Auf einer Fachkonferenz in Miami hat der norwegische Schiffbaukonzern Ulstein ein Konzept vorgestellt, das künftig den emissionsfreien Betrieb von batteriebetriebenen Kreuzfahrtschiffe auch auf großer Fahrt ermöglichen soll. Für die Stromversorgung unterwegs soll ein 149 m langes Versorgerschiff sorgen, das den Strom an Bord mithilfe eines Thorium-Schmelzsalzreaktors erzeugt. Entsprechend erhielt der Prototyp den Namen „Thor“ – wie der altnordische Gott des Donners und des Blitzes.

„Thor“ kann dank seines Atomantriebs dauerhaft komplett autark und klimaneutral operieren – und als mobile Ladestation gleichzeitig die Akkus von bis zu vier anderen Schiffen mit Strom versorgen. Und nicht nur das. Thor ist von den Ulstein-Ingenieuren als so genanntes 3R-Schiff konzipiert. Im Fachjargon steht 3R für Replenishment, Research and Rescue. Es ist also für Versorgungs-, Forschungs- und Rettungsaufgaben konzipiert. Mit Booten und Hubschraubern soll „Thor“ Vorräte zu anderen Schiffen bringen. Der futuristisch gestylte Atom-Kreuzer verfügt dazu über Hubschrauberlandeplätze, Drohnen und Feuerlöscheinrichtungen, einen Kran, Labore sowie einen Vortragssaal.

Der eigentliche Clou aber ist der Antrieb des Schiffs. Der Flüssigsalzreaktor (Molten Salt Reactor, MSR) an Bord nutzt als Brennstoff das leicht radioaktive Metall Thorium, dessen Kettenreaktion ein Salz auf eine Temperatur von 700 Grad Celsius erhitzt. Mit diesem wird Dampf erzeugt, der wiederum eine Turbine antreibt. Solche Reaktoren gelten als vergleichsweise sicher, sind aber laut Ulstein bislang noch nicht bei Einsätzen auf See getestet worden.

Schwimmendes Mehrzweck-Kraftwerk

„Wir haben das Ziel, den Ehrgeiz und den ökologischen Imperativ, zu einem emissionsfreien Betrieb überzugehen, aber bisher fehlte uns die Lösung“, sagte Ulstein-Chefin Cathrine Kristiseter Marti. „Wir glauben, dass ‚Thor‘ die Antwort sein könnte, nach der wir gesucht habe – ein schwimmendes Mehrzweck-Kraftwerk, das eine neue Batterierevolution ermöglichen wird“ – und die gesamte maritime Industrie verändern könnte.

Um die Machbarkeit des Konzepts zu demonstrieren, hat Ulstein auch noch ein 100 Meter langes emissionsfreies Expeditions-Kreuzfahrtschiff für 80 Passagiere und 80 Besatzungsmitglieder entwickelt – die „Sif“. In der nordischen Mythologie hieß so die Frau des Donnergottes. Das Schiff der Eisklasse 1C, konzipiert für Fahrten in arktischen und antarktischen Gewässern, wird nach den Vorstellungen der Ulstein-Ingenieure mit Batterien der nächsten Generation betrieben und nutzt „Thor“ zum Aufladen während der Fahrt.

Ob und wann das norwegische Unternehmen die beiden Schiffe bauen wird, ist nicht bekannt. Auch hat sich Ulstein auf der Konferenz nicht zur Frage geäußert, was ein atombetriebenes Versorgungsschiff kosten würde.

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