Wie der Zusatz RS steht auch das S bei Audi für besonders sportliche Ausführungen der jeweiligen Modelle. Das unterstreichen der Autohersteller aus Ingolstadt nun auch bei seinen Elektroautos: dem e-Tron S und dem e-Tron S Sportback, die wie Tesla über eine Art Insane-Modus verfügen. Drei E-Maschinen kommen hier zumindest zeitweise auf eine maximale Gesamtleistung von 370 Kilowatt (kW) oder 476 PS und ein Drehmoment von 973 Newtonmetern (Nm). Allerdings kann diese Kraftreserve nur acht Sekunden lang aufgerufen werden – dann hisst die Kühlung die weiße Fahne und regelt ähnlich wie bei Tesla den Antriebsstrang wieder herunter. Doch auch die Dauerleistung von 320 kW (435 PS) sowie das maximale Drehmoment von 808 Nm sollten im Alltagsbetrieb immer wieder für Wow-Effekte sorgen. Zum Vergleich: In der Basisausführung kommt der Audi e-tron nur auf 300 kW und 664 Newtonmeter Drehmoment.

Audi bleibt Asynchronmaschinen treu

Audi hält auch den S-Modellen an seinem Konzept mit zwei unterschiedlichen Asynchronmotoren fest. „Ein entsprechender Baukasten war von Beginn an für die e-Tron Baureihe ausgelegt“, sagt Projektleiter Marc Bauer. Er sieht auch im niedrigeren Gewicht und der besseren Leistungsaufnahme Vorteile gegenüber den Synchronmotoren, die inzwischen von den meisten Elektroauto-Herstellern eingesetzt werden.

Ganz schön dynamisch
Autor Wolfgang Schäffer bei ersten Testfahrten mit den S-Versionen des e-tron auf der Teststrecke von Audi in Neuburg an der Donau. Foto: Audi

Im Unterschied zum bekannten e-Tron haben die Entwickler bei den S- Versionen den stärksten Motor mit einer Leistung von jetzt 124 kW (169 PS, im Boostbereich 150 kW/204 PS) nach vorne geholt – von der Hinter- an die Vorderachse. Dafür arbeiten an der Hinterachse nun zwei Maschinen des schwächeren Typs. Jede treibt jeweils ein Rad mit 309 Nm an. Mit vereinten Kräften bringen die beiden E-Motoren an der Hinterachse 196 kW (266 PS, im Boost 264 kW/359 PS) auf die Straße.

Die Elektroauto-Vermietung nextmove hat den Audi e-tron zusammen mit vier anderen Elektroautos auf die Autobahn geschickt, um Verbrauch und Reichweite bei höheren Geschwindigkeiten zu ermitteln. Das Ergebnis überrascht. Elektroauto

Die Arbeit der Motoren ist sorgsam konzertiert: Jeder Elektromotor wird von einer eigenen Leistungselektronik mit Drehstrom versorgt, Planetenradgetriebe mit fester Übersetzung leiten ihre Kräfte auf die Räder. Der vordere E-Motor sitzt aus Packaging-Gründen parallel zur Achse. Die beiden Elektromotoren an der Hinterachse sind Rücken an Rücken in einem Gehäuse montiert. Die Kraftübertragung auf die Räder erfolgt ohne mechanisches Differenzial und macht somit das elektrische Torque Vectoring, also die Drehmomentverteilung, möglich. 

Höhere Kurvengeschwindigkeiten

In der alltäglichen Praxis arbeiten aus Effizienzgründen zunächst lediglich die beiden hinteren E-Maschinen. Wird mehr Leistung abgerufen beziehungsweise wenn der Grip bei niedrigen Reibwerten oder schneller Kurvenfahrt nachlässt, schaltet sich der vordere Motor zu, blitzschnell und für den  Fahrer unmerklich. Projektleiter Bauer erklärt: „Wenn der Fahrer sportlich aus der Kurve beschleunigt, teilt der Elektromotor dem kurvenäußeren Hinterrad bis zu 220 Nm mehr Drehmoment zu als dem kurveninneren. Aufgrund der Übersetzung ergibt sich zwischen den Hinterrädern eine Differenz des Antriebsmoments von etwa 2.100 Nm. Dabei beträgt der Zeitversatz nur etwa ein Viertel eines mechanischen Systems.  Zweiter Vorteil: die Momente beim elektrischen Torque Vectoring sind deutlich höher. Das erzeugte Giermoment unterstützt dabei nicht nur das Einlenkverhalten, auch zum Halten des Kurvenradius ist weniger Lenkwinkel nötig. Das Ergebnis: ein agileres Fahr- und Eigenlenkverhalten und somit eine höhere Kurvengeschwindigkeit.“ Ein weiterer Vorteil sei die Traktion: Wenn beim Beschleunigen ein Hinterrad auf Fahrbahnbelag mit niedrigem Reibwert stehe, etwa bei Glatteis oder losem Untergrund, werde das Moment zwischen den beiden Motoren präzise und schnell verteilt. Das traktionsstarke Rad erhalte annähernd das volle Moment zugeteilt, während das traktionsschwache Rad nahezu momentenfrei mitlaufe.

Hohe Querdynamik im Sport-Modus
Wenn der Fahrer sportlich aus der Kurve beschleunigt, teilt der Elektromotor dem kurvenäußeren Hinterrad bis zu 220 Nm mehr Drehmoment zu als dem kurveninneren. Foto: Audi

Eindrucksvoll waren das Plus an Agilität und Dynamik, aufgrund eines stabileren Geradeauslaufs auch an Sicherheit bei ersten Testfahrten mit dem e-Tron S Sportback auf einer abgesperrten Rennstrecke zu spüren. Sportwagenähnlich beschleunigt der antriebsseitig eher heckbetont ausgelegte Wagen aus den Kurven heraus. Wenn die Stabilisierungskontrolle ESC auf „Sport“ und das Fahrdynamiksystem Audi drive select auf maximale Performance eingestellt sind, erlaubt das Antriebslayout eine hohe Querdynamik. Sogar kontrollierte Drifts sind möglich. Erst recht, wenn das ESC komplett ausgeschaltet ist. Selbst dann lässt sich der 4,90 Meter lange Wagen noch relativ problemlos und wieder in die Spur bringen, wenn das Heck ausgebrochen ist.

Speicherkapazität der Batterie bleibt gleich

 Das Hochvolt-Batteriesystem der Audi e-tron S-Modelle liegt als langer (2,28 Meter), breiter (1,63 Meter) und flacher (0,34 Meter) Block unter der Passagierzelle. Jedes seiner 36 Module birgt zwölf Zellen. Die Module sind in zwei Ebenen aufgeteilt – eine lange untere und eine kurze obere, die den Raum unter der Rücksitzbank nutzt. Das Kühlsystem ist räumlich getrennt unter dem Zellraum montiert, es besteht aus flachen Aluminium-Strangpressprofilen, die in kleine Kammern unterteilt sind. Die Batterie arbeitet mit 397 Volt Nennspannung und kann kurzfristig bis zu 430 kW elektrische Spitzenleistung bereitstellen. Sie speichert brutto 95 Kilowattstunden (kWh) Energie, von denen 91 Prozent – also 86,5 kWh – im Fahrbetrieb genutzt werden können. An dem Punkt hat Audi gegenüber der e-tron-Basis also nicht nachgebessert.

Geladen wird die Batterie auch weiterhin serienmäßig mit bis zu 11 kW mit Wechselstrom.  Das optionale Ladesystem Kompakt lässt sich an einer 400 Volt-Drehstromsteckdose ebenso wie an einer 230 Volt-Steckdose nutzen. Unterwegs können die elektrischen S-Modelle Gleichstrom mit bis zu 150 kW Leistung laden. Damit dauert es etwa eine halbe Stunde bis die Batterie von fünf auf 80 Prozent wieder gefüllt ist.

Verkaufsstart und Preis sind noch offen

Optisch sind die S-Modelle, die im Laufe des Jahres in den Handel kommen, an den um 23 Millimeter breiteren Radhäusern mit 20-Zoll-Rädern, modifizierten Stoßfängern sowie vergrößerten Air Curtains für erhöhten Luftstrom zu erkennen. Innen sind elektrisch einstellbare Sportsitze mit Leder/Alcantara-Bezügen serienmäßig.

Zum exakten Zeitpunkt der Markteinführung hat sich Audi noch nicht geäußert: Erst einmal muss im Werk Brüssel die Produktion wieder anlaufen, die in den vergangenen Tagen wegen „Engpässen bei der Teilezulieferung“ gestoppt werden musste. Auch zu den Preisen der S-Versionen mochte Audi noch keine Angaben machen. Zur Orientierung: In der Standardversion sind für einen e-tron 50 quattro (230 kW Motorleistung, 71 kWh Batteriekapazität) wenigstens 69.100 Euro zu veranschlagen, für einen e-tron 55 Sportback S-Line (300 kW-Motor mit 95 kWh-Akku) 86.100 Euro. Mit ein paar netten Extras steigt der Preis schnell auf einen sechsstelligen Betrag. Es steht zu vermuten, dass die S-Varianten hier aufsetzen werden.

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