Die Halle M55 bei Opel in Rüsselsheim hat schon so einiges gesehen. Denn hier im Herzen des Stammwerks haben die Hessen nicht nur tausende Streifenwagen aufgebaut und ihre sportlichen OPC-Modelle getunt, sondern auch ihre Erdgas-Flotten umgerüstet. Und jetzt beginnt hinter den großen Rolltoren gerade ein neues Kapitel. Denn hier richtet Opel nun das erste „Battery Refurbishment Center“ ein und geht damit einen in der PS-Branche vergleichsweise neuen Weg. Denn während sich die meisten Anbieter nur Gedanken über das so genannte „Second Life“ der Akkus, also die Verwendung der Zellen in einem zweiten Leben nach der automobilen Karriere machen , will Opel hier das erste Leben der Lithium-Ionen-Zellen verlängern: Reparieren statt recyceln, lautet das Motto für Abteilungsleiter Markus Grassmuck und sein Team von Spezialisten.
Die kommen immer dann zum Zuge, wenn es irgendwo zwischen London und Lissabon Probleme mit einem Elektroauto gibt, die Knowhow und Kompetenzen der lokalen Werkstätten übersteigen. Und das ist relativ schnell der Fall. Denn wenn es um die Akkus geht, sind den Werkstätten die Hände gebunden, sagt Grassmuck: „Die können zwar alle Verbindungen zum Auto prüfen und ein paar Diagnose-Programme laufen lassen, doch das versiegelte Gehäuse dürfen sie nicht öffnen.“ Die Operation am offenen Herzen bleibt dem Spezialisten vorbehalten. Und operiert wird nur in Rüsselsheim.
Alle defekten Akkus landen in Rüsselsheim
Anders als im echten Leben kommt dabei aber nicht der ganze Mensch unters Messer, um im Bild zu bleiben. Sondern um den Kunden möglichst schnell wieder mobil zu machen, schicken sie in solchen Fällen von Rüsselsheim aus sofort eine Austauschbatterie auf den Weg und nehmen bei der Heimfahrt den defekten Block mit ins Refurbishment-Center in Halle M55.
Dort angekommen, wird der versiegelte Kasten geöffnet und zunächst eine gründliche Untersuchung gestartet: Hat die Elektronik einen Bug? Gibt es Kontaktprobleme bei der Verkabelung? Ist der Kühlkreislauf komplett oder sind einzelne Blöcke defekt? Das sind die ersten Fragen, die Grassmuck und seine Spezialisten beantworten müssen. Auf der Suche nach Antworten sind sie nicht allein: Denn im nahen technischen Entwicklungszentrun ist im Zweifel schnell einer der Ingenieure greifbar, der für die Konstruktion oder Programmierung des Antriebs verantwortlich zeichnet. So können sie in Rüsselsheim fast jeden Fehler finden und beheben. „Nur von den Zellen selbst lassen auch wir die Finger“, sagt Grassmuck. Weil seine Herzchirurgen allesamt auf Hochvolt-Anlagen spezialisierte Elektriker sind und keine Chemiker, werden die Zellen allenfalls blockweise ausgebaut und an den Lieferanten geschickt.
Akkus halten länger als erwartet
Ist der Akku in der Regel nach ein bis zwei Tagen repariert und wieder im Paket versiegelt, beginnt eine aufwändige Funktionsprüfung, bei der nicht nur ein kompletter Zyklus aus Be- und Endladung durchfahren wird. Zugleich machen Grassmucks Männer mit jeder Batterie auch einen Stresstest und prüfen das Klima in der Kiste. So können sie die Güte jedes Akkus messen und seine Restkapazität. Danach wird er auf einer Skala von 1 bis 5 bewertet und für den nächsten Austausch bereit gelegt. „So stellen wir sicher, dass jeder Kunde eine Austauschbatterie bekommt, die mindestens genauso gut ist wie seine eigene. Oder sogar besser.“
Dabei hat Grassmuck über die Batterien viel gelernt: „Sie halten länger als erwartet und bieten auch im hohen Alter mehr Kapazität als angenommen.“ Denn auch wenn einige bereits über 160 000 Kilometer genutzt wurden, so hatte er noch keine mit weniger als 70 Prozent Restkapazität auf dem Prüfstand. Trotzdem weiß der Opel-Manager, dass er die Akkus irgendwann alle noch einmal zu sehen bekommt. „Was wir hier lernen, hilft uns später auch beim Recycling.“
Bei der Arbeit an den Akkus bauen die Hessen auf ihre lange Erfahrung. Schließlich hat Opel mit dem Ampera bereits vor zehn Jahren seinen ersten Stromer an den Start gebraucht und schon damals auf Geheiß der US-Mutter GM ein Reparaturlabor eingerichtet. Das zahlt sich heute auch unter der neuen Konzernstruktur aus: Weil sich niemand in der PSA-Welt so gut auskennt mit alten Akkus wie Grassmucks-Truppe und ohnehin alle aktuellen neuen Autos den gleichen Baukasten nutzen, landen in M55 nicht nur die Batteriepakete der wenigen Opel Ampera und Ampera E in Europa sowie die von Opel Corsa-e und Mokka-e, sondern eben auch die Energiespeicher, die DS und Peugeot in seinen Batterieautos und Plugin Hybriden verbaut. Und es ist wahrscheinlich nur eine Frage der Zeit, bis irgendwann auch ein elektrischer Fiat 500 zum Patienten in den Rüsselsheimer Akku-Kliniken wird.
Refurbishment-Center vorsorglich ausgebaut
Haben Anfangs nur zwei Mitarbeiter den Job gemacht, sind aktuell schon ein halbes Dutzend Akkuschrauber im Spannungsfeld unterwegs. Und dabei soll es nicht bleiben: „Denn während wird zu Zeiten des Ampera auf rund 100 Batterien pro Jahr gekommen sind, rechnen wir jetzt mit dem zehn- bis 15fachen“, sagt der Leiter des Centers und stockt entsprechend auf: Bis zum Jahresende sollen mindestens zehn Mitarbeiter für die Operation am offenen Herzen bereit stehen.
Mit Blick auf den Boom der Batterie-Autos hat Opel auch die Anlage selbst bereits kräftig erweitert und in den letzten Wochen ein halbes Dutzend neuer Prüfstände im Betrieb genommen. Das sollte Grassmuck und seine Kollegen übers Jahr bringen. Doch selbst wenn die Herzchirurgen der Elektromobilität mit dem wachsenden Absatz noch mehr Patienten bekommen sollten, macht das den Leiter des Battery Refurbishment Centers nicht bange. Denn Trennwände in Halle M55 sind an einem Wochenende heraus genommen und dahinter ist noch jede Menge Platz.
An meinem Ampera e wurde im September bei der Fa. Auto Jakob die Hochvoltbatterie getauscht.
Meine Frage: Was habe ich jetzt für eine Reichweite?
MfG
Waldemar Bauer
Woher sollen wir das wissen? 400 Kilometer sollten drin sein.