An den EV Plus, das allererste Elektroauto von Honda, erinnert sich hierzulande kaum noch jemand. Mit gutem Grund: Von dem vollelektrische Kleinwagen wurden zwischen 1997 und 1999 lediglich etwa 340 Exemplare in Japan montiert und größtenteils nach Kalifornien exportiert, wo die Umweltbehörde CARB gerade besonders strenge Abgasgesetze für Autos erlassen hatte. Aber mit einer Reichweite von rund 150 Kilometern konnte der von einem Nickel-Metallhydrid-Akku (Speicherkapazität: 28,7 kWh) betriebene Stromer das anspruchsvolle Publikum dort nicht so recht elektrisieren. Schon gar nicht mit seinem Kaufpreis von 54.000 Dollar oder einer Leasingrate von 500 Dollar im Monat.
Nach dem Misserfolg mit dem EV Plus dauerte es 20 Jahre, bis sich Honda wieder an die Entwicklung und den Bau eines Elektroautos wagte. Die Batterietechnik war in der Zwischenzeit weiter vorangeschritten und das vom Klimawandel aufgeschreckte Publikum inzwischen offen für eine Antriebswende. Und der knuffige Honda e, der 2020 auf den Markt kam, fand zunächst auch viel Beifall: Das kleine Stadtauto wurde mit Designpreisen überhäuft und zum unter anderem zum „Word Urban Car of the Year“ sowie – unter Mitwirkung von EDISON – zum „German Car of the Year“ gekürt. Ein Verkaufserfolg wurde der kleine Viertürer bislang gleichwohl nicht – mit einem Preis von rund 40.000 Euro und einer Reichweite im Alltagsbetrieb von etwa 180 Kilometern ist der von einem Lithium-Ionen-Akku (Speicherkapazität: 35,5 kWh) weder reise- noch massentauglich.
Über die Verkaufszahlen des Honda e bewahrt der Hersteller Stillschweigen. Mit gutem Grund: In Deutschland wurden im April von dem Modell lediglich ein Dutzend Exemplare des Modells zugelassen.Infolge von Lieferengpässen, wie es heißt. Trotzdem, so versicherte jetzt Europa-Präsident Katsuhisa Okuda bei einem europäischen Media-Event im Honda-Forschungszentrum Offenbach, werde der Honda e weiterhin angeboten, eine Beendigung der Produktion (aber auch eine Modellpflege) sei derzeit nicht geplant.
e:Ny1 mit bis zu 412 Kilometer Reichweite
Allerdings gilt die ganze Aufmerksamkeit des Honda-Vertriebs längst auch einem anderem Elektroauto: Dem neuen e:Ny1, der im Herbst nach Europa kommt. Einem durchaus ansehnlichen, aber eher konventionell gestylten Kompakt-SUV , der auf einer komplett neuen Elektro-Plattform aufbaut. Mit einem 150 kW (204 PS) starken Frontmotor mit einem maximalen Drehmoment von 310 Newtonmetern sowie einem 68,8 kWh großen Lithium-Ionen-Akku, der für eine Reichweite von 412 Kilometern nach der Verbrauchsnorm WLTP gut sein soll. Was der Spaß kosten wird, steht noch nicht fest. Mit Blick auf die Wettbewerber – und den Honda e – rechnen wir mal mit 45.000 Euro aufwärts.
„Der e:Ny1 ist der logische nächste Schritt auf unserem Weg der Elektrifizierung in Europa“, sagte Tom Gardner, der Vorstandschef von Honda Europe, bei der Präsention des neuen Autos mit dem kryptischen Namen. Die Auflösung? Das E steht für „Electric“ und „Excited“, Ny für „New You“ – gemeint ist, so interpretieren wir mal, das neue Ich, das gewissermaßen durch die Elektromobilität geformt werden soll.
30 neue Stromer bis 2030
Und die 1 in der Modellbezeichnung macht deutlich: Das ist erst der Anfang, da kommt noch einiges nach. Honda hat sich vorgenommen, bis 2030 insgesamt 30 neue teil- oder vollelektrifizierte Autos auf den Markt zu bringen und bis Ende des Jahres sämtliche in Europa angebotenen Fahrzeuge zumindest zu elektrifizieren, also mit Hybridantrieb anzubieten. Parallel dazu soll auch die Zweiradsparte unter Strom gesetzt werden. Bis 2025 sind hier zehn neue Elektro-Fahrzeuge vorgesehen, quer durch alle Größenklassen. Den Anfang macht ein kleiner Elektro-Scooter mit Wechsel-Akku mit bis zu 45 Kilometern Reichweite für den Stadtverkehr. Aber das ist ein anderes Thema – zurück zum e:Ny1.
Der kompakte Stromer kommt sehr gefällig, im Unterschied zum Honda-e aber auch recht konventionell daher – der Umstieg auf ein Elektroauto soll die eher konservative Honda-Klientel möglichst leicht gemacht werden. Im Innenraum fällt ein 15,1 Zoll großer, hochkant stehende Touchscreen ins Auge, der gewissermaßen als Kommoandozentrale dient. Er kann an die Vorlieben des Fahrers angepasst und in mehrere Segmente aufgeteilt werden. Das war es dann aber auch schon an Originalität. Es gibt daneben aber weiterhin eine Vielzahl vonDirektwahl-Tasten, in der Mittelkonsole und am Lenkrad. Auch die Fahrprogramme werden über Tasten gesteuert.
Maximal 85 kW am DC-Schnelllader
Gespart haben die Honda-Ingenieure hingegen bei der Ladeleistung. Wechselstrom wird zwar dreiphasig mit bis zu 11 kW aufgenommen. Aber am Gleichstrom-Schnelllader sind nicht mehr als 85 kW drin – das Nachladen des Akkus von 10 auf 80 Prozent zieht sich demzufolge über 45 Minuten hin. Da können andere Elektroautos in dem Segment wie der VW ID.3, der Renault Megané E-Tech oder auch der neue elektrische Ford Explorer deutlich mehr. Immerhin: Die neue Elektro-Plattform von Honda, erfuhren wir, ist bereits fit für eine 800-Volt-Architektur. Gut möglich also, dass schon der e:Ny2 mit einer DC-Ladeleistung jenseits von 200 kW daherkommen wird.