Der Verband der Deutschen Automobilindustrie (VDA) hat erneut ein deutlich höheres Tempo beim Ausbau der öffentlichen Ladeinfrastruktur für Elektroautos gefordert. Um das von der Bundesregierung gesetzte Ziel von einer Million Ladepunkten bis zum Jahr 2030 zu erreichen, „musste die Ausbaugeschwindigkeit der letzten zwölf Monate etwa vervierfacht werden“, sagte VDA-Präsidentin Hildegard Müller in einem Interview mit dem „Spiegel“. Die Lücke zwischen dem Bestand an E-Autos und der frei zugänglichen Ladeinfrastruktur sei im Laufe der Jahre immer weiter gewachsen, die idealtypische Relation von einem Ladeplatz für zehn E-Autos (Voll- und Teilzeitstromer) liege immer noch in weiter Ferne.

Die Bundesregierung hatte sich unter dem Motto „Mehr Fortschritt wagen“ unter anderem vorgenommen, bis zum Jahr 2030 rund 15 Millionen Elektroautos auf die Straße zu bringen und dafür bundesweit eine Million öffentliche Ladepunkte zu errichten. Aktuell, sieben Jahre vor dem Stichtag, sind in Deutschland nach den Zahlen des Kraftfahrtbundesamtes rund 1,2 Millionen Elektroautos zugelassen. Ihnen standen Ende Juni nach den Erhebungen von TheonData und Cirrantic für den „Charging Radar“ von EDISON nur knapp 110.000 Ladepunkte gegenüber – das Gros davon (88.244) mit Wechselstrom (AC) betriebene „Schnarchlader“. HighpowerCharger mit Ladeleistungen jenseits von 50 kW sind erst an rund 22.000 Punkten zu finden.

Leid-Markt Deutschland 
19 Elektroautos (Batterieautos und Plug-in Hybride) müssen sich hierzulande einen öffentlichen Ladepunkt teilen. Zum Glück haben die meisten Besitzer von Elektroautos noch eine private Ladestation daheim oder am Arbeitsplatz. Grafik: EDISON
Leid-Markt Deutschland
19 Elektroautos (Batterieautos und Plug-in Hybride) müssen sich hierzulande einen öffentlichen Ladepunkt teilen. Zum Glück haben die meisten Besitzer von Elektroautos noch eine private Ladestation daheim oder am Arbeitsplatz. Grafik: EDISON

„Der Ladeinfrastrukturausbau geht solide voran“, kommentierte TheonData-Geschäftsführer Ludwig Hohenlohe die jüngsten Zahlen. Gegenüber dem Vormonat wuchs der Ladenetz in Deutschland immerhin um 4000 Stationen – die Investitionsbereitschaft der Energieversorger und E-Mobility-Provider scheint ungebrochen.

Preise von bis zu 97 Cent für die Kilowattstunde

Ob sich die Investitionen rechnen, ist allerdings eine andere Frage. Denn nach den Erhebnungen für den „Charging Radar“ ist die Auslastung des Netzes rückläufig: Zur Halbzeit des Jahres sank die Zahl der Ladevorgänge um 13 Prozent und zum zweiten Mal in Folge auf zwei Millionen. „Vielleicht eine Reaktion auf das anhaltend hohe Preisniveau„, vermutet Hohenlohe. „Wir werden sehen, wie sich der Ferienreiseverkehr in den kommenden Wochen auswirken wird.“ Im Schnitt wurde Ende Juni ein Ladeplatz 18,9 mal im Monat aufgesucht – vor einem Jahr 25 mal.

Auf anhaltend hohem Niveau 
Die Preise für den Ladestrom haben sich seit Jahresbeginn 2022 deutlich erhöht - von 45 auf 67 Cent/kWh für Gleichstrom am öffentlichen Schnelllader. Je nach Anbieter werden hier auch bis zu 92 Cent/kWh aufgerufen. Stand: Ende Juni 2023. Quelle: Charging Radar/Cirrantic
Auf anhaltend hohem Niveau
Die Preise für den Ladestrom haben sich seit Jahresbeginn 2022 deutlich erhöht – von 45 auf 67 Cent/kWh für Gleichstrom am öffentlichen Schnelllader. Je nach Anbieter werden hier auch bis zu 92 Cent/kWh aufgerufen. Stand: Ende Juni 2023. Quelle: Charging Radar/Cirrantic

Damals war der Ladestrom allerdings auch noch deutlich billiger: Die Kilowattstunde Wechselstrom kostete im Schnitt 41 Cent, Gleichstrom 46 Cent. Mittlerweile werden für die gleiche Strommenge im Schnitt 67 Cent aufgerufen – egal in welcher Darreichungsform und Ladegeschwindigkeit. Wobei es je weiterhin große Preisunterschiede gibt: Laut „Charging Radar“ ist die Kilowattstunde Wechselstrom beim günstigsten Anbieter schon für 48 Cent zu haben, beim teuersten für 97 Cent. An Schnellladesäulen ist die Spanne mit Preisen zwischen 51 und 92 Cent ähnlich groß.

Kommt die Antriebswende zum Erliegen?

Abzuwarten bleibt aber nicht nur, wie sich die hohen Strompreise auf das Ladeverhalten der E-Auto-Fahrer auswirkt, sondern ob der Bestand an Elektroautos weiterhin so dynamisch wächst wie bisher: Gut zwei Drittel der neuen Stromer werden aktuell als Firmenwagen auf Gewerbebetriebe zugelassen. Und im September läuft der staatliche Umweltbonus für diese Kundengruppe aus. Da gleichzeitig der private Automarkt stagniert und die aktuellen Pkw-Neuzulassungen auch vom langsamen Abbau des Auftragsbestandes aus dem vergangenen Jahr getragen sind, befürchtet der Autohandel für das letzte Jahresdrittel einen Einbruch des Geschäfts mit Elektroautos.

Ein Gutes hätte es immerhin: Die Suche nach freien Ladeplätzen in der Stadt und entlang der Autobahnen würde wieder einfacher.

Artikel teilen

Kommentar absenden

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert