Paris weckte eine trügerische Hoffnung

Als der Generalsekretär der Vereinten Nationen die 21. UN-Konferenz zum Klimawandel beendete, brach Jubel aus. Menschen sprangen auf, lagen sich in den Armen, mit Tränen in den vom Schlafmangel blutunterlaufenen Augen.

Die Gefühle, die am 13. Dezember 2015 aus vielen herausbrachen, waren nicht nur gestellt. Nach wochenlangen zermürbenden Verhandlungen auf höchster Ebene war in Paris endlich ein Durchbruch erzielt worden. Entgegen allen Erwartungen hatte sich die internationale Gemeinschaft nach jahrzehntelangen Fehlschlägen und Misserfolgen endlich darauf geeinigt, alles zu tun, um die globale Erwärmung auf deutlich unter 2 Grad Celsius, vorzugsweise auf 1,5 Grad, gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen.

Das Pariser Abkommen war ein überwältigender Sieg für die Menschen, die durch den Klimawandel am meisten gefährdet sind. Auch reiche Industrienationen werden durch den globalen Temperaturanstieg zunehmend betroffen sein, aber die niedrig gelegenen Inselstaaten wie die Malediven und die Marshallinseln sind unmittelbar existenziell bedroht. Wie ein späterer UN-Sonderbericht deutlich machte, würde die Zahl der Todesopfer durch heftigere Stürme, Brände, Hitzewellen, Hungersnöte und Überschwemmungen erheblich steigen, wenn es nicht gelingt, die globale Erwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen.

Wolfgang Knorr
arbeitet am Institut für Physische Geographie und Ökosystemwissenschaft an der Universität Lund in Schweden. Nach Arbeiten am Max-Planck-Institut für Meteorologie und Max-Planck-Institut für Biogeochemie. Später war Knorr als nationaler Sachverständiger für die Europäische Kommission in deren gemeinsamer Forschungsstelle in Italien tätig und als Missionsberater für die Europäische Weltraumorganisation ESA.

Etwas tiefer liegend konnte man in Paris aber noch eine andere Emotion bei den Delegierten finden: Zweifel. Es fällt uns schwer, einen Klimawissenschaftler zu nennen, der das Pariser Abkommen damals für machbar hielt. Inzwischen haben uns einige Wissenschaftler gesagt, das Pariser Abkommen sei „natürlich wichtig für die Klimagerechtigkeit, aber nicht umsetzbar“ und „ein kompletter Schock gewesen, denn niemand dachte, dass eine Begrenzung auf 1,5 Grad möglich sei“. Statt die Erwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, so die Schlussfolgerung eines hochrangigen Wissenschaftlers, der am IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change, der „Weltklimarat“) beteiligt war, würden wir bis zum Ende dieses Jahrhunderts auf mehr als 3 °C zusteuern.

Zu schön, um wahr zu sein

Statt uns unseren Zweifeln zu stellen, beschlossen wir Wissenschaftler, immer aufwändigere Fantasiewelten zu konstruieren, in denen wir sicher wären. Der Preis, den wir für unsere Feigheit zahlen mussten, bestand darin, den Mund zu halten, wenn es um die immer absurder werdende Forderung nach einer Kohlendioxid-Entfernung im Weltmaßstab ging.

Im Mittelpunkt stand BECCS, weil es damals die einzige Möglichkeit war, mit klimaökonomischen Modellen Szenarien zu finden, die mit dem Pariser Abkommen in Einklang stehen würden. Denn anstatt sich zu stabilisieren, waren die globalen Kohlendioxidemissionen seit 1992 um etwa 60 Prozent gestiegen.

Die Idee klingt verlockend: Treibhausgase aus der Luft fischen und im Untergrund verstecken. Der Energiebedarf ist allerdings enorm, wie jetzt eine Studie zeigt. Klima

Leider war BECCS, genau wie alle vorangegangenen Lösungen, zu schön, um wahr zu sein. ei den vom IPCC erstellten Szenarien mit einer 66-prozentigen oder besseren Chance, den Temperaturanstieg auf 1,5 °C zu begrenzen, müssten mit BECCS jährlich zwölf Milliarden Tonnen Kohlendioxid entfernt werden. In diesem Umfang würde BECCS immense Anpflanzungsprogramme für Bäume und Bioenergiepflanzen erfordern.

Die Rechnung geht einfach nicht auf

Die Erde braucht auf jeden Fall mehr Bäume. Die Menschheit hat etwa rund drei Billionen Bäume gefällt, seit wir vor etwa 13.000 Jahren mit der Landwirtschaft begonnen haben.

Doch statt den Ökosystemen die Möglichkeit zu geben, sich von den menschlichen Eingriffen zu erholen und die Wälder nachwachsen zu lassen, rechnet BECCS mit speziell angelegten Plantagen im industriellen Maßstab, die regelmäßig zur Gewinnung von Bioenergie geerntet werden, anstatt den Kohlenstoff in den Stämmen, Wurzeln und Böden der Wälder zu speichern.

Die beiden effizientesten Biokraftstoffe sind derzeit Zuckerrohr für Bioethanol und Palmöl für Biodiesel -beide werden in den Tropen angebaut. Endlose Reihen schnell wachsender Monokulturen von Bäumen oder anderen Bioenergie-Pflanzen, die in kurzen Abständen geerntet werden, zerstören aber die Artenvielfalt.

Schätzungen zufolge würde BECCS zwischen 0,4 und 1,2 Milliarden Hektar Land benötigen. Das sind 25 bis 80 Prozent aller derzeit bewirtschafteten Flächen. Wie soll das erreicht werden, wenn Mitte des Jahrhunderts gleichzeitig acht bis zehn Milliarden Menschen ernährt werden sollen, ohne dass die einheimische Vegetation und die biologische Vielfalt zerstört werden?

Im fünften Teil schließlich lernen Sie, warum Net-Zero nicht funktionieren kann

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