Ein i-Pad als Zentraldisplay? Das sah ganz cool aus, als es Tesla 2009 im Model S erstmals vorstellte. Doch seitdem sind zwölf Jahre vergangen und ähnliche Lösungen bietet inzwischen sogar Fiat in seinem Cinquecento an. Etwas kleiner, aber genauso unpraktisch: Um bestimmte Funktionen zu steuern, muss der Fahrer über den Touchscreen in verschachtelte Untermenues abtauchen. Geschieht das während der Fahrt, ist die Gefahr groß, den Verkehr aus den Augen zu verlieren. Hierzulande wurden deshalb schon Fahrverbote ausgesprochen.

Mercedes setzt in seiner neuen S-Klasse zwar ebenfalls noch auf einen 12,8 Zoll großen OLED-Touchscreen auf der Mittelkonsole, der insgesamt 27 Knöpfe und Tester überflüssig macht. Doch mit dem neuen, vollelektrischen Mercedes EQS, der nach Stand der Dinge auf der IAA im September seine Weltpremiere erleben wird, geht der deutsche Autokonzern nicht nur antriebstechnisch (700 Kilometer Reichweite!) den nächsten großen Schritt. Mit dem so genannten MBUX Hyperscreen, der jetzt auf der CES in Las Vegas (virtuell) vorgestellt wurde, schlägt der Autobauer auch in punkto Konnectivität und Bedienerführung einen neuen Weg ein: Kameras und allerlei Sensoren lesen dem Fahrer gewissermaßen die Wünsche von den Lippen ab. Und Künstliche Intelligenz sorgt dafür, dass das Auto Aktionen schon vorbereitet, noch ehe Fahrer – oder Beifahrer – daran gedacht haben.

Spektakulär ist der „Hyperscreen“ auch optisch. Schon durch seine schiere Größe: Die Bildschirmeinheit aus Gorilla-Glas erstreckt sich unterhalb der Frontscheibe in eleganten Linien von einer Seite des Fahrzeug zur anderen. Über 1,41 Meter hinweg und mit einer Gesamtfläche von 2.432,11 Quadratzentimetern, die von einem silbernen, hinterleuchteten Rahmen gefasst sind. Gescrollt werden muss da gar nichts mehr: Alles spielt sich auf der so genannten Null-Ebene vor den Augen des Betrachters ab. Und das hochauflösend, brilliantklar und gestochen scharf.

Mega-OLED-Display mit „Laserschwert“

Die wichtigsten Fahrinformationen finden sich hinter dem Lenkrad in einem separaten Teil des Mega-OLED-Displays: Geschwindigkeit, Reichweite, Navigationshinweise und was sonst noch das Herz des Steuermanns oder der Steuerfrau zu sehen begehrt. Und nicht einfach nur mit Zeigern und Zahlen, sondern in 3D, mit einer sich räumlich bewegenden Spange, einem linsenförmigen Objekt – sowie mit einem digitalen „Laserschwert“ in einer Glaslinse. Die blau-organefarbene Optik ist sicher ein wenig gewöhnungsbedürftig, aber im wahrsten Sinne und in jeder Beziehung „großes Kino“. Fast könnte man meinen, es liefe die Episode V der Star-Wars-Serie. Genau, die mit dem Titel „Das Imperium schlägt zurück“. Ohne Darth Vader, dafür mit dem neuen Daimler-Chef Ola Källenius in der Hauptrolle.

G-Force in Blau und Orange
Die klassischen Cockpit-Anzeigen werden mit einem ditialen „Laserschwert“ in einer Glaslinse interpretiert. Ein linsenförmiges Objekt zwischen den Spangen zeigt an, welche Kräfte gerade auf die Insassen des Elektroautos wirken. Foto: Daimler

Dabei spielen sich die wichtigsten Dinge im Hintergrund ab, in den acht Prozessoren der Zentraleinheit und der Software des Zulieferers Nvidia. Mit Hilfe Künstlicher Intelligenz werden hier die Gewohnheiten und Vorlieben des Fahrers analysiert, um automatisch zur richtigen Zeit die richtigen Funktionen anbieten zu können.

Auto mit „kontextsensitivem Bewusstsein“

„Das kontextsensitive Bewusstsein wird sowohl durch Umgebungsveränderungen wie auch das Anwenderverhalten permanent optimiert“, formuliert es der Pressetext. Im Klartext: Verwendet der Fahrer im Winter regelmäßig die Massagefunktion des Sitzes, schlägt ihm das System bei bestimmten Temperaturen automatisch das sanfte Kraulen der Rückenmuskulatur vor. Oder wer auf der Heimfahrt am Abend regelmäßig eine bestimmte Nummer anruft, bekommt zu entsprechender Zeit die entsprechende Visitenkarte samt Foto vorgehalten.

Versteht sich von selbst, dass der Bordcomputer mit Hilfe einer Kamera zunächst überprüft, wer da gerade steuert. Nicht, dass es zu bösen Verwechslungen kommt. Bis zu sieben Personen kann sich die CPU anhand der Stimme, Fingerabdrücke und anderer biometrischer Details merken. Autodiebstähle sind damit in Zukunft praktisch ausgeschlossen. Zumal das System permanent und selbständig hinzulernt. Science-Fiction? Ne, in echt. Ein Model S von Tesla sieht dagegen wirklich uralt aus. Fast wie der Millenium Falke.

Mercedes Vision EQ-S von der IAA 2019
Der vollelektrische Sternenkreuzer kommt im Herbst mit 700 Kilometer Reichweite und einem virtuellen Laser-Schwert im volldigitalen und hochintelligenten Cockpit. Foto: Daimler

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