Eigentlich wollte die Lufthansa seit Anfang des Jahres auf Flügen von San Francisco aus nach Frankfurt, München und Zürich klimafreundliches Kerosin nutzen. Eigentlich, denn dann kam die Corona-Pandemie und zwang die Flugzeuge weltweit auf den Boden. Trotzdem läuft die Diskussion weiter, wie die Airline ihren CO2-Ausstoß reduzieren kann – erst recht, wenn der Steuerzahler mit Milliardenbeträgen ihr Überleben sichert. Bisher stoßen Flugzeuge etwa auf Inlandsverbindungen laut Umweltbundesamt siebenmal so viel Treibhausgase pro Passagier und Kilometer aus wie Fernzüge, 230 zu 32 Gramm.

Für das Pilotprojekt in Kalifornien liefern die Firmen Shell Aviation und World Energy während dessen Laufzeit fast vier Millionen Liter des nachhaltigen Treibstoff an die Lufthansa, was einer der größten Aufträge weltweit ist. Produziert wird der Flugsprit aus landwirtschaftlichen Abfallfetten und -ölen und dann dem konventionellen Kerosin beigemischt – mit einem Anteil von bis zu 30 Prozent.

Noch fehlt es allerdings an ausreichenden Mengen von wettbewerbsfähigem Biokerosin, damit es die Fluglinien flächendeckend einsetzen können. Im großen Stil Mais oder Raps für dessen Produktion zu verwenden, wäre problematisch, weil diese Nutzpflanzen eigentlich Menschen ernähren und nicht in Triebwerken verbrannt werden sollten. Zudem ist die Energiedichte des Biosprits oftmals nicht hoch genug, um fossile Treibstoffe komplett ersetzen zu können.

Daher klingen Ergebnisse chinesischer Forscher vielversprechend. Wissenschaftler um Ning Li, Professor für Industrie-Katalyse am Dalian Institut für physikalische Chemie der Chinesischen Akademie der Wissenschaften, haben einen Weg gefunden, um aus Pflanzenabfällen wie Stroh, Maisstängeln und Sägemehl einen Hochleistungstreibstoff zu gewinnen, der sogar eine höhere Energiedichte als normales Kerosin aufweist. Ihnen gelang es, mit Hilfe von Katalysatoren aus Cellulose und Hemicellulose – den häufigsten Biomolekülen weltweit – Polycycloalkane zu synthetisieren. Das sind ringförmige Kohlenwasserstoffe, die sich als Flugzeugtreibstoff eignen. Zumindest als Beimischung soll das neue Biokerosin demnächst getestet werden. „Flugzeuge, die den Treibstoff benutzen, können weiter fliegen und mehr transportieren als solche mit traditionellen Kerosin“, ist Li überzeugt.

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Bedrohung für den Tourismus

Im Atlantik schwimmt ein mehr als 8000 Kilometer langer Teppich aus Sargassum-Algen. Die Strände etwa in der Karibik oder in Texas (Bild) von dem Tank zu befreien, kostet Millionen. Die Pflanzen können aber auch als Rohstoff für Biotreibstoffe dienen. Foto: Lapointe HAB lab

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Schwimmende Erntemaschine

Mit diesem umgebauten Schiff sammelt das mexikanische Unternehmen Grupo Dakatso Hunderte Kilogramm Algen in wenigen Minuten ein. Foto: Grupo Dakatso

Riesiges schwimmendes Rohstofflager

Ein wichtiger Cellulose-Lieferant – und damit potenzieller Rohstoff für das chinesische Verfahren – könnten Braunalgen der Gattung Sargassum (deutsch: Golftange) sein. Sie bilden im Atlantik von der Karibik aus entlang der brasilianischen Küste bis nach Westafrika einen riesigen, 8500 Kilometer lang Teppich, die wohl größte Algenblüte der Welt, wie Forscher um Brian E. Lapointe, Professor an der Florida Atlantic University, im renommierten Wissenschaftsmagazin Science anhand von Satellitenaufnahmen zeigen konnten. Geschätztes Gewicht: 20 Millionen Tonnen.

