Nur rund 90.000 öffentliche Ladepunkte sind in Deutschland laut Bundesnetzagentur aktuell verfügbar – bis 2030 fehlen somit noch mehr als 900.000. Die Bundesregierung sei bei den von ihr gesetzten Zielen nicht im Plan, kritisiert ADAC-Technikpräsident Karsten Schulze im Interview. Denn auch die bis dato anvisierte Zahl von 15 Millionen E-Autos sieht Schulze gefährdet.
Etwa 13 Millionen Stromer fehlen gemäß Kraftfahrtbundesamt noch bis zum Ziel Aber: „Vom Gelingen des Hochlaufs der Elektromobilität hängt auch wesentlich ab, ob die Klimaschutzziele im Verkehr in diesem Jahrzehnt erreicht werden können“, mahnt Schulze. Dringend gebraucht würden daher „kurzfristige Planbarkeit und eine Verlässlichkeit staatlichen Handelns“ und eben „nicht nur langfristige Zielsetzungen und Bekenntnisse“.
Appell für Förderung
Doch eben die Verlässlichkeit hat in der Vergangenheit immer wieder gelitten. So hat Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) die Kaufprämie Anfang des Jahres gekürzt beziehungsweise für Plug-in Hybride gestrichen. Dies kam für viele Beobachter überraschend. Und Ende kommenden Jahres wird der Umweltbonus nach derzeitiger Planung komplett gestrichen – auch für reine Elektroautos. Damit wachse die Gefahr, dass die Antriebswende weit vor dem Ziel liegenbleibe.

Der Kfz-Meister aus Berlin geboren, leitete fast 30 Jahre ein mittelständisches Omnibus- und Reiseunternehmen und ist mit kurzer Unterbrechung seit 1982 ADAC Mitglied. Seit 2019 ist Schulze Technikpräsident des ADAC e.V. Foto: ADAC
„Viele Menschen können sich auch ein kleines E-Auto bisher schlichtweg nicht leisten“, sagte der ADAC-Technikpräsident und warnte davor, die Förderung für E-Autos komplett zu streichen. Momentan bezuschusst der Staat batterieelektrische sowie Brennstoffzellenfahrzeuge bis zu einem Nettolistenpreis von 65.000 Euro und einer Maximalsumme von 6.750 Euro. 2024 soll sich die Förderung nach dem Willen der Ampel-Koalition nur noch die Anschaffung von E-Autos mit einem Nettolistenpreis von maximal 45.000 Euro beschränken. Und gezahlt werden sollen nur noch maximal 3000 Euro. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion dagegen will die Kaufprämie wieder aufstocken.
Kommunen gefordert
„Mehr Offenheit“ wünscht sich Schulze zudem beim Thema Ladeinfrastruktur – insbesondere von Kommunen. Zwar gebe es einige Städte und Gemeinden, die beim Aufbau schon recht weit seien. Andere Kommunen allerdings „tun sich noch schwer, Flächen für Schnellladehubs auszuweisen oder nicht nur die eigenen Stadtwerke als Ladepunktbetreiber zuzulassen“. Ein weiterer Dorn im Auge: „die endlos langen Planungs- und Genehmigungsverfahren“.
Kartenzahlung gewünscht
Als „ärgerlich“ aus Sicht der Verbraucherinnen und Verbraucher bezeichnet der ADAC-Technikpräsident auch, dass die umstrittene Pflicht, neue Ladesäulen mit einem Kartenzahlungsgerät auszustatten, um ein Jahr verschoben wurde. „E-Mobilität wird nur dann die erforderliche Akzeptanz finden, wenn wir es schaffen, das Laden bundesweit so einfach wie möglich machen“, ist er überzeugt. Ganz anders sehen es die Ladesäulenbetreiber, die vehement auf die entstehenden Kosten und den zusätzlichen Aufwand verweisen.
Bonner Schreckgespenst
Ein Schreckgespenst bei der Antriebswende steht darüber hinaus noch immer im Raum: die Reform des Paragraphen 14a des Energiewirtschaftsgesetzes. Dabei geht es um die netzorientierte Steuerung von Ladesäulen und Wallboxen. Die Bundesnetzagentur möchte im Fall von Netzengpässen infolge der Energiewende die Ladeleistungen drossen, aber auch Wärmepumpen in Privathaushalten herunterfahren können. Zwar sei die Bundesnetzagentur auf Vorschläge des ADAC und anderen eingegangen, beispielsweise finanzielle Anreize zu ermöglichen, sollte ein Ladevorgang zeitlich verschoben werden. Die Bonner Behörde hat hier variable Netzentgelte in Aussicht gestellt. Doch „noch sind die sogenannten Konsultationen nicht abgeschlossen“. Daher werde der Automobilclub das Ganze weiterhin eng begleiten, kündigte Schulze an.
Wachstumschancen bei Wallboxen, PV und Co.
Der ADAC vertritt mehr als 20 Millionen Autofahrer. Mittlerweile bietet er auch sektorübergreifende Produkte an, darunter Wallboxen, PV-Anlagen, den Handel mit THG-Quoten oder auch vergünstigten Ladestrom über Partner. „Hier sehen wir die Wachstumschancen parallel mit dem Hochlauf der E-Mobilität“, so der Technikpräsident.
Die Hersteller sind gefragt. Es wurde genug gepampert. Wenn‘s Deutschland nicht schafft – ist das schlimm? In allen anderen Ländern geht dann die Lieferzeit zurück.