Die Weltwirtschaft verlangt nach immer mehr Lithium-Ionen-Batterien. Elektroautos sind darauf angewiesen, ebenso Laptops, Smartphones und elektrische Werkzeuge für den Baubereich und den Heimwerkersektor. Bald wird ein weiterer Bereich hinzukommen, der im grossen Stil aufladbare Batterien benötigt: die Speicherung von erneuerbaren Energien, die nicht direkt genutzt werden können. Die wachsenden Mengen an temporär verfügbarem Ökostrom können nicht mehr allein in Pumpspeicherkraftwerken gespeichert werden – das lässt schon das überlastete Stromnetz kaum noch zu. In vielen Weltregionen sind Pumpspeicherkraftwerke aus Mangel an Wasser und geeigneten Gebirgs-formationen ohnehin nicht machbar. Eine Alternative wäre Wandlung des überschüssigen, mit Hilfe von Sonne und Wind erzeugten elektrischen Stroms in Wasserstoff. Doch die Power-to-Gas-Technologie ist aufwändig, somit teuer. Und aufgrund eines geringen Wirkungsgrads sind derartige Verfahren nicht besonders effizient – viel Energie geht darüber verloren.

Damit zeichnet sich ab: Der Bedarf an preisgünstigen, ortsfesten Speicherbatterien wird in den kommenden Jahren kräftig steigen. Sie sollten zudem möglichst aus umweltfreundlichen Materialien gebaut sein, um die Weltvorräte an Lithium, Kobalt und anderen teuren Metallen nicht noch weiter zu belasten – diese Substanzen stecken in Lithium-Ionen-Akkus heutiger Bauart.

Kostiantyn Kravchyk und Maksym Kovalenko haben sich an der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (Empa) mögliche Alternativen zum Lithium-Ionen-Akku genauer angeschaut. Sie haben dazu Dutzende Veröffentlichungen von Forschungsgruppen weltweit studiert und systematisch eigene Versuche angestellt. Ihre Einschätzungen haben sie kürzlich unter anderem im Fachblatt „New Journal of Chemistry“ veröffentlicht.

Weg von Lithium – hin zu Natrium?

Eine der einfachsten Wege wäre es, Lithium durch Natrium zu ersetzen. Dieses ist alles andere als rar: Natriumchlorid findet sich im Meerwasser und ist überall auf der Welt zugänglich. Doch damit hören die Vorteile schnell einmal auf. Weil ein Natrium-Ion rund 50 Prozent grösser ist also ein Lithium-Ion, sind die Materialien an der Kathode elektrochemisch weniger stabil. So hält etwa Natrium-Kobaltoxid (das dem Lithium-Kobaltoxid in einem handelsüblichen Lithium-Ionen-Akku entspricht) sehr viel weniger Ladezyklen aus. Damit wäre der Kostenvorteil dahin.

Auch auf der Gegenseite der Batterie, beim Anodenmaterial gibt es Probleme. Graphit (wie beim Lithium-Ionen-Akku) ist für Natrium-Batterien unbrauchbar, denn es speichert zu wenige Natrium- Ionen. Versuche mit preisgünstigem Zinn, Antimon oder Phosphor ergaben zwar gute Ergebnisse beim Speichern von elektrischen Ladungen, doch beim Aufladen bläht sich die Anode auf das Dreifache ihres ursprünglichen Volumens auf. Das beeinträchtigt die mechanische Stabilität: Bei Erschütterungen kann das geblähte Material leicht zerfallen, die Batterie wäre kaputt.

Bei Phosphor-Anoden gibt es ein noch gravierenderes Problem: Beim Aufladen entsteht in der Anode Natriumphosphid (Na3P7), das zusammen mit Wasser Monophosphan ergibt – ein extrem giftiges Gas, das zu Atemstillstand führt, wenn es eingeatmet wird. Auf die gleiche Weise wirken auch Metallphosphide, die deshalb als Rattengift eingesetzt werden. Kaum jemand dürfte eine solche Batterie in seinem Keller haben wollen, selbst wenn es mit Sonnenstrom vollgeladen ist.

Wie wäre es mit Magnesium?

Auf Natrium folgt im chemischen Periodensystem Magnesium. Es ist ein kleines, leichtes Atom und kann zwei Elektronen auf einmal übertragen. Magnesium ist günstig und ungiftig. Könnte man daraus Batterien bauen?

Auf der Anoden-Seite der Batterie bringt Magnesium in der Tat Vorteile: Man braucht kein Graphit (wie bei Lithium-Ionen-Batterien), sondern kann metallisches Magnesium direkt als Anode einsetzen. Doch das kleine, zweifach geladene Magnesium-Ion bringt Nachteile auf der Kathoden-Seite mit sich: Die hohe elektrische Ladung auf kleinem Durchmesser führt zu hohen elektrischen Anziehungskräften. So schlüpft das Ion nur mit hohem Kraftaufwand in ein Gitter aus Kobaltoxid. Und wenn es dort steckt, ist es nur noch schwer wieder herauszuholen.

Wer es mit Gewalt versucht – also mit höheren Spannungen – läuft Gefahr, Oxidations- und Reduktionsprozesse in den chemischen Bestandteilen der Batterie auszulösen und sie damit zu zerstören. Solche Batterien sind also nicht schnellladefähig und nur in einem kleinen Spannungsbereich nutzbar, wenn sie lange halten sollen. Sie sind auch sehr inneffizient, denn durch ihre widerspenstige Chemie brauchen sie besonders hohe Ladeströme.

Oder mit Aluminium-Graphit-Batterien?

Geht man im Periodensystem vom Magnesium noch einen Schritt weiter nach rechts, landet man bei Aluminium. Auch dieses Metall ist in grossen Mengen verfügbar, ungiftig und günstig. Es kann drei Elektronen übertragen. Ähnlich wie bei der Magnesium-Batterie ist die Anode leicht zu bauen; ein Aluminium-Blech genügt.

Doch der Rest einer Aluminium-Batterie funktioniert grundlegend anders als eine Lithium-Ionen-Batterie: Bei Lithium-Ionen-Akkus spricht man vom Schaukelstuhl-Prinzip (engl. rocking chair principle): Beim Entladen wandern die Lithium-Ionen von der Anode zur Kathode, beim Laden wandern sie zurück. Bei einer Aluminium-Graphit-Batterie hingegen wandern die Aluminium-Ionen nicht auf direktem Weg zwischen Anode und Kathode hin und her. Vielmehr werden beim Laden Bestandteile der Elektrolytflüssigkeit von beiden Elektroden „verbraucht“.

Eine Frage der Form
Konstiantyn Kravchyk erklärt mit ein paar Papier-Bögen die Chemie einer Aluminium-Graphit Batterie: Bei gut geeignetem Graphit sehen die Katen aus wie ein Papierstapel. Die Aluminium-Chlorid-Ionen können hier gut eindringen. Sind die Kanten zerknüllt, ist die Aufnahmefähigkeit begrenzt. Foto: Empa

Der Elektrolyt liefert auf der einen Seite Aluminium, das in Form von Metall an der Anode abgeschieden wird. Auf der anderen Seite der Batterie werden der Elektrolytflüssigkeit AlCl4–Ionen entzogen und in die Graphit-Anode eingelagert. Die verfügbare Menge an Elektrolyt ist also entscheidend für die Kapazität der Batterie. Auf Grund dieses chemischen Funktionsprinzips wird eine Aluminium-Graphit-Batterie immer etwa fünf Mal schwerer sein als eine vergleichbare Lithium-Ionen-Batterie.

Zusätzlich ergibt sich ein weiteres Problem: Die Graphit-Kathode bläht sich bei jedem Ladevorgang auf mehr als das Doppelte ihres ursprünglichen Volumens auf und schrumpft beim Entladen wieder. Das bedeutet: Auf jeden Fall brauchen solche Batterien flexible Außenhüllen und Schutzgehäuse mit ausreichend Raum zum „Atmen“. Das Aufblähen und Schrumpfen wirkt sich nachteilig auf die Erschütterungsfestigkeit und damit die Langzeitstabilität aus. Hier sind neue konstruktive Lösungen erforderlich.

John Goodenough ist einer der drei Forscher, die für ihre wegweisenden Arbeiten am Lithium-Ionen-Akku nun mit dem Chemie-Nobelpreis ausgezeichnet werden sollen. Vor 97 Jahren wurde er in Jena geboren, 1980 fand er einen Weg, die Batterie besser und sicherer zu machen. Und der nächste große Coup steht schon bevor. Energiespeicher

Alles nur eine Frage des Managements?

Eine zusätzliche Herausforderung ist der Lade-Algorithmus für solche Nicht-Lithium-Ionen-Batterien. Die Forschungsgruppe um Kravchyk und Kovalenko fand heraus, dass sich die Leistung einer Aluminium-Graphit-Elektrode durch geschicktes stufenweises Aufladen um bis zu 25 Prozent steigern ließe. Eine internationale Forschergruppe aus Taiwan, China, den USA und Deutschland entdeckte, dass solche Elektroden deutlich leistungsfähiger sind, wenn sie auf Minus 10 Grad Celsius abgekühlt werden. Diese Ergebnisse verdeutlichen, dass für die chemisch völlig andersartigen Batterien ein völlig neues Batterie-Management entwickelt werden muss, also neue Sensoren, Ladegeräte und -algorithmen.

Noch ist unklar, welche der hier beschriebenen Batterie-Technologien sich durchsetzen wird und Lithium-Ionen Akkus zumindest in einigen Bereichen ersetzen kann. Die Forscher betonen in ihrer Analyse auch, dass keine der vorgestellten Technologien derzeit eine ähnliche Energiedichte wie Lithium-Ionen-Akkus erreicht. Und sehr wahrscheinlich wird das auch in Zukunft so bleiben. Diese Alternativ-Batterien sind deshalb nur für Anwendungen denkbar, bei denen Elektrizität möglichst preisgünstig gespeichert werden soll und wo der Fokus auf der umweltfreundlichen Herstellung der Batterien liegt.

Was leisten halbfeste Grphit-Elektroden?

Bis zum Durchbruch alternativer Batterien gibt es für die Forschungsgruppen weltweit also noch viel zu tun. Kostiantyn Kravchyk und Maksym Kovalenko wünschen sich einen ganzheitlicheren Ansatz. „Oft wird in der Forschungswelt mit einem Experiment nur die Machbarkeit einer Idee bewiesen – die Kosten für alle nötigen Bauteile und das voraussichtliche Gesamtgewicht des kompletten Batteriesystems werden dagegen oft vernachlässigt“, beklagt Kravchyk. Genau diese Parameter seien aber entscheidend für eine mögliche Kommerzialisierung. „Sie sollten daher bei Forschungsarbeiten stärker berücksichtigt werden als bisher.“

Trotz ihrer einigermaßen ernüchternden Studie wird Kostiantyn Kravchyk auch in Zukunft weiter an alternativen Speicherbatterien forschen. „Systeme mit Graphit als Kathode bleiben weiterhin sehr interessant. Wir konnten bereits zeigen, dass auch das Schwellen und Schrumpfen des Kathodenmaterials ein durchaus überwindbares Problem ist.“

Zusammen mit seinen Kollegen erforscht er deshalb nun „halbfeste“ Graphit-Elektroden: Sie halten lange und können zugleich gut elektrischen Strom übertragen.

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