Keine Fernsteuerung erlaubt

Die Bundesregierung will laut Gesetzesbegründung mit dem Entwurf festlegen, dass der Betriebsführer anders als beim hochautomatisierten Fahren der Stufe 3 nicht mehr die Fahraufgabe vom Auto übernehmen kann. Eine Übersteuerung des Fahrzeugs soll nur noch „in Form der Deaktivierung erfolgen“. Die Deaktivierung umfasse dabei die beiden Möglichkeiten, das Fahrzeug in den risikominimalen Zustand zu versetzen oder die autonome Fahrfunktion gänzlich abzuschalten.

„Mit dieser entsprechenden Beschränkung der Übersteuerung soll verhindert werden, dass Kraftfahrzeuge mit autonomer Fahrfunktion gänzlich teleoperiert betrieben werden können“, heißt es zur Begründung. Allerdings schreibt der Gesetzentwurf nicht ausdrücklich vor, dass sich der Betriebsführer innerhalb des Fahrzeugs befinden muss. Eine Sicherung der Unfallstelle aus der Distanz dürfte aber schwer zu bewerkstelligen sein, auch wenn Mercedes-Benz bereits ein Warndreieck entwickelt hat, das selbstständig aus dem Fahrzeug herausfahren kann.

Braucht man noch 5G?

Die vorgeschlagene Regelung würde daher Möglichkeiten zur Fernsteuerung, wie sie vom Fraunhofer-Institut für Offene Kommunikationssysteme (Focus) entwickelt wurden, nicht zulassen. Ebenfalls würde den Telekommunikationsprovidern ein wichtiges Argument für 5G genommen. So sagte der 5G-Chef der Deutschen Telekom, Alexander Lautz, Anfang Mai 2019 auf einem Kongress in Dresden: „Egal wie gut die Software ist, wir brauchen immer einen Teleoperator, der das Auto übernehmen kann, etwa im Kreisverkehr, sonst fährt der Wagen da nicht rein.“

Allerdings verlangt auch die Entscheidung über „alternative Fahrmanöver“ aus der Ferne eine hohe Datenrate, um beispielsweise die Kamera-aufnahmen in Echtzeit verfolgen zu können.

Nationaler Alleingang möglich

Darüber hinaus wird durch diese Regelung nach Ansicht der Regierung „den Vorgaben des Wiener Übereinkommens entsprochen“. Diese internationale Vereinbarung zum Straßenverkehr erlaubt seit dem März 2016 die Zulassung hoch- und vollautomatisierter Fahrzeuge. Nach Auffassung der Regierung sieht das Übereinkommen vor, dass eine Über-steuerung des autonomen Fahrzeugs zumindest in Form einer Deaktivierung möglich sein muss.

Nicht ohne „Betriebsführer“
Beim Ridepooling-Dienst Moia in Hamburg sitzt heute noch ein Mensch am Steuer des E-Busses. In Zukunft sollten die Fahrzeuge auch vollautonom durch die Stadt rollen. Foto: Moia

Anders als bei den auf UN-Ebene bislang beschlossenen Zulassungskriterien für die Stufe 3 will die Regierung jedoch keine internationale UNECE-Regelung abwarten. Da die Vorgaben noch erarbeitet würden, was Jahre dauern kann, könnten diese noch nicht umfassend von den zuständigen Behörden abgeprüft werden“. Zum Teil will die Regierung diese Lücken auf nationaler Ebene mittels Rechtsverordnung schließen. „Um die Triebkraft des automatisierten, autonomen und vernetzten Fahrens nicht zu verlangsamen, soll, soweit gewisse technische Anforderungen noch nicht überprüfbar sind, diesbezüglich für eine Übergangszeit die Herstellererklärung genügen“, heißt es weiter.

Sind autonome Geisterautos zulässig?

Was die Pläne in der Praxis bedeuten werden, ist nicht ganz abzusehen. Unklar ist beispielsweise, ob sich der Betriebsführer permanent im Fahrzeug befinden muss. Falls ja, wäre der Betrieb einer autonomen Taxiflotte, bei der die Fahrzeuge selbstständig ihre Passagiere abholen, nicht zulässig. Falls nicht, geht aus dem Entwurf nicht hervor, wie viele Fahrzeuge ein Betriebsführer gleichzeitig aus der Ferne überwachen darf.

Ebenfalls ist unklar, inwieweit der Betriebsführer das Verkehrsgeschehen überwachen muss, um das System „jederzeit“ deaktivieren oder abschalten zu können. Das kritisiert auch der Bundesverband Digitalwirtschaft (BVDW) in seiner Stellungnahme zu dem Entwurf (PDF). Diese Herangehensweise berge die Gefahr, die Problematik der aktuell gültigen Regelung fort-zuschreiben. „Denn es bleibt erneut unklar, inwieweit der Betriebsführer anderweitige Aktivitäten als die Verkehrsbeobachtung vornehmen darf“, schreibt der Verband.

Wer haftet bei einem Unfall?

Relevant könnte dies bei einem Unfall werden. Denn laut einem ergänzten Paragrafen 18 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) wird der Betriebsführer haftungsrechtlich einem Fahrzeugführer gleichgestellt, wenn er das autonome System deaktiviert hat oder ein alternatives Fahrmanöver freigegeben hat und es dadurch zum Schaden kommt. „Die vollständige Gleichsetzung der Pflichten des Betriebsführers mit denen des Fahrzeugführers hätte zur Folge, dass der Betriebsführer das sich im fahrzeugführerlosen Betrieb befindliche Kraftfahrzeug mit autonomer Fahrfunktion permanent überwachen müsste, um sich nicht dem Vorwurf sorgfaltspflichtwidrigen Verhaltens aussetzen lassen zu müssen. Eine derartige Überwachung ist jedoch gerade nicht Intention des Gesetzes zum autonomen Fahren in festgelegten Betriebsbereichen“, heißt es zur Begründung.

Statt dessen sollen sich die Pflichten des Betriebsführers auf eine „Evidenzkontrolle“ beschränken. Zudem solle künftig „der Produkt- und Produzentenhaftung des Herstellers eine besondere Bedeutung zukommen“. Das heißt, wenn das Fahrzeug im autonomen Zustand einen Unfall verursacht, soll der Fahrzeughersteller dafür haften.

Mehr Klarheit gefordert

Unklar bleibt dennoch, wie ein Betriebsführer „jederzeit“ in der Lage sein kann, über ein Fahrmanöver zu entscheiden, ohne das Auto permanent zu überwachen. Der BVDW fordert daher: „Das Gesetz müsste hier Klarheit schaffen, ohne die Vorteile des autonomen Fahrens zu konterkarieren. Zumal fraglich ist, ob die menschliche Reaktionszeit im affektuellen Fahrmanöver wirklich weniger riskant ist als eine rein computergestützte Entscheidung.“

Schwierigkeiten erwartet der BVDW zudem beim Zusammenspiel zwischen Betriebserlaubnis und Einsatzmöglichkeiten. Denn zum Zeitpunkt der Einholung der Betriebserlaubnis dürfte in der Regel noch nicht feststehen, welche Betriebsbereiche zugelassen sind. „Es sollte im Gesetz und in der Verordnung unterschieden werden zwischen einem abstrakt-generellen Verständnisses des Betriebsbereiches einerseits und einem konkret-individuellen Verständnis eines auf einen konkreten Streckenverlauf bezogenes Verständnis eines Einsatzgebietes andererseits“, fordert der Verband.

Wann auf den Arbeitsentwurf ein Referentenentwurf folgt, der zwischen den Ressorts abgestimmt werden soll, ist noch unklar. Eine Anfrage an das Verkehrsministerium blieb bislang unbeantwortet.

Artikel teilen

2 Kommentare

  1. AF

    Die USA haben meiner Kenntnis nach ein anderes Konzept: Man kann seine Produkte auf den Markt werfen, aber wenn sie nicht sicher sind, sieht man sich einigen Klagen ausgesetzt. In Europa inklusive Deutschland muss man die Sicherheit erst nachweisen, dann kann man die Technik zulassen. Das ist m.E. etwas völlig anderes als die verschlafene E-Mobilität, wo die Politik der Autoindustrie ein Schlaflied summte.

    Die Kommerzialisierung der Technik geht auch in den USA schleppend voran. Aber inChina macht man voran, das liegt allerdings auch am mangelnden Datenschutz.

    Antworten
  2. Hans Wurscht

    In den USA fahren die ersten Robotaxis (ohne Fahrer) bereits Kunden. Hier wird erst einmal überlegt wie man das bürokratisch am besten verhindern kann. Genau das gleiche Spiel wie bei der EMobilität.

    Antworten

Kommentar absenden

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert