Torqeedo sergelt, nein stromert bald unter der Flagge von Yamaha Motor. Der bisherige Eigner, die Kölner Deutz AG, hatte fünf Jahre nach der Übernahme die Freude an dem bayerischen Hersteller von elektrischen Bootsmotoren verloren. Das Geschäft schwächelte, die erhofften Synergien bei der Entwicklung alternativer Antriebe für Traktoren, Baumaschinen und Flurförderfahrzeuge stellten sich nicht ein. Eine Rolle spielten möglicherweise auch die Qualitätsprobleme und juristische Auseinandersetzungen mit einem Torqueedo-Großkunden. Das alles führte dazu, dass der neue Deutz-Chef Sebastian Schulte den „Tesla der Bootsindustrie“ aus dem oberbayerischen Starnberg nun für einen zweistelligen Millionenbetrag in japanische Hände gibt.
Freizeitskipper treiben die Wende
Den Verkauf des Weltmarktführers für kleine E-Bootsmotoren könnte Schulte eines Tages noch einmal bereuen. Denn die Antriebswende auf dem Wasser nimmt gerade mächtig Fahrt auf. Und das nicht nur im Sportbootbereich, sondern auch in höheren Klassen: Es gibt kaum einen Hersteller von Schiffs- und Bootsantrieben, der nicht an der Elektrifizierung und Dekarbonisierung seiner Maschinen arbeitet, zeigte ein Rundgang über die „Boot“ in Düsseldorf. Gerade für kleine, sparsame Elektroantriebe zeichnen sich hier vielfältige neue Einsatzzwecke ab. Aber auch an elektrifizierten Antrieb für große Schiffe wird intensiv gearbeitet, wie ein Besuch bei Volvo Penta und ein Gespräch mit Björn Rönnvall, dem verantwortlichen Leiter des Produktleiter des sogenannten Inboard Performance System (IPS) der Schweden zeigte. Dazu später mehr.
Aber der nach Stückzahlen weitaus größte Markt für Elektromotoren liegt natürlich im Freizeit- und Funsportbereich, bei Sportbooten und Segelbooten, neuerdings auch bei „eFoils“ – Surfbrettern mit elektrischen Hilfsantrieben. Derzeit liegt der Anteil der Freizeitboote mit Elektroantrieb hierzulande bei nur zwei bis zweieinhalb Prozent, schätzt der Bundesverband Wassersportwirtschaft (BVWW). Das klingt nach einer kleinen Nische – die aber kräftig wächst: In den zurückliegenden drei Jahren hat sich der Anteil verdoppelt. „Die Kurve geht mittlerweile steil nach oben“, sagt BVWW-Geschäftsführer Karsten Stahlhut.
Torqeedo-Chef freut sich auf Yamaha
Das bestätigt im Gespräch mit EDISON auch Torqeedo-CEO Fabian Bez. Der ehemalige Webasto-Manager hatte die Leitung des Bootsmotorenherstellers im Oktober 2022 übernommen und sieht in der klimafreundlichen Umgestaltung der maritimen Fortbewegung große Potenziale: „Früher war der Verkauf von elektrischen Bootsantrieben eher eine Missionstätigkeit – heute fragt der Markt aktiv nach unseren Lösungen und Technologie“.
Dass sein Unternehmen nun in die Hände von Yamaha (Firmenmotto „Belebt ihr Herz“) kommt, begrüßt er vor dem Hintergrund ausdrücklich. „Ich freue mich total. Wir kriegen damit einen Partner, der im Marinemarkt für Zuverlässigkeit und einen erstklassigen Service steht und über tolle Vertriebsstrukturen verfügt.“ Deutz hingegen habe auf dem Markt keine Rolle gespielt – entsprechend schwer sei es gewesen, Synergien zu erzielen.
Immer höhere Leistungen und Kapazitäten
Den elektrischen Außenborder der „Travel“-Familie baut Torqeedo inzwischen in vierter Generation, vom Vorgängermodell wurden über 100.000 Einheiten gebaut. Das vor 20 Jahren gegründete Unternehmen aus dem sogenannten Vierseenland im Landkreis Starnberg wurde damit Weltmarktführer – und zündet nun die nächste Stufe. Mit neuen On- und Offboard-Lösungen, auch stärkeren Motoren und leistungsfähigeren Stromspeichern, aber auch einer Aufspaltung des Geschäfts in Lösungen für Freizeitkapitäne und Angebote für Boots- und Schiffbauer. Bez: „Wir gehen weg vom reinen Motor und dem Antrieb hin zur System-Management-Unit und zur Power-Distribution – der Leistungssteuerung.“ Ein zweiter Schwerpunkt soll auf die Stromspeicher gelegt werden: Gefragt seien inzwischen Batterien, die bis zu einem Gigawatt Strom speichern könnten.
Sowohl bei den Antrieben als auch bei den Akkus hat sich in den vergangenen Jahren eine Menge getan, bei solchen für den Straßenverkehr ebenso wie bei denen für maritime Anwendungen. Die Niedervolt-Motoren der ersten Generation, die als Hilfsmotoren von Segelbooten und Kajaks zum Einsatz kamen, hatten gerade mal eine Leistung von 1 kW oder 1,36 PS. Und als Stromspeicher dienten Akkumodule aus dem BMW i3 mit rund 20 kWh Kapazität. Inzwischen reicht das Leistungsspektrum bei Torrqeedo rauf bis 50 kW für Freizeitboot und bis 400 kW – „vielleicht sogar bis 800 kW“ – für Großyachten. Und auch die Batterietechnik hat einen großen Sprung gemacht: Die neue, 80 kWh große „Deep-Blue“-Batterie für Großboote nutzt bereits die Lithium-Eisenphosphat (LFP)-Technologie. Zugeliefert wird der Akku vom US-Unternehmen „Our Next Energy“ (One). Sie ist zwar schwerer und größer, hat aber eine höhere Leistungsdichte und ist wesentlich sicherer als ein Lithium-Ionen-Speicher auf Nickel-Mangan-Kobalt (NMC)-Technologie.
Umweltpolitik macht Druck
Und Bez ist sicher: „Es wird weitere große Sprünge geben.“ Speziell bei der Speichertechnologie. „Viele kleine gibt es bereits, aber die meisten werden noch nicht realisiert, weil sie mit Veränderungen in der Fertigungstechnologie einhergehen, was die Kosten treibt.“ Und die sind schon hoch genug: Aktuell kostet eine Kilowattstunde Speicherkapazität aufgrund der hohen Nachfrage auf dem Weltmarkt im Schnitt 250 Euro.
Das macht einen elektrischen Bootsantrieb um ein Vielfaches teurer als einen konventionellen, mit Benzin betriebenen. Aber für viele Freizeitsportler, insbesondere Segler, sei die Erfahrung der Natur mit allen Sinnen wichtiger als der Geldbeutel. Bez: „Die möchten nicht, dass es lärmt und stinkt. Weder bei Langsamfahrten durch den Hafen noch im Stand, bei der Stromversorgung über einen Generator“.
Hinzu kommt der politische Druck, wie Volvo Penta-Manager Rönnvall nur zu gut weiß. Ab 2026 dürften die westnorwegischen Fjorde, die zum UNESCO-Welterbe gehören, nur noch von Elektroschiffen befahren werden, Amsterdam will schon bis 2025 alle benzin- und dieselbetriebenen Boote aus den Grachten im Stadtzentrum verbannen. Ähnliche Pläne gibt es für die Wasserflächen in Berlin. In Hamburg hat die Politik bereits im vergangenen Jahr ein Verbrenner-Verbot für die Alster verhängt. Betroffen sind davon nicht nur Freizeitskipper, sondern auch die Betreiber von Fähren, Schleppern und Ausflugsbooten.
Brennstoffzelle für größere Reichweiten
Mit dem flexibel konfigurierbaren und auch später leicht zu modifizierenden IPS-System will Volvo Penta ihnen zumindest eine Brücke in die Zukunft bauen. Die Motoren lassen sich hier problemlos auch mit alternativen Kraftstoffen wie Methanol, Wasserstoff oder HVO-Kraftstoffe auf Altfett-Basis befeuern. Alternativ lässt sich der Antrieb auch hybrid betreiben: Elektrisch und damit emissions- und geräuschfrei in den sensiblen Zonen und auf Fahrstrecken von bis zu 40 Kilometer, konventionell in den Außenbereichen und entlang der Küste. Und das bei Antriebsleistungen von bis zu 1000 PS. Eingesetzt wird der hybridelektrische Antrieb heute bereits in Ausflugsbooten, die von der Hurtigruten-Reederei auf den Expeditionstouren nach Spitzbergen mitgenommen werden. Oder von
Volvo Penta bietet – wie Torqeedo auch – zudem an, den Akku durch eine Brennstoffzelle zu ersetzen, um die elektrische Reichweite zu vergrößern. Interessant sei das für die Boote, die Wartungspersonal in die Windparks der Nordsee bringen. Oder auch für Militärboote: Der leise Antrieb biete hier taktische Vorteile. Die Mehrkosten für die aufwändige, berichtet er schmunzelnd, spielten dann meist keine große Rolle mehr.