Bisher hatten die AMG-Modelle von Mercedes-Benz überaus auffällige Kernwerte. Zum einem war das das Design eher krawallig als zurückhaltend. Und zusammen mit dem bollernden Sound der PS-starken Benziner war es eine nahezu perfekte Symbiose für all jene Kunden, die ihrer Umwelt auch akustisch zeigen wollten, wo der Hammer hängt. Da macht ein AMG 45 keinen großen Unterschied zum Topmodell AMG GT Black Series. Wer es zurückhaltender wollte, stieg in einen Wettbewerber oder setzte sich besten Gewissens in die ebenfalls prächtig motorisierten Serienmodelle mit Stern.

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Technische Daten Mercedes-AMG EQS 53 4-matic+

Antriebsleistung: 560 kW / 761 PS; Max. Drehmoment: 1.020 Nm
0-100 km/h: 3,4 Sekunden; Höchstgeschwindigkeit: 250 km/h (Dynamic Plus-Paket)
Akkukapazität: 107,8 kWh, Reichweite: über 500 km (lt. WLTP-Verbrauchsnorm)
Basispreis: 152.552 Euro.

Mit der Elektromobilität wird nun nahezu alles anders, fällt der Sound als Differenzierungsmerkmal weitgehend weg. Und das bekommt als erster der mindestens 152.552 Euro teure Mercedes AMG EQS 53 4matic zu spüren – die besonders sportliche Variante des vollelektrischen Mercedes-Benz EQS. Auch wenn es an der Fließheck-Limousine hier und da ein paar neue Details wie Leichtmetallrädern im 22-Zoll-Format und „Turbinen“-Design sowie die AMG-typtische „Panamericana“-Frontmaske zu entdecken gibt, mit denen das Elektroauto seine sportlichen Ambitionen unterstreicht, so sind Unterschiede zum normalen Mercedes EQS unter dem Strich nur gering. Auf üppiges Spoilerornat verzichtet der sportliche Stromer ebenso wie ausgestellte Kotflügel – der cW-Wert von 0,23 hätte darunter leiden können.

22-Zoll-Räder im Turbinendesign
Der Mercedes AMG EQS 53 4matic unterscheidet sich nur in wenigen Details von seinen schwächeren Schwestern. Foto: Mercedes

560 kW Leistung und bis zu 1020 Newtonmeter Drehmoment

Dabei verschlagen einem die Fahrleistungen des Luxus-Stromers im „Racestart“-Modus nicht nur beim Erstkontakt die Sprache, obwohl der AMG-Mercedes nicht die prestigeträchtige 63er-Nomenklatur am Heck tragen darf. Die beiden Elektromotoren an Vorder- und Hinterachse leisten üppige 484 kW (658 PS) und bringen ein maximales Drehmoment von 950 Nm auf die Straße. Und als ob das nicht schon sportlich genug wäre, gibt es mit dem Dynamic-Plus-Paket noch einen stattlichen Nachschlag auf 560 kW (761 PS) und bis zu 1.020 Nm Drehmoment.

Der Schub ist aus dem Stand ebenso wie aus nahezu jeder anderen Geschwindigkeit nicht anders als gewaltig zu bezeichnen. Ein Tritt aufs Fahrpedal lässt einem beinahe die Gesichtszüge entgleisen und presst die Insassen unvermittelt in die sehr guten Ledersitze als säße man in einem Formel-1-Renner.

Allradantrieb und -lenkung gibts serienmäßig

Das Problem dabei: Im normalen Fahrbetrieb und selbst deutlich darüber hinaus ist der AMG-Unterschied zum alles andere als schlapp motorisierten Mercedes EQS 580 4matic kaum spürbar. Hier wie da gibt es nicht nur die Hinterachslenkung (mit neun Grad Einschlagwinkel) serienmäßig, sondern auch den Allradantrieb, der die Antriebsmomente je nach Fahrsituation variabel zwischen Vorder- und Hinterachse verteilt. Das Drehmoment wird dabei 160-mal pro Sekunde gemessen und bei Bedarf gestellt.

Feinarbeit im Detail
Die Spezialisten von AMG haben den Mercedes EQS vor allem in den technischen Details für eine bessere Performance optimiert

Aus dem Stand geht es so für den 53er AMG Mercedes je nach Fahrprogramm und Ladestand der Batterie mit einer Kapazität von 107,8 kWh in 3,4 bis 3,8 Sekunden auf Tempo 100. Doch der schwächere Bruder ohne AMG-Insignien gibt einem mit 4,3 Sekunden ebenso alle Möglichkeiten. Und die Ladegeschwindigkeit der AMG-Version am Stromanschluss ist auch nicht besser: Am DC-Schnelllader beträgt die maximale Ladeleistung 200 kW, am AC-Lader 22 kW.

Mit Warp-Antriebs-Sound bis auf 250 km/h

Immerhin: während der Standard-EQS schon bei einer Höchstgeschwindigkeit von 210 km/h eingebremst wird, darf der AMG-EQS bis zu 250 km/h schnell rauschen. Leider oder eben zum Glück ohne das bollernde Klangstakkato, der den Modellen aus Affalterbach bisher diesen unverwechselbaren Charme gab und so viele Kunden beglückte. Dafür kann man die Fahrt im Elektroauto ähnlich wie beim Porsche Taycan oder Audi E-Tron GT durch künstliche Klangwelten im Stile eines Warp-Antriebs untermalen lassen. Doch die meisten Kunden dürften den Captain-Future-Sound zu Zylonen und Klingonen schnell wieder verbannen und lieber ebenso lässig wie dynamisch ohne Geräuschkulisse durch die Welten stromern.

Immer mit Hyperscreen
Die digitale Breitbildleinwand ist im Unterschied zum normalen Mercedes EQS in der AMG-Ausführung serienmäßig an Bord. Foto: Mercedes-Benz

Es ist eben der nennenswerte Unterschied, der fehlt . Und hier teilt der 5,22 Meter lange AMG Mercedes EQS 53 das Schicksal seiner kaum weniger luxuriösen Wettbewerber Audi RS E-Tron GT, Porsche Taycan Turbo S oder dem in die Jahre gekommenen und aktuell nicht mehr verfügbaren Tesla Model S: Der reale Mehrwert, den die Sportversion seinem potenziellen Kunden optisch wie technisch bietet, ist überschaubar. Es gibt Sportsitze mit Prägung und ein spezielles Lenkrad, eine Allradlenkung mit einem etwa größeren Einschlagswinkel und ein anders abgestimmtes Fahrwerk, dazu einen geringfügig größeren Heckspoiler – das muss dann aber auch schon zur Differenzierung von den Schwestermodellen genügen.

Eine Oktave sportlicher

Aber um gegen ein Tesla Model S „Plaid“ oder einen Lucid Air in der „Dream Edition“ am Stammtisch des Los Angeles Countryclub für offene Münder zu sorgen, sind selbst die im Boost-Modus verfügbaren 560 kW Leistungs nicht genug – denn die Wettbewerber aus Kalifornien bieten inzwischen 750 kW und mehr an Antriebskraft auf. Zudem fehlt dem Mercedes EQS auch als edle 53er-AMG-Version doch auch jene Ausstattungsnoblesse, mit der eine konventionell angetriebene Mercedes S-Klasse seine Kunden im Alltag verwöhnt.

Die größte Stärke bleibt das exzellente Gesamtpaket aus „Luxus mit Performance“ (Mercedes) – mit viel Komfort, grenzenlosen Schub und dank der großen Batteriekapazität auch ordentlich Langstreckenqualität. Die Abstimmung von Federn und Dämpfer mit Luftunterstützung und elektronische Regelung ist gelungen. Und beim genaueren Hinhören ist das Fahrgeräusch des AMG-Stromers auch eine Oktave sportlicher als beim Mercedes EQS 450 oder EQS 580.

Charged in the USA
Ladepause des Mercedes-AMG EQS53 an einem Schnelllader von „Electrify America“ auf der Testfahrt in Kalifornien. Foto: Mercedes-Benz

Gut ist die serienmäßige Allradlenkung. Doch wirklich große Unterschiede gibt es für Fahrer und Passagiere kaum zu erfahren. Sie freuen sich über das großzügige Platzangebot, die zahlreichen Fahrerassistenz- sowie Komfortfunktionen und werden speziell auf den nichteuropäischen Märkten wohl die fehlende Langversion ebenso vermissen wie vollelektrische Komfortsitze im Fond. Hier ist die Mercedes S-Klasse in der 2022 folgenden AMG-Version als Powerhybrid einfach konkurrenzlos.

Mercedes EQS Mercedes hat den vollelektrischen Luxusliner EQS vorgestellt. Wir durften mit dem Elektroauto sogar schon eine Runde drehen. Elektroauto

Doch der Mercedes AMG EQS 53 4matic kann eben nicht nur sportlich, sondern auch effizient bewegt werden. Mit einem Normverbrauch von 21,1 bis 24,3 kWh auf 100 Kilometer sind mit einer Akkuladung Reichweiten von immerhin deutlich mehr als 500 Kilometer drin. An einem Schnelllader erstarkt das elektrische Luxusmodell aus Sindelfingen dank einer Ladeleistung von bis zu 200 kW in 20 Minuten für die nächsten 300 Kilometer Strecke. Und bei einer Vollbremsung liegt die Rekuperationsleistung bei mächtigen 300 kW (10 kW als der „normale“ Mercedes EQS).

Damit lässt sich die Reichweite durchaus nennenswert verlängern – und dann vielleicht auch am Stammtisch ordentlich punkten.

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