Grund für das explosionsartige Wachstum sind wohl Düngemittel, die über Amazonas und Kongo ins Meer gelangen. Die Algen werden an die Strände getrieben und vermodern dort stinkend. Der Inselstaat Barbados hat deshalb bereits 2018 den Notstand ausgerufen. Die Pflanzen bedrohen den Tourismus, für viele Länder und Inseln eine wichtige Einnahmequelle. Die Massen von den Küsten zu beseitigen, ist allerdings aufwändig und damit teuer. Sperren im Meer lösen das Problem nur teilweise.

Warum also keinen Biosprit aus ihnen machen? Entweder über katalytische Verfahren, wie es Li versucht, oder durch konventionelle Gärung mit Mikroorganismen, bei der Biogas entsteht. Das lässt sich direkt nutzen oder in Treibstoffe für Auto und Flugzeug umwandeln. „Algenbiogas könnte potenziell die Treibhausgasemissionen um mehr als die Hälfte und den Abbau fossiler Rohstoffe um fast 70 Prozent im Vergleich zu Erdgas reduzieren“, heißt es in einer Studie zur Nutzung von Algen in der mexikanischen Karibik. In dem Land laufen bereits Projekte, Sargassum effizienter als bisher zu fermentieren, etwa mithilfe eines lokalen Pilzes, der die Zersetzung der Pflanzen beschleunigt.

Genauso wichtig: Die schwimmenden Rohstofflager effizient abzubauen, sprich den Algenteppich aus dem Meer oder von den Stränden zu holen. Dazu entwickelt die Grupo Dakatso, ein mexikanisches Dienstleistungsunternehmen mit Schwerpunkt in der Baubranche, verschiedene Verfahren. So haben die Techniker ein Schiff mit einem Förderband ausgerüstet, um den Seetang zwischen seinen beiden Rümpfen in große Sammelnetze zu stopfen – in wenigen Minuten bis zu 300 Kilogramm.

Vielversprechend ist auch ein Verfahren, dass britische Forscher der Universitäten von Exeter and Bath vor wenigen Tagen vorgestellt haben. Ihre Methode macht es überflüssig, die Algen vom Meereswasser und sogar Plastikabfällen reinigen zu müssen, was andernfalls aufwändig und teuer ist – aber für Gärprozesse meist erforderlich ist. Sie behandeln das Gemisch aus Tang und Salzwasser im ersten Schritt mit Säure und Katalysatoren. Dabei entsteht ein Zucker, den Hefen zu Fetten verarbeiten können, die Palmöl ähneln. Die verbleibende Masse verwandelt sich unter starkem Druck und hohen Temperaturen in eine Art Bio-Rohöl, aus dem sich Treibstoffe und organischer Dünger gewinnen lassen. Der Kunststoffmüll wird dabei gleich mit zersetzt.

Längst interessieren sich auch Erdöl-Konzerne wie Exxon Mobile für Algen, um aus ihnen Biokraftstoffe zu gewinnen. Der Konzern hat bereits 2009 angekündigt, 600 Millionen Dollar in die Technik investieren zu wollen. Und hofft, ab 2025 knapp 1,6 Millionen Liter Biosprit am Tag produzieren zu können.


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1 Kommentar

  1. haarthhoehe

    1,6 Mio ltr. Sprit klingt vielleicht nach eine Menge. Aber das reicht gerade einmal für ein paar Volltankungen eines Jumbos. In dem Zusammenhang muss ich auch einmal darauf hinweisen, dass Begriffe, wie Öko, Bio oder Nachhaltigkeit momentan sehr gerne von der Politik für alle möglichen Sachen missbraucht werden, wie dem umweltfreundlichen Diesel. Fakt ist, dass auch Biokraftstoffe in der Verbrennung CO2 und sonstige Atemgifte produzieren und so solange nicht als umweltneutral angesehen werden können, bis der CO2-Gehalt in der Atmosphäre sich dauerhaft absenkt. Es wird also so nicht funktionieren, jedenfalls nicht in Gänze.

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