Schon einmal von einer „blauen Banane“ gehört? Nein? Das ändert sich jetzt. Es handelt sich dabei nicht um eine neue Fruchtkreation eines Obstzüchters oder Wissenschaftlers, der es mit einem Cannabis-Selbstversuch übertrieben hat, sondern um ein Gefühl, das einsetzen soll, wenn man eine Alpine A390 fährt. Angeblich wandern dann die Mundwinkel nach oben, die Lippen formen eine Banane. Da die Alpine-Autos bevorzugt blau lackiert sind, passt das Bild. Denn beim französischen Elektro-Crossover grinst sogar die Front – die „blaue Banane“ gibt es also im Doppelpack.

Auch am Heck haben die Alpine-Designer versucht, dem Elektro-Crossover mit hochgezogenen Linien ein Lächeln ins Kleid zu zaubern.
Der Alpine A390 basiert auf der AmpR-Medium-Plattform, die auch der Renault Mégane und Scénic E-Tech sowie der Nissan Ariya und der neue Nissan Leaf nutzen. Allerdings sind die Renault-Modelle in der Regel mit einem Motor bestückt, während die Allradversion des Nissan Ariya auf je eine E-Maschine pro Achse setzt. Beim A390 arbeitet ein dreimotoriger Antrieb: vorne eine elektrisch erregte Synchronmaschine (EESM) mit 115 kW oder 156 PS Leistung und hinten zwei gleich starke permanenterregte Synchronmaschinen (PSM), die das aktive Torque-Vectoring übernehmen. Diese Konfiguration ist das Ergebnis ausführlicher Tests. „Wir haben bei einem Prototypen mit vier Motoren angefangen und verschiedene Abstimmungen und Software-Algorithmen ausprobiert. Dann hat sich die Lösung mit den drei Maschinen als die beste herauskristallisiert“, verdeutlicht Chefingenieur Robert Benetto.
Porsche Macan als Maßstab
Wie so oft haben die Techniker Ideen, die viel Geld kosten. Also mussten die Alpine-Fahrdynamik-Tüftler viel Überzeugungsarbeit leisten, um den Plan umzusetzen. „Wir mussten die Manager erst überreden, die Mittel für die Entwicklung freizugeben“, erzählt Benetto. Am Ende hob der ehemalige Renault-Chef Luca de Meo den Daumen, und die Ingenieure konnten loslegen. „Der Alpine A390 kann durchaus mit dem Porsche Macan Electric mithalten“, sagt Produktmanager Fabrice Izzillo. Das klingt ziemlich selbstbewusst, entbehrt auf den zweiten Blick aber nicht einer gewissen Logik. Zumindest auf dem Papier. Mit einer Spitzenleistung von 345 kW oder 470 PS übertrifft das französische Sportcoupé die Allrad-Einstiegsvariante des Zuffenhausener E-SUVs um 45 Kilowatt. Damit sprintet der Alpine A390 in 3,9 Sekunden von null auf 100 km/h und ist bis zu 220 km/h schnell.

Der rote Boost-Knopf am Lenkrad gibt für zehn Sekunden Extra-Leistung frei und sorgt für Formel-1-Feeling. Ebenso wie die Stoppuhr im Infotainmentsystem, mit der sich die Rundenzeiten ermitteln lassen. Das Display kennen wir schon aus dem Renault Megane.
Doch pure Kraft ist nicht alles. Gerade eine Marke wie Alpine definiert sich schließlich auf kurvigen Landstraßen – weniger auf der linken Spur der Autobahn. Deshalb haben die Fahrdynamiker beim A390 kräftig Hand ans Fahrwerk angelegt. Es besteht aus Schraubenfedern und Dämpfern mit hydraulischen Anschlagpuffern – wie bei beim konventionell angetriebenen Alpine A110. Das klingt schon mal gut.
824 Newtonmeter für rasante Starts
Und es wird es sogar noch besser. Die Stabilisatoren sind dicker und auch die Federn sind andere als bei den AmpR-Geschwistern. An der Vorderachse sind beim Alpine A390 geschmiedete Aluminium-Dreieckslenker verbaut. Sie sind leichter und steifer als Standardteile. Hinten fasst ein spezieller Aluminiumrahmen die beiden E-Maschinen zu einer kompakten Einheit zusammen. Das spart Platz und erhöht die Steifigkeit der Karosserie. Ebenso wie weitere Verstrebungen.

Dank radselektiver Momentenverteilung an der Hinterachse lässt sich die Kurvenfahrt durch feine Dosierung des Fahrstroms noch flotter gestalten. Dabei bleibt der Alpine A390 lange neutral. Fotos: Alpine
Die Detailarbeit der gallischen Techniker zahlt sich aus. Das 2.121 Kilogramm schwere Crossover-Coupé lässt sich mühelos durch Kurven feuern. Am Kurveneingang folgt der Vorderwagen präzisen Lenkbefehlen. Und das ohne Bremseingriffe an der Vorderachse: Der A390 bleibt lange neutral, bis ein gutmütiges Schieben über die Vorderräder den nahenden Grenzbereich ankündigt.
Dank radselektiver Momentenverteilung (Torque-Vectoring) an der Hinterachse lässt sich die Kurvenfahrt durch feine Dosierung des Fahrstroms noch flotter gestalten. Wechselt man in die Fahrmodi „Sport“ oder „Track“, gewähren die Systeme der Hinterachse mehr Freilauf und schieben mehr Kraft auf das kurvenäußere Rad. Aber auch in Eco/Save- oder Normal-Fahrprogramm ist man verdammt schnell unterwegs, wenn man will. Angenehm ist auch das maximale Drehmoment von 824 Newtonmetern, das für ein ziemlich souveränes Vorankommen sorgt.
Extra-Power per Boost-Knopf
Am Lenkrad gibt es noch zwei Extras, die Spaß machen. Mit dem roten Boost-Knopf, der für zehn Sekunden Extra-Power freischaltet, kommt Formel-1-Feeling auf. Mit dem gegenüberliegenden blauen Drehregler stellt man die Stärke der Rekuperation in drei Stufen plus Segeln ein. So ist auch One-Pedal-Fahren möglich. Das Fahrwerk ist straffer als bei den AmpR-Schwestermodellen, aber nicht zu hart. Auch hier haben die Ingenieure einen guten Job gemacht.

Mit dem blauen Drehregler stellt man die Stärke der Rekuperation in drei Stufen plus Segeln ein. So ist auch One-Pedal-Fahren möglich.
Kurz: Der Alpine A390 GTS erreicht zwar nicht ganz die spitze Agilität des Porsche Macan 4 Electric, kommt diesem jedoch sehr nahe. Er bietet zudem mehr Leistung und dürfte rund 6.000 Euro weniger kosten. Begnügt man sich mit dem Alpine A390 GT mit 295 kW oder 400 PS (Preis: 67.500 Euro), erhöht sich die Preisdifferenz sogar auf 17.100 Euro.
89 kWh für 500 Kilometer Reichweite
Wir kamen bei unserer Testfahrt auf einen Durchschnittsverbrauch von 24,8 kWh/100 km. Das sind 4,4 kWh/100 km mehr als im Datenblatt angegeben. Die Batterie hat eine Nettokapazität von 89 Kilowattstunden, was beim Alpine A390 GTS mit den 21-Zoll-Reifen für maximal 503 Kilometer reicht. Auch die maximale DC-Ladeleistung von 190 kW geht in Ordnung. Dank der serienmäßigen Wärmepumpe sind die Akkus in 25 Minuten von 15 auf 80 Prozent aufgefüllt. Nutzt man die Wallbox, dauert es bei 11 kW in etwa 5 Stunden und 20 Minuten, bis die Energiespeicher von 20 auf 80 Prozent gefüllt sind. Optional sind sogar 22 kW möglich. Dann verkürzt sich die Ladezeit auf 2 Stunden und 40 Minuten.

Im Innenraum empfangen den Fahrer zwei Displays. Das Instrumentendisplay misst 12,3 Zoll, der hochkant installierte Touchscreen 12 Zoll. Das Infotainment basiert auf Android Automotive. Aufgrund der Smartphone-Logik findet man sich auch ohne große Einarbeitung ziemlich schnell in den Menüs zurecht. Ein bisschen Optik-Ramba-Zamba – vor allem in den Fahrmodi Sport und Track – gehört bei den Franzosen dazu. Wer will, kann sich auch die G-Kräfte anzeigen lassen. Auf die Frage, warum der sperrige und bei Renault allgegenwärtige Radio-Regler noch nicht aus dem Cockpit verbannt wurde, gibt Robert Benetto eine ehrliche und vor allem nachvollziehbare Antwort: Man habe das Geld ins Fahrwerk und die Agilität investiert. Damit können wir sehr gut leben.
Großer Stauraum im Heck
Im 4,62 Meter langen Alpine A390, der übrigens im Januar beim Händler steht, ist ausreichend Platz vorhanden. Im Fond wird es ab einer Körpergröße von 1,85 Metern am Kopf allerdings etwas eng. Das ist dem niedrigen Aufbau von 1,53 Metern und der coupéhaften Silhouette geschuldet. Der Kofferraum fasst dank des kompakten Antriebspakets 532 Liter. Klappt man die Rückbanklehnen um, steigt das Volumen auf 1.643 Liter. Dann entsteht allerdings eine deutliche Stufe im Ladeboden. Zudem ist die Ladekante relativ hoch und der Boden des Gepäckabteils tief.
Damit können wir leben – spätestens, wenn es wieder auf die Landstraße geht. Dann formen die Lippen wieder die Banane. Okay, wenn es sein muss: die blaue Banane.