Besucher aus Europa lernen auf der Auto Shanghai oder Beijing Auto-Show viel über die Vorlieben der Chinesen beim Autokauf. Groß und geräumig muss hier der Wagen sein, jede Menge Komfort bieten und ein hohes Maß an Sozialprestige. Die Zeit, da die „blauen Ameisen“ mit dem Fahrrad zur Arbeit rollten, ist zumindest in den Großstädten China vorbei. Heute zeigt man dort gerne, dass man zu Wohlstand gekommen ist – und trägt dabei meist etwas dicker auf: Jede Menge Chrom, viel Blink-Blink und möglichst große Räder sorgen für einen großen Auftritt.

Bei einer Sitzung des Volvo-Vorstandes in Shanghai stritten sich vor ein paar Jahren die angereisten Europäer mit ihrem chinesischen Eigentümer allen Ernstes vor dem Autor fast eine Stunde lang über die Frage, welche Radgrößen adäquat seien für chinesische Straßenverhältnisse. Die Europäer rieten zu soliden 17 Zöllern, Herr Li Shufu wünschte sich vollverchromte Räder in 20 Zoll. Natürlich setzte er sich damit durch.

Einlagen aus Kristallglas und Perlenstickereien

Wer auf dem chinesischen Automarkt – dem mit rund 25 Millionen Neuwagen-Verkäufen größten in der Welt – erfolgreich sein will, muss sich dem Geschmack der dortigen Kundschaft anpassen. Die Monster-„Nieren“ der aktuellen BMW-Modelle zeugen ebenso davon wie das verspielte Interieur-Design der neuen S-Klasse von Mercedes.

Insofern dürfte sich der neue DS 9 im so genannten „Reich der Mitte“ recht gut verkaufen. Leichtmetall-Räder in der Dimension 18 Zoll sind hier Serie, Chromzierrat gibt es überreichlich und allerlei Lichterspiele obendrein. Dazu jede Menge Platz auch für Großgewachsene auf der Rücksitzbank, mancherlei Chi-chi wie etwa Haltegriffe aus Leder, Dekoreinlagen aus Kristallglas und Perlenstickereien in der Türverkleidung der Topausführung, die bezeichnenderweise Opera heißt.

Keine falsche Bescheidenheit
Der DS 9 weiß auch vor einem Luxushotel Eindruck zu schinden, mit einem langen Radstand, großen Rädern, aber auch allerlei Lichterspielen. Foto: DS Automobiles

Förderlich für den Absatz dürfte auch sein, dass die viertürige, 4,93 Meter große Luxuslimousine aus dem Stellantis-Konzern seit Sommer vergangenen Jahres exklusiv von Shenzhen Baoneng Motor in Südchina produziert wird. Von dort kommen in diesem Sommer nun – nach Endkontrolle in Frankreich, versteht sich – bald die ersten Exemplare des Modells nach Europa. Bestellungen für das „Meisterwerk der Raffinesse“ werden seit wenigen Tagen auch in Deutschland von den rund 30 DS-Händlern entgegen genommen. Ausgeliefert werden die ersten Autos dann voraussichtlich ab Juni.

Plug-in DS9 E-Tense mit 225 PS Leistung

Angeboten wird der DS9 zunächst mit einem 165 kW (225PS) starken Benziner – der uns hier natürlich nicht interessiert – sowie als Plug-in Hybrid namens E-Tense 225 mit identischer Systemleistung. Ein 81 kW (110 PS) starker Elektromotor arbeitet hier mit einem 133 kW (180 PS) starken Benziner zusammen, was für einen formidablen Vortrieb sorgen soll.

Die nötige Energie bezieht der Elektromotor aus einer Lithium-Ionen-Batterie, die 11,9 Kilowattstunden (kWh) zu speichern vermag und die an einer Wallbox mit 7,4 kW Leistung geladen werden kann. Um die 40 Kilometer sollen anschließend damit im Stadtgebiet rein elektrisch gefahren werden können. Auch Touren über Land sind damit natürlich möglich, allerdings nur mit einer Höchstgeschwindigkeit von 130 km/h – und mit deutlich verkürzter Reichweite.

Interieur DS9
Was die Stunde schlägt
Das erfahren die Insassen des DS9 sowohl analog wie digital. Zu sehen ist die von B.R.M. gestaltete Uhr allerdings nur bei eingeschalteter Zündung. Foto: DS Automobiles

Wer weiter und länger stromern möchte, muss sich noch ein wenig in Geduld üben: Gegen Jahresende wird die Variante DS9 E-Tense 250 nachgeschoben, mit einem 15,6 kWh großen Akku für über 60 Kilometer Reichweite. Und für Feinschmecker soll noch ein allradgetriebener E-Tense 360 kommen – die Zahlen geben jeweils die Systemleistung in PS wieder.

Zumindest in dem Punkt ist die junge Marke, die erst vor fünf Jahren im Rahmen einer Neupositionierung der Marken von PSA aus Citroën herausgeschnitten wurde, noch in der alten Zeit unterwegs. Auch die – an sich überflüssigen – seitlichen Positionsleuchten in Trichterform, die in die Dachkante eingelassen wurden, sind eine Verbeugung vor der Vergangenheit: Sie sollen automobilhistorisch bewanderte Zeitgenossen an die selige „Göttin“, den Citroën DS von 1955, erinnern.

DS.9 mit einer Armada an Assistenzsystemen

Ansonsten ist die Luxuslimousine natürlich auf der Höhe der Zeit. Mit einem Energie-Rückgewinnungssystem und einer Armada an Assistenzsystemen, die das Reisen auf langen Strecken so sicher und angenehm wie möglich machen sollen. Eine Luftfederung wie die historische DS hat der Enkel aus China allerdings nicht an Bord. Statt dessen wird die Fahrbahn vor dem Auto mit einer Kamera abgetastet – und das adaptive Fahrwerk dann auf das nächste Schlagloch vorbereitet. Ob und wie das gelingt, werden spätere Testfahrten zeigen.

Was war denn das?
An den Anblick des DS9 wird man sich hierzulande langsam gewöhnen können: Erwartet wird ein Verkauf von 500 Autos im Jahr. Foto: DS Automobiles

Für Aufsehen dürfte auch das Nachtsichtsystem sorgen, dass Hasen, Igel und anderes Getier im digitalen Cockpit-Display aufscheinen lässt. Und natürlich die Show, die das Auto abzieht, wenn der Türschlüssel gezückt und der Startknopf gedrückt werden: Erst verdrehen die wie aus sechs Kristallen geformten Scheinwerfer die Augen, dann springt auch noch eine kleine Analog-Uhr, die von der Pariser Uhrenmanufaktur B.R.M. gestaltet wurde, aus dem Armaturenbrett hervor. Da kommt man sich dann fast schon wie in einem Bentley oder einem anderen Fahrzeug der Super-Luxusklasse vor.

Plug-in Hybrid kostet so viel wie ein Benziner

Dabei ist der französische Chic aus China natürlich deutlich preisgünstiger. Der DS9 E-Tense 225 steht mit 51.400 Euro in der Preisliste. Davon gehen bei uns dann 5.625 Euro Innovationsprämie ab, womit der Plug-in dann sogar einige Hundert Euro günstig ist als der klassische Verbrenner. Was gibt es da noch zu überlegen? Höchstens, ob man sich bei so viel Förderung nicht die „Opera“-Ausstattung für 4.500 Euro gönnen sollte – um dann in der Nachbarschaft auf ganz große Oper machen zu können.

Es soll auch hierzulande noch Menschen geben, die dergleichen lieben. Lukas Dohle, Geschäftsführer von DS Automobiles in Deutschland, rechnet im kommenden Jahr mit einem Verkauf von immerhin 500 Autos des Typs DS9.

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3 Kommentare

  1. FreemanT

    Tja aber wieder kein rein Elektrischer!!! Bei den Preisen wartet man dann lieber auf einen der NIO’s ES8, ES6, EC6 oder wer auf Limo steht der ET7 da gibts dann sogar hochwertige LIDAR Sensoren und 440Kw aus 2 Elektromotoren. Und wie schon bei den ersten drei Modellen wird die Qualität mit Sicherheit auf Augenhöhe von BMW und Mercedes liegen. Zumindest übertrifft es bei den Vorserienfahrzeugen die „Teslaqualität“ um Welten.

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    • Franz W. Rother

      Wir befinden uns in einer Transformationsphase, in der wir noch eine ganze Weile Lösungen für Vielfahrer brauchen – auch für Länder, in denen die Ladeinfrastruktur noch im Aufbau ist. PHEVs sind dafür eine gute Lösung, da sie die Menschen in die neue Zeit hinüberführen: Bei elektrischen Reichweiten von 50 bis 60 Kilometer lassen sich im Alltag viele Wege vollelektrisch zurücklegen. Und auch der Autobahn ist der Elektroantrieb ohnehin nicht ideal.

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      • W.Lindau

        Herr Rother, wie kommen Sie zu der Aussage, dass der Elektroantrieb auf der Autobahn nicht ideal ist ? Mein Tesla 75 d verbraucht bei Höchstgeschwindigkeit von 130 KM/H im Schnitt über 85000 KM 21,4 KW . Das sind bei aktuell ungünstigstem Ladestrom in der Nacht mit 500 g CO2 10,7 KG/100 KM.
        Das entspricht einem Verbrauch von 4 L Diesel. Auf diesen Wert wird dieser DS9 nie kommen. Wenn ich den Wagen heute um 8.43 lade, dann liegt der CO2 Wert für eine KWH laut electricity map aktuell bei 400 g CO2. Somit würde der Tesla mit diesem Strom 8,5 KG CO2 emittieren, also ungefähr ein Verbrauch von 3,5 l Diesel. Finden Sie wirklich, dass dies nicht, bei einem weiteren Ausbau regenerativer Energie, deutlich idealer ist ? Oder übersehe ich hier Ihrer Ansicht nach etwas ?

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