Michl Koch, Steinbock seit 64 Jahren, besucht seit zwölf Jahren Seinesgleichen mit dem Mountainbike. Das E-Bike – seit 2015 – hält er für das beste Mittel, „die Tour mit steigendem Alter abzuflachen“.

„Robert“ nenne ich es, mein neues E-Bike von Cannondale mit einem Elektromotor aus dem Hause Bosch. „Robert“ ist neu im Team, meine anderen Mitfahrer sind nach einer Vergangenheit von elf gemeinsam erlebten Transalpinos alte Hasen: Markus, der beste Tourenplaner, den ich kenne, Micha, das Konditionstier, und Martin, der Langstreckentiger. Tja,
und dann ich. Wie ein durchtrainierter Super-Biker sehe ich schon länger nicht mehr aus. Und spätestens bei der letzten Tour wurde mir klar, dass ich in der Runde dieser Steigungs-Cracks so nicht mehr mithalten würde.

Aber mitfahren wollte ich bei unserer zwölften Tour unbedingt. Und so beschloss ich, mich mit „Robert“ zu verbünden. Der Spott meiner Mit-Biker war mir damit sicher. Ich hätte vermutlich auch gleich mit dem Rollator antanzen können. Doch ich ließ mich nicht einschüchtern und schon gar nicht abwimmeln.

Wegweiser, Leihstationen, Lademöglichkeiten - in Österreich und Bayern bemühen sich die Bergregionen um die E-Mountainbiker. Für Anfänger wie Fortgeschrittene sind Touren dabei. Lecker Essen gibt es auch. E-Bikes

Mit den Höhenmetern schwindet die Reichweite

Die ersten Testfahrten in meiner Heimat, der schwäbischen Alb, mit meinem neuen Partner aus Alu und Stahl und einem 400 mAh-Speicher vom Lithium-Ionen-Typ brachten wichtige Erkenntnisse: Die bergige Topografie hobelte dem E-Antrieb ein Drittel seiner Reichweite von 160 Kilometern mirnix dirnix weg. Über 120 Kilometer standen selten auf der Uhr. Auf allen Testfahrten benutze ich bergauf wie bergab die unterste Eco-Stufe aus dem Bosch-Menu. Ergebnis: Maximal 1500 Höhenmeter habe ich geschafft, minus ein paar trotzigen Stunden am Pedal in den unteren Gängen, wenn die Akkuladung doch einmal vor dem Ziel verbraucht war.

Auch wenn die Fahrt mit leerem Akku über die Ebene einer Steigung von etwa fünf Prozent ähnelt – für rund 110 Kilometer garniert mit 1500 Höhenmetern benötigte ich rund vier Stunden Fahrzeit – ohne „Robert“ wären es wohl doppelt so viel geworden. Mit seinen 29-Zoll-Rädern und einem fahrfertigen Gewicht von 20 Kilogramm inklusive Batterie ist er die leichteste Kombination aus Mountainbike mit Schiebehilfe, die ich zum damaligen Zeitpunkt kaufen konnte. Hinzu kommen 900 Gramm für das Ladegerät – auch das muss mit über die Berge.

Mit Schiebehilfe in die Berge

Mit diesen Erkenntnissen starteten wir am österreichischen Arlberg zu unserer zwölften Transalpino: sechs Tage auf hoch gelegenen Schotterpässen zwischen Arlberg und Livigno. Der fein geplante Weg über die Berge war dieses Mal anspruchsvoller als alle unsere Touren zuvor. Am Talboden sahen wir gelegentlich die normalen Radler tief unter uns auf asphaltierten Radwegen dahinrollen. Manche ließen sogar das Gepäck im Auto zur Berghütte vorwegfahren. Wir dagegen kamen abends schlammverziert in die Hütte und an die Steckdose – die Furten am Berghang ins Tal bei Ischgl waren vom Regen aufgeweicht. Dabei war der erste Tag eigentlich nur zum Warmfahren gedacht.

Transalp mit dem E-Bike
Von Arlberg nach Livigno
Zahlreiche Schilder weisen den Weg. Der genaue Streckenverlauf will jedoch sorgsam geplant sein. Auf der Karte mithilfe eines GPS-Empfängers. Foto: Michl Koch

Erst am nächsten Morgen ging es so richtig in die Berge. Vor der Reichweite des Bosch-Akkus war mir ein wenig bange. Auch auf dieser Tour bemühte ich die Schiebehilfe nur auf der schwächsten Stufe, was etwa 50 Prozent Drehmoment-Unterstützung am Tretlager einbrachte. Mehr brauchte ich nicht, schließlich sollte sich das Ganze weiterhin nach Sport anfühlen. Und mehr traute ich mich auch nicht, denn ich wusste um die konditionellen Superkräfte meiner Mitfahrer.

20 Prozent Akku-Reserve am Zwischenziel

Die Seilbahn beamte uns zur Idalpe hoch über Ischgl, knapp 24 Minuten über 1600 Höhenmeter. Robert fuhr in einer separaten Kabine hinterher. Es blieben immer noch rund 1000 Höhenmeter zu klettern. Irgendwo bei 30 Prozent Schottersteigung am Paliner Kopf kam bei jedem unserer Bikes das Vorderrad hoch oder das Hinterrad drehte durch. Die Antriebsenergie verpuffte, egal wo sie gerade herkam, aus Wade pur oder „Roberts“ Schiebehilfe.

Das Hinauftrampeln wurde mühsam, schließlich unmöglich. Wir schoben unsere Bikes. „Du bist ein Armer, mit deinem schweren Bock“, sagt Martin schmunzelnd. Wart‘s ab, dachte ich. Wir erreichten die Passregion weit
über dem Skigebiet von Ischgl bei 2700 Metern. Unser nächstes Quartier mit Bett und Steckdose lag tief im Tal, doch steil über dem Talboden, zumindest kam uns das nach 30 Kilometern und 1260 Höhenmetern so vor.

„Robert“ war es egal. Er schob mich auch auf der letzten Meile flott bergauf. Als meine Mit-Biker eine Weile nach mir im Gasthof ankamen, waren sie erfreut, das Abendbier bereits auf dem Tisch vorzufinden. Der Akku für „Roberts“ Antrieb zeigte übrigens noch 20 Prozent Reserve, bevor er über Nacht an die Steckdose kam. Gut, dachte ich, doch reicht das für die nächsten Tage?

Steilwand-Traum 
Fahren ist da kaum möglich, Schieben ist angesagt. Schon aus Sicherheitsgründen. Foto: Koch
Steilwand-Traum
Fahren ist da kaum möglich, Schieben ist angesagt. Schon aus Sicherheitsgründen. Foto: Koch

Am nächsten Tag studierten wir zunächst die Karte und fummelten an der Garmin-Navigation. Die Uina-Schlucht ist der Steilwand-Traum aller Wanderer und Mountainbiker und bietet 1500 Höhenmeter auf knapp 30 Kilometern Wegstrecke. Doch der Gipfelkurs auf 2300 Metern Höhe verspricht einen weitgehend Steckdosen-freien Wegrand. Wir kraxelten durch den Bergwald zu UinaSchlucht empor. Vor der Dadaint-Alm bei 1700
Metern lagen steile Wegpassagen. Wir legten sie alle einträchtig schiebend zurück. Dann kam die Uina, so eine Art Arschfalte der Alpen, die Mutter aller Schluchten, ein Zwilling der Via Mala, die wir bereits mehrfach befahren hatten.

Der Weg bergauf grenzt an Folter. Jeden Meter Fahrt mit Tritt am Pedal kann man für die zwei Stunden in der Uina komplett vergessen. Es ist
viel zu steil und viel zu gefährlich. Vor Jahren war hier ein Biker tödlich verunglückt.

Angekommen im Biker-Himmel

Bald öffnete sich die Hochalm über der Schlucht. Schon die weitere Fahrt mit den Füßen am Pedal kam mir beinahe luxuriös vor. Robert, der kräftig mitschob, beförderte mich förmlich ins Biker-Paradies. Immerhin waren wir wieder einmal auf 2300 Metern Höhe unterwegs. Verbrennungs-motoren verlieren in der dünnen Luft rund 25 Prozent ihrer Antriebsleistung. „Robert“ dagegen war topfit, und mir ging es nach langem Anstieg vergleichsweise gut. Auch der Nudelteller auf der Sesvenna-Alm
passt zu dem Gefühl, im siebten Biker-Himmel angekommen zu sein.

Verschnaufen auf der Hochalm
Verbrennungsmotoren verlieren in der dünnen Luft rund 25 Prozent ihrer Antriebsleistung. E-Bike "Robert" dagegen war topfit - und der Fahrer ebenso. Foto: Michl Koch
Verschnaufen auf der Hochalm
Verbrennungsmotoren verlieren in der dünnen Luft rund 25 Prozent ihrer Antriebsleistung. E-Bike „Robert“ dagegen war topfit – und der Fahrer ebenso. Foto: Michl Koch

Abgleich der Kraftreserven zwischen meinen Mitfahrern und mir, zwischen Muskel- und Motorenkraft: Wir fühlten uns gleichermaßen geschafft, die Schieberei in Fahrradschuhen war fordernd. Knapp ein Drittel der 1600 Höhenmeter bis hier hoch hatten wir zu Fuß zurückgelegt, daher besaß Roberts Akku auch noch Energie-Reserven. Erstmals hatte ich das Gefühl, dass ich auch im Aufstieg noch ein wenig weiter hätte fahren können, dem elektrischen Antrieb sei Dank. Aber die Solidarität unter den Bikern geht
so weit, dass man nur ungern an den eigenen Tourgenossen vorbei strampelt. Zusammen keucht sich’s schöner.

Fachsimpeln an den Steckdosen im Kuhstall

Hier oben sammelten sich schließlich auch die anderen E-Biker, die ersten und einzigen, die wir auf dieser Tour trafen. Sie scharten sich brav
um die Steckdosen im Kuhstall, an denen die Wirtsfamilie der Sesvenna-Hütte bereitwillig zum Nachladen einlud. Die anderen Stromer erzählten von ihren Freunden, die unterwegs umdrehen mussten, weil sie die Energie für ihre Schiebhilfe mit allzu hoher Unterstützung verpulvert hatten. Andere hatten ihre Freunde auf halber Höhe an der Steckdose einer Almwirtschaft zurückgelassen und wollten sie dort auf dem Heimweg wieder einsammeln.

Wir glichen die Erfahrungen unter Stromern ab: Nur wer unterwegs mit der Schiebehilfe knausert, kann sich darauf verlassen, 1500 Höhenmeter mit Unterstützung zu schaffen. Wenn ein Bike am Berg zu schwer wird, drückt man den Knopf oben auf der Bosch-Schaltung. Das animiert den Motor bei Fußgängertempo mit ein paar Watt zur Schiebehilfe. Das Ganze reicht aus, um ein Bike in der Ebene mit so einer Art Flautenschieber kraftfrei laufen zu lassen. Auf Schotterpfad am Berg ist vom Antrieb praktisch nichts zu spüren.

Wer aktuell ein neues E‑Bike sucht, hat die Wahl sich zwischen diversen Antrieben mit unterschiedlichen Charakteristika. Wir erläutern, für welchen Fahrertyp sich welcher Antrieb eignet - und warum Drehmoment nicht alles ist. E-Bikes

Stromausfall auf 2300 Metern Höhe

Auch die Route für den nächsten Tag hatte es noch einmal in sich. Vor uns lagen Stilfser Joch und Umbrail-Pass. Wir steuerten von Taufers im Münstertal durch das Val Mora aufwärts. Über zwei jeweils 2300 Meter hohe Schotterpässe sollte es zwischen hohen Gipfeln nach Livigno gehen. Doch dieses Mal wurde es auch „Robert“ etwas zu viel: Nahe der Alpisella-Höhe bei 2300 Metern fiel zum ersten Mal auf dieser Tour der Strom aus.
Schuld am Ausfall waren die langen Anstiegen der aktuellen Route. Heute war keine Passage so steil, dass wir hätten schieben müssen.

Durchgehend im Eco-Betrieb fahrbare 1600 Höhenmeter fordern ihren Tribut. Doch der Abstieg ins Tal gelang mit gewohntem Schwung
und Genuss und endete in einem Sommergewitter, das uns zur Einkehr zwang. Der Kneipenchef im Ristoro Alpisella war so unglaublich hilfsbereit, dass er lieber auf den Stromanschluss seiner zweiten Kaffeemaschine verzichtete, als mich mit leerem Akku über die letzten Kilometer nach Livigno weiterzuschicken. Versehentlich trennte er auch die Registrierkasse vom Netz, und so genossen wir seine Vesperplatte zum Schätzpreis und rundeten das Trinkgeld großzügig auf, damit die nächsten E-Biker davon profitieren konnten.

Tags drauf im Engadin begann die Genuss-Tour, an der viele Pedelec-Fahrer ihre große Freude haben. Das Roulettespiel um die gefahrenen Höhenmeter lag endlich hinter mir. Breite Wege führten auf halber Höhe und boten immer wieder tolle Blicke ins Tal. Mit dem E-Bike unter mir und den Muskel-Cracks in meiner Begleitung gab es keinen Grund, den eher faden
Pfad unten im Tal zwischen Bundestrasse und Bahn zu wählen.

Große Inspektion 
Nahe der Alpisella-Höhe bei 2300 Metern fiel zum ersten Mal auf dieser Tour der Strom aus.
Große Inspektion
Nahe der Alpisella-Höhe bei 2300 Metern fiel zum ersten Mal auf dieser Tour der Strom aus.

Aus Hohn wird Respekt

Die Reichweite der Batterie mit ihren 400 Milliwattstunden Kapazität streckte sich zusehends gegen 100 Kilometer Fahrstrecke, die an einem Tag möglich gewesen wären. Konjunktiv deshalb, weil wir nach wie vor alle 60 bis 70 Kilometer ein Tagesziel vorsahen. Meine Mitfahrer fanden das dann doch ein wenig langweilig, und verschwanden immer wieder auf schmalen Trails, die aus dem Wildwechsel einer verwegenen Gamsfamilie hätten entstanden sein können. Mit dem schweren E-Bike hätte ich dort keine Chance und genoss lieber den gemütlichen Flow auf schönen Wegen – und die Sicherheit, am Etappenziel völlig entspannt anzukommen.

Natürlich kletterte jeder meiner Mit-Biker irgendwann einmal auf mein Dad und äußerte sich anschließend lobend und durchaus respektvoll. Vom Spott des Anfangs unserer Reise war bald nicht mehr viel zu spüren. Doch mit mir tauschen wollte wiederum auch keiner. Denn diese Männer schaffen die gleichen Höhentrips noch ganz ohne Schiebehilfe, und allein der Stolz darüber verhindert erfolgreich jede neue Orientierung.

Erst Skepsis, dann Begeisterung

Völlig anders verhielt sich mein Freundes- und Familienkreis ein paar Monate später. Ich hatte zuvor ausführlich von meiner Radtour erzählt, von den Wegen zum Schotterhimmel rund um die Uina-Schlucht. Irgendetwas muss sie überzeugt haben. Sie waren begeistert. Heute stehen in den Garagen meiner Freunde beinahe zwei Dutzend E-Bikes, von denen
sich viele im täglichen Einsatz bewähren müssen. Das Kaufargument war stets das gleiche: Wenn der Antrieb diese Irrsinns-Tour mitgemacht hat, dann können wir das als gelungene Bewährungsprobe für unsere eigenen Einsätze verstehen. Auch wenn der Weg zwischen Bäckerei und Postamt weitgehend ohne senkrechte Steilwandpassagen auskommt.

Meine Tour-Genossen planen derweil schon die nächsten Bike-Routen: über das Hochplateau des Brenner, quer durch die Brenta oder die Dolomiten-Passagen. Ich soll unbedingt mit. Und Robert auch. Sie akzeptieren, dass der ab und zu eine Steckdose brauchen. Wie viele Wasserflaschen ich dafür bereit wäre zu schleppen? Und wie steil die Aussicht sein dürfe, ohne dass ich Höhenangst bekomme?

Wir arbeiten gemeinsam an den Lösungen.



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