühestens im nächsten Jahr. Hauptaugenmerk gilt derzeit der überarbeiteten geschlossenen Version.

Kleiner Flügeltürer 
Der zweisitzige Duo von Mobilize ist der Nachfolger des Renault Twizy. Wie den S04 gibt es ihn auch in einer Cargo-Version. Foto: Mobilize
Kleiner Flügeltürer
Der zweisitzige Duo von Mobilize ist der Nachfolger des Renault Twizy. Wie den S04 gibt es ihn auch in einer Cargo-Version.
Foto: Mobilize

Und wie fährt die sich nach der Modellpflege? Nun ja, lauter als der Markenname vermuten lässt. Die Antriebsgeräusch waren bei unserer Testrunde durch Madrid deutlich vernehmbar. Hinzu kam das Gebrumme von Gebläse und Klimaanlage. Letztere ist eine weitere Besonderheit des S04 – die Stellantis-Modelle können damit nicht aufwarten. Dafür kommt der Mobilize Duo mit einem Airbag daher – der Silence S04 soll erst in den nächsten Generation mit solchen Sicherheitsfeatures ausgerüstet werden. Derzeit sind lediglich Sicherheitsgurte für die Insassen vorhanden.

Für den Stadtverkehr reicht es allemal

Für die wird es unterwegs schnell kuschelig, obwohl der Sitz des Beifahrers nach hinten versetzt ist. Aber die Fahrzeugbreite von 1,26 Metern lässt nicht viel Ellbogenfreiheit. Das Fahrwerk ist knochentrocken abgestimmt und erfordert gewisse Nehmerqualitäten. Die Antriebsleistung von 14 kW in der mit zwei Akkus ausgestatteten L-7e-„Plus“-Version reicht völlig aus, um im Stadtverkehr nicht nur mitzuschwimmen, sondern zwischendurch auch ein paar Sprints an anderen Fahrzeugen vorbei hinzulegen. Rote Nähte am Lenkrad verleiten dazu. Übertreiben sollte man es dabei nicht. Die Bremsleistung ist mäßig und die Kippneigung in schnellen Kurven gefühlt groß – einen „Elchtest“ wollten wir im Großstadtverkehr nicht riskieren.

Von 0 auf 45 km/h in zehn Sekunden
Ein Radnabenmotor treibt den Silence S04 an, in der Version L6e mit sechs Kilowatt Leistung. Für den Stadtverkehr reicht das völlig.
Von 0 auf 45 km/h in zehn Sekunden
Ein Radnabenmotor treibt den Silence S04 an, in der Version L6e mit sechs Kilowatt Leistung. Für den Stadtverkehr reicht das völlig.

Aber ein Ersatz für „richtige“ Autos wollen die Leichtfahrzeuge nicht sein, sondern eine wettergeschützte Alternative zu E-Bike und E-Scooter – und zum Massentransport in Bus und Bahn. Und die Aufgabe erfüllt auch der Silence S04 in beiden Versionen voll und ganz. Auch in der auf 45 km/h begrenzten Junior-Version. Für alles darüber hinaus hat Nissan den neuen vollelektrischen Micra im Angebot und neben dem Ariya auch einen komplett neuen Leaf. Da könnten die Nissan-Händler ihren jungen Neukunden nach Abschluss der Führerschein-Prüfung das eine oder andere interessante Angebot machen.

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