Konzeptfahrzeuge haben bei Hyundai eine lange Tradition. Meist nehmen diese die Technik eines späteren Serienfahrzeugs beziehungsweise Teile davon vorweg. Deshalb tragen sie auch immer den Buchstaben R im Namen – er steht für „Rolling Lab“, also ein rollendes Labor. Beim R22N von 2022 verbarg sich unter der Hülle eines Hyundai Ioniq 6 der spätere Ioniq 5N. Der RN24 gibt den Vorgeschmack auf den nächsten Elektro-Sportler aus Korea, der ab 2026 ein Segment unterhalb des Ioniq 5N positioniert sein wird und vermutlich Ioniq 3N heißen wird. Der Spaßfaktor soll aber hier noch größer sein. Die Agilitätsgleichung kling vielversprechend: WRC plus Ioniq 5N ergibt RN24. Im Klartext: Die Technik des 5N wird in ein Rallye-Chassis gepackt. Diese Motorsport-Disziplin beherrschen die Koreaner. Das haben sie in der Rallye-Weltmeisterschaft WRC eindrucksvoll bewiesen.
Das Ziel ist ein kompakter, leichter und leistungsstarker Elektrosportler, der selbst den Ioniq 5N bei der Querdynamik in den in den Schatten stellt. Das ist keine leichte Aufgabe. Doch die Koreaner haben erkannt, dass Antriebsleistung bei einem Stromer längst kein Differenzierungsmerkmal mehr ist: Jede Menge Kilowatt hat inzwischen fast jedes neue Batterieauto unter der Haube.
„Entscheidend ist das Verhältnis von Leistung und Gewicht“, erklärt JooN Park, der Vizepräsident der Marke N, das Konzept. Deshalb ist der R24N auch um rund 200 Kilogramm leichter als der Ioniq 5N – bei gleicher Batteriekapazität und gleicher Leistung. Beide Modelle basieren auf der E-GMP-Plattform. Allerdings ist der Radstand des RN24 mit 2.660 Millimetern um 340 Millimeter kürzer als der des Technikspenders Ioniq 5N. Auch die Batterie ist um 165 Millimeter kürzer. Das haben die Techniker erreicht, indem sie die Leistungselektronik von den Stirnseiten entfernten und auf den Energiespeichern platziert haben.
478 kW Leistung liegt permanent an
Hinzu kommt, dass die Elektromotoren mit 175 kW (238 PS) vorne und 303 kW (412 PS) hinten mit zusammen 478 kW zwar die gleiche (Spitzen-)Leistung wie der Ioniq 5N bereitstellen, diese aber auch dauerhaft halten können. Damit diese Kraft auf die Straße kommt, hat der RN24 ein extrem verwindungssteifes Chassis, das obendrein mit einem Rallye-Fahrwerk bestückt ist. Ein Heckspoiler sorgt für Abtrieb.
Die direkte Lenkübersetzung samt der Software stammt ebenfalls von den Rallye-Boliden. Der Hyundai RN24 verfügt über fünf Fahrmodi: Schnee, Schotter, Asphalt, N-Drift sowie den Modus N-Drift+, der den Allradler 24N zum reinen Hecktriebler macht und dem Hinterteil noch mehr Verve einhaucht. Um die Kraft fein dosiert zu verteilen, hat der RN24 ein mechanisches Sperrdifferenzial an der Vorderachse und ein elektrisches Sperrdifferential (e-LSD) hinten.
Ein weiteres Technik-Highlight ist die e-Handbremse, die direkt auf die Hinterräder wirkt. Um die Hinterreifen zu blockieren, nutzen die Techniker ein umgedrehtes Torque Vectoring. Dadurch ist eine Hydraulik überflüssig und die Bremswirkung tritt sofort ein. Der lange Hebel im Cockpit des Versuchsfahrzeugs stammt aus einem Rallye-Auto.
Fünfpunkt-Gurte und ein Renn-Lenkrad
Jetzt geht es zur Sache. Wir sitzen mit Fünfpunkt-Renngurten festgezurrt in dem Prototypen. Vor uns ein Lenkrad, wie man es aus dem Rennsport kennt. Mit zwei Drehrädern und einigen Knöpfen. Wir drücken einen links unten und bollernd erwacht der mächtige Achtzylinder zum Leben. Akustisch zumindest. Also hält Hyundai auch bei künftigen Ioniq-N-Modellen an dieser Tradition fest, dem Fahrer eines Elektroautos etwas auf die Ohren zu geben.
Per Drehrad scrollen wir durch die Fahrmodi bis zum Schnee-Programm. Den Automatikhebel auf D drehen und los geht es. Naja, zumindest einigermaßen. Denn bei der Einstellung „Snow“ hat die Vorderachse das Kommando und mit Driften ist noch nicht viel. Aber genau das soll ja auch so sein. Eines ist aber jetzt schon klar: Kraft hat der 24N im Überfluss.
Der Drift+ -Modus ist das genaue Gegenteil. Der R24N mutiert zu einem Hecktriebler reinsten Wassers, der fast schon zu giftig auf die Bewegungen des rechten Fußes reagiert. Schon beim leichtesten Antippen des Gaspedals samt Lenkeinschlag entwickelt das Heck ein Eigenleben, dass wir blitzschnell am Lenkