Mit dem Toyota Prius begann 1997 die Elektrifizierung, mit dem Nissan Leaf erlebte das Batterieauto 2010 seine Wiedergeburt. Tesla gab der Antriebswende 2013 mit dem Model S einen kräftigen Impuls – und stürzte die gesamte Autoindustrie in einen Transformationsprozess, wie ihn die Branche zuvor noch nicht erlebt hatte. Wer daraus als Sieger und Verlierer hervorgeht, ist noch offen. Nur eines steht bereits fest: Die Zukunft fährt elektrisch. Teilelektrisch heute bereits fast vollständig, vollelektrisch nach aktueller Planung spätestens 2050.

Bis dahin ist noch viel zu tun, um Elektroantriebe zu optimieren und zu perfektionieren. Die Potenziale sind gigantisch, immerhin hat das neue Zeitalter gerade erst begonnen. Um eine Parallele zu ziehen: 25 Jahre nach Erfindung des benzingetriebenen Patent-Motorwagens von Carl Benz wurden die Fahrzeuge noch mit der Kurbel gestartet. Erst 1914 erfand Robert Bosch den elektrischen Anlasser. Ein Jahr, nachdem Henry Ford damit begonnen hatte, Autos am Fließband zu produzieren.

Hoch effizient 
ZF hat ein breites Portfolio von E-Maschinen im Angebot, mit Leistungen zwischen 130 und 550 kW, als unterschiedlichen Größen und unterschiedlichen Bauweisen. Sie arbeiten ohne Seltene Erden und kommen in einer Neuentwicklung ganz ohne Magnete aus.
Hoch effizient
ZF hat ein breites Portfolio von E-Maschinen im Angebot, mit Leistungen zwischen 130 und 550 kW, als unterschiedlichen Größen und unterschiedlichen Bauweisen. Sie arbeiten ohne Seltene Erden und kommen in einer Neuentwicklung ganz ohne Magnete aus.

Diesmal wird die Evolution schneller vonstatten gehen – den Kinderschuhen ist das Elektroauto längst entwachsen, viele Systeme sind längst erfunden. Trotzdem werden wir in den kommenden Jahren noch große Entwicklungssprünge sehen. Elektroautos werden dank neuer Batterien und effizienteren Motoren weiter fahren, neue Thermomanagement-Systeme werden dafür sorgen, dass die Reichweite auch im Winter nicht großartig schrumpft. Die Akkus werden dank neuer Konverter und einer ausgeklügelten Elektronik schneller den Strom aufnehmen, aber auch wieder ins Netz einspeisen können. Die Systeme werden smarter, auch kompakter, vor allem aber preisgünstiger: In wenigen Jahren, da sind sich die Ingenieure beim Autozulieferer ZF sicher, werden Elektroautos deutlich billiger angeboten werden können als ähnlich leistungsstarke Fahrzeuge mit Verbrennungskraftmaschinen an Bord.

Variables Baukastensystem

ZF will einer der Treiber der Evolution sein. Einen Vorgeschmack auf die Verbesserungen, an denen sie in der Antriebssparte arbeiten, gab der traditionelle „Tech Day“ im Saarland. Das breite Publikum wird diese im Herbst auf der IAA Mobility in München bestaunen können – und manche davon möglicherweise auch schon bald in Serienfahrzeugen.

Auch wenn sich die Entwicklung der Elektromobilität „heute anders darstellt als noch vor einigen Jahren“, wie Mathias Miedreich, der Chef der ZF-Division „Elektrifizierte Antriebstechnologien“, auf der Veranstaltung einräumte. Die Anforderungen der Märkte in Nordamerika, China und Europa hätten sich anders entwickelt als prognostiziert. Reine Batterieautos würden nach aktuellen Prognosen im Jahr 2031 „trotz vieler Vorteile“ nur auf Anteile zwischen 34 (USA) und 51 Prozent (EU) kommen – Hybridantriebe sich länger am Markt halten und auch auf größere Anteile kommen als noch vor zwei Jahren gedacht.

Hoch variabel 
Das neue Baukastensystem SELECT erlaubt es den ZF-Kunden, einen Elektro- oder elektrifizierten Antrieb ganz nach seinen Bedürfnissen zusammenzustellen und mit kurzen Vorlaufzeiten in die Serienproduktion zu bringen. Grafik: ZF
Hoch variabel
Das neue Baukastensystem SELECT erlaubt es den ZF-Kunden, einen Elektro- oder elektrifizierten Antrieb ganz nach seinen Bedürfnissen zusammenzustellen und mit kurzen Vorlaufzeiten in die Serienproduktion zu bringen. Grafik: ZF

ZF hat deshalb ein hochvariables Baukasten-System entwickelt, um die unterschiedlichen Märkte und Kunden zielgerichteter bedienen zu können – mit Hochleistungs-Elektromotoren unterschiedlicher Leistungsstufen und Bauart, mit effizienten, leichten wie kompakten Reduziergetrieben, mit Invertern mit höchsten Leistungsdichten sowie Konvertern für das schnelle wie bidirektionale Laden. Allesamt auf 800-Volt-Basis und zum Teil mit Künstlicher Intelligenz gesteuert. „Das Innovationstempo bei vielen Antriebskomponenten ist enorm. Unsere Kunden wollen neueste Technik schnell verfügbar haben – und das bei begrenztem Integrationsaufwand“, erklärte Entwicklungsleiter Otmar Scharrer die Motivation zur Entwicklung der „SELECT“ genannten Plattform.

Propan als Kältemittel

Das Baukasten-System schenkt den Fahrzeugherstellern mehr Spielraum und Zeit, hilft ihnen auch zum Teil massiv Kosten zu sparen. Und was hat der Kunde davon? Ebenfalls eine ganze Menge. Die Fahrzeuge werden etliche Kilogramm leichter, sparsamer und auch deutlich kostengünstiger – wenn der Hersteller die Vorteile an seine Kunden weitergibt. Kleine Dinge, sieht man auch hier, können dabei schon viel bewirken. „Wenn man das System neu und ganzheitlich denkt“, sagt Benedikt Schauder, Entwicklungsleiter und Innovationsmanager bei ZF in Schweinfurt.

Hoch wetterfest 
Das Thermomanagementsystem von  ZF verspricht bei Hitze wie bei Kälte die Reichweite von E-Autos deutlich zu vergrößern.
Hoch wetterfest
Das Thermomanagementsystem von ZF verspricht bei Hitze wie bei Kälte die Reichweite von E-Autos deutlich zu vergrößern.

Vier Jahre lang grübelte er zusammen mit Kollegen über Möglichkeiten, um zu verhindern, dass Elektroautos bei hohen Temperaturen Hitzewallungen bekommen und Leistung verlieren – und dass die Reichweite der Stromer bei winterlichen Temperaturen spürbar schrumpft. Die Lösung ist ein wartungsfreies Thermomanagement-Systems namens TherMaS, das mit Propan statt mit klimaschädlichem Tetrafluorpropen arbeitet. Mit einer Füllmenge von 140 Gramm lässt sich damit nicht nur der Innenraum eines E-Autos warm halten.

30 Prozent mehr Reichweite im Winter

Auch Akku und Elektromotoren bleiben damit bei nur geringem Energieaufwand temperaturmäßig immer im Wohlfühl-Bereich. Das Ergebnis: Bei Außentemperaturen von minus 25 Grad Celsius kommt das Elektroauto mit einer Akkuladung bis zu 30 Prozent weiter als bisher. Auch bei hochsommerlichen Temperaturen um die 35 Grad verbessert sich die Reichweite immerhin noch um neun Prozent (siehe Grafik). Und eine Klimaanlage muss nicht mehr eingebaut werden. Schon im kommenden Jahr, lässt Schauder durchblicken, könnte ein erstes Fahrzeug mit dem neuen ZF-System auf den Markt kommen – sofern die US-Umweltschutzbehörde demnächst der mit Propan betriebenen Wärmepumpe grünes Licht gibt.

Und es gibt noch zahlreiche andere Möglichkeiten, elektrifizierte Antriebe zu verbessern – die Technik ist im Unterschied zum Verbrenner noch lange nicht ausgereizt. Auch wirtschaftlich noch nicht: ZF-Vorstand Miedreich schätzt, dass im Gesamtsystem noch Einsparungen in einer Größenordnung von „20 bis 30 Prozent“ drin sind. Und technologisch sind nach seiner Ansicht bis zum Ende des Jahrzehnts noch große Innovationssprünge zu erwarten. Etwa mit der Einführung der Feststoffbatterie. Davon profitieren würden nicht nur Batterieautos, sondern auch Fahrzeuge mit Hybridantrieb. Ein Verkauf der Sparte komme deshalb für den ZF-Vorstand nicht in Frage. Für Kooperationen sei man allerdings offen – um das neue Ökosystem gemeinsam weiter zu entwickeln.

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