Acht Jahren lang arbeitete ein Team beim Schaltungshersteller Pinion daran, eine Antriebseinheit zu entwickeln, die Motor und Getriebe kombiniert. Das Ergebnis ist die „Motor Gear Unit“, die in diesem Jahr auf der Eurobike in Frankfurt ihre Premiere feierte. Dabei handelt es sich um eine Neun- bzw. Zwölf-Gang-Schaltung mit einer Spreizung von bis zu 600 Prozent, die mit einem 600 Watt starken Elektromotor zusammen in einem Magnesiumgehäuse verbaut ist.

Die leistungsstarke Motor-Getriebe-Einheit (MGU) mit einem maximalen Drehmoment von 160 Newtonmetern im ersten Gang ist dabei nur unwesentlich größer als die bislang gängigen Elektromotoren, arbeitet sehr geräuscharm und wiegt nur rund vier Kilogramm. Zudem ist das 48-Volt-System äußerst wartungsarm, da es keine offen liegenden Schaltkomponenten und Kabel gibt und es zudem einfach mit einem Riemenantrieb kombiniert werden kann. „Diese Neuheit“, urteilte die Fachpresse, „hat das Zeug, den E-Bike-Markt aufzumischen.“

German Engineering 
Die neue Motor-Getriebe-Einheit E1.12 von Pinion ist ein Meisterwerk deutscher Ingenieurskunst. Antrieb und Zwölfgang-Schaltung sind hier auf engstem Raum zu einer leistungsstarken Einheit zusammengefasst. Foto: Pinion
German Engineering
Die neue Motor-Getriebe-Einheit E1.12 von Pinion ist ein Meisterwerk deutscher Ingenieurskunst. Antrieb und Zwölfgang-Schaltung sind hier auf engstem Raum zu einer leistungsstarken Einheit zusammengefasst. Foto: Pinion

Das Beispiel zeigt: Über 100 Jahre nach der Patentierung als „zweirädriges, vom Menschen angetriebenes, lenkbares Transportmittel“ geht die Entwicklung des von Baron Karl von Drais erfundenen Fahrrads immer noch munter voran. Vor allem die Elektrifizierung des Antriebs hat noch einmal für einen ordentlichen Innovationsschub gesorgt, vor allem im Trekking- und Mountainbike-Segment. Das Ergebnis sind E-Bikes, die nahezu perfekt auf die unterschiedlichsten Einsatzzwecke und Nutzergruppen zugeschnitten sind, die deutlich geräuscharmer und zuverlässiger arbeiten – und von rein muskelbetriebenen „Bio-Bikes“ kaum mehr zu unterscheiden sind.

Smarte, sanfte Schaltvorgänge

Vor allem der Fahrkomfort gewinnt durch die neuen Antriebe, Getriebe und Schaltungen, die auf der Fahrradmesse präsentiert wurden. Die MGU von Pinion etwa erlaubt es, im Stand zu schalten oder während der Fahrt auch dei Gangwechsel automatisch vorzunehmen – geschaltet wird elektrisch. Auch andere Hersteller setzen auf harmonisches elektronisches Schalten zur Steigerung des Fahrkomforts. Schaltungshersteller wie EnvioloRohloff und 3X3 verbessern das Zusammenspiel mit den Motoren, beispieslweise denen von Bosch. Durch eine kurze Motordrosselung während des Schaltvorgangs erlaubt das System einen geschmeidigen, synchronisierten Gangwechsel.

Automatisch schalten 
Die neue elektrische Nabenschaltung von 3x3 ist kompakt, mit zwei Kilogramm auch sehr leicht und vor allem wartungsarm: Eine Inspektion ist wie beim Auto nur alle 20.000 Kilometer erforderlich. Foto: 3x3
Automatisch schalten
Die neue elektrische Nabenschaltung von 3×3 ist kompakt, mit zwei Kilogramm auch sehr leicht und vor allem wartungsarm: Eine Inspektion ist wie beim Auto nur alle 20.000 Kilometer erforderlich. Foto: 3×3

Automatisches Runterschalten von Gängen für ein besseres Anfahren ist dabei eine Funktion, die man mittlerweile als Standard bei elektronischen E‑Bike-Schaltungen bezeichnen kann. Ein Beispiel ist die „Nine“ von 3X3, der Zweirad-Tochter des Autozulieferers H+B Hightech GmbH aus dem schwäbischen Adelmannsfelden. Die elektrische Nabenschaltung mit neun Gängen, einer Übersetzungsbandbreite von 554 Prozent und einem Eingangsdrehmoment von bis zu 250 Newtonmeter arbeitet komplett kabellos, was für ein aufgeräumtes, sauberes Bikedesign sorgt. Zudem ist sie dank einer Fettschmierung komplett wartungsfrei – bei der Pinion-MGU ist alle zwölf Monate ein Ölwechsel fällig. Die nur zwei Kilogramm schwere Schaltung kann bei E‑Bikes, problemlos aber auch bei sogenannten Light Electric Vehicles (LEV), verbaut werden. Im kommenden Jahr wird die 3X3 NINE mit Riemenantrieb im leichten Gravelbike Argon GX Slide von Nikolai Premiere feiern.

Kleine, kompakte Antriebe für Mitte und hinten

Ein aktueller Trend im E‑Bike-Bereich ist ohnehin Leichtigkeit. Ein kleiner, leistungsstarker Motor wird dabei mit einem kleinen Akku kombiniert. Dadurch entstehen leichte E‑Bikes, die das Fahrgefühl eines konventionellen Fahrrads mit Elektromotorunterstützung versprechen. Gerade bei E‑Gravel- und E‑Mountainbikes ist das gerade sehr angesagt. Aber auch E‑Urbanbikes profitieren von der Entwicklung. Denn auch in der Stadt sind leichte E‑Bikes eine Lösung. Sie können über Treppen, in den Keller, in den Hausflur oder andere Hindernisse getragen werden. Marktführer Bosch bietet mit der „Performance Line SX“ einen neuen Antrieb für diesen Einsatzbereich, der Gewichte von E‑Citybikes von unter 20 Kilogramm ermöglicht.

Zahnräder statt Zahnriemen 
Um Baumraum und Gewicht zu sparen, stellt Brose beim neuen Drive3Peak-Antrieb auf eine 48-Volt-Architektur um. Zudem arbeitet im Nachfolger des MagS-Antriebs wie bei Bosch ein Zahnradsystem - das große Riemenrad konnte damit entfallen
Zahnräder statt Zahnriemen
Um Baumraum und Gewicht zu sparen, stellt Brose beim neuen Drive3Peak-Antrieb auf eine 48-Volt-Architektur um. Zudem arbeitet im Nachfolger des MagS-Antriebs wie bei Bosch ein Zahnradsystem – das große Riemenrad konnte damit entfallen.

Auch Autozulieferer Brose setzt bei seinem neuen, nur 2,9 Kilogrammn schweren Antrieb „Drive 3 Peak“ (verfügbar ab 2024) auf ein 48-Volt-System. Der Vorteil: Bordnetze mit höheren Betriebsspannungen sind in der Lage, bei gleichem Leitungsquerschnitt mehr Strom zu transportieren. Verlustleistung, Bauraumbedarf für Kabel und damit Gewicht können somit vermindert werden. Im Ergebnis steht eine bessere Performance mit bis zu 600 Watt und 95 Newtonmetern Drehmoment bei 15 Prozent geringeren Abmessungen, erläutert Produktmanager Christopher Körper im Gespräch mit EDISON. Zudem eröffnen sich durch die Umstellung auf das 48-Volt-System Möglichkeiten für Synergien mit der Automotive-Sparte, sprich: Kosteneinsparungen.

Durch den Trend zu leichten E‑Bikes erfreut sich eine weitere Motorenart ihrer Renaissance: der Hinterradnabenmotor. Die Antriebe gelten per se als wartungsarm und leistungsstark, erlauben auch die Rückgewinnung von Bremsenergie durch Rekuperation . Kombiniert mit kleinen Akkus bilden sie ein leichtes Antriebssystem, das sich gut für den Stadtverkehr eignet. Für die kommende Saison bringt der Hersteller Mivice erstmalig eigene Akkus und somit ein komplettes System heraus. Dazu kommen mit dem „M100“ und dem „M200“ zwei neue Hinterradnabenmotoren, die speziell für Einsätze in leichten Citybikes konzipiert sind.

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1 Kommentar

  1. Martin Hillmer

    Interessant

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