Es soll immer noch Menschen in Deutschland geben, die im Kofferraum ihres Autos einen mit Diesel oder Benzin gefüllten Kanister mit sich führen – für den Fall, dass auf einsamer Landstraße, fernab von einer der 14.500 Tankstellen im Land, plötzlich der Sprit ausgeht.
Noch größer soll die so genannte „Reichweitenangst“ bei vielen sein, die seit kurzem ein Elektroauto bewegen. Zwar gibt es mittlerweile bundesweit über 66.000 öffentliche Ladeplätze, sogar rund 1200 Schnellladepunkte. Und die Kapazitäten der in den Elektroautos verbauten Akkus werden eher größer als kleiner. Zudem legt sich die Reichweitenangst schnell, wenn man sich an die neue Antriebstechnik und den Umgang mit den Ladesäulen am Straßenrand erst einmal gewöhnt hat.
Dennoch könnte im Alltag es ja Situationen geben, wo die Restreichweite des Stromers in den roten Bereich kommt, der „Schildkröten“-Modus anspringt – und weit und breit keine Steckdose in Sicht ist. Für den Fall haben zwei Unternehmen so etwas wie „Powerbanks“ für Elektroautos entwickelt – kleine portable Zusatzakkus, die im Notfall für ein paar Kilometer Strom spenden.
Powerbank mit 4 kWh Speicherkapazität
Das eine Kraftpaket hat sich das britische Startup Zipcharge ausgedacht. Vorgestellt wurde der „Zipcharge Go“ kürzlich auf der Klimakonferenz in Glasgow. Das mobile Ladegerät kann 4 kWh Strom speichern und bei Bedarf mit einer maximalen Ladeleistung von 7,2 kW abgeben – über einen konventionellen Typ-2 (Mennekes)-Stecker. In 30 bis 60 Minuten (je nach Witterung) soll auf diese Weise Energie für 30 Kilometer Fahrstrecke „nachgetankt“ werden können. In der Entwicklung ist auch eine Variante mit einer Speicherkapazität von 8 kWh für über 60 Kilometer.
Geladen werden kann das portables Ladegerät für E-Autos an jeder Haushaltssteckdose. Dank eines integrierten AC/DC-Wandlers kann der Zipcharge Go aber auch Strom von anderen Autos beziehen – sofern die für das bidirektionale Laden vorbereitet sind. Es dauert dann nur entsprechend länger.
Eine spätere Version mit 8 kWh Speicherkapazität soll sogar Strom für nahezu 65 Kilometer bereitstellen können. Die kleinere Variante hat allerdings schon die Größe eines kleinen Rollerkoffers und ein Gewicht von 20 Kilogramm – die doppelt so große Variante dürfte den Kofferraum eines Elektroautos vom Kaliber eines Honda-e (Kofferraumvolumen: 171 Liter) schnell ausfüllen und ordentlich auf die Hinterachse drücken.
Abgesehen von den Kosten für den „Ersatz-Akku“: Die Briten wollen den Zipchargo Go ab Sommer kommenden Jahres für umgerechnet 58 Euro im KLeasing anbieten. Wie hoch der Kaufpreis sein wird, haben die Erfinder noch nicht verraten.
Bis zu 6,5 kW Ladeleistung im „EcoFlow“
Da ist das Team von Solectric aus Ubstadt-Weiher in der Nähe von Bruchsal schon weiter. Das Unternehmen wird ihr mobiles Notstrom-Aggregat „EcoFlow DELTA Pro“ schon im Dezember anbieten können – mit einer Speicherkapazität von 3,6 kWh zu einem Preis von 3.799 Euro. Der Rollenkoffer gibt den in seinem Lithium-Ionen-Akku gespeicherten Strom mit einer Leistung von bis zu 6,5 kW ab – an Elektroautos oder Haushaltsgeräte – je nachdem, wo gerade der größte Strombedarf herrscht.
Die tragbare batteriebetriebene Powerstation EcoFlow DELTA Pro ist vom US-Magazin TIME gerade unter die 100 besten Innovationen des Jahres 2021 gewählt worden – das sollte für ordentlich Nachfrage sorgen.
etree Mobility bringt ab Sommer Strom zum Auto
Wer sich noch ein wenig gedulden kann: Im zweiten Quartal kommenden Jahres wird der mobile Ladedienst von etree seine Arbeit aufnehmen, erfuhr EDISON. Das Unternehmen aus der Nähe von Stuttgart plant, zusammen mit Partnern eine Flotte von 100 Elektro-Transportern auf die Straße zu bringen, die als mobile Stromtankstellen unterwegs sind und auf Zuruf zu den Kunden kommen – wenn sie bereits liegen geblieben sind oder wenn sie den Aufenthalt im Theater oder Fußballstadion nutzen wollen, um das Elektroauto zu laden. Ohne lange Suche nach einer freien Ladesäule, dort, wo man gerade parkt. Da die etree-Fahrzeuge Gleichstrom aus ihrem Speicher mit bis zu 180 kW abgeben, ist der Ladevorgang auch spätestens nach einer halben Stunde beendet.
Was der Service kosten wird, steht noch nicht fest – die Erfinder des Systems – zwei ehemalige Porsche-Ingenieure – denken an eine Art Lade-Schutzbrief mit einer bestimmten Anzahl von Ladevorgängen zum Preis eines Jahres-Abos.
Dafür bleibt der Kofferraum des Elektroautos denn auch frei für Sportgeräte oder Gepäckstücke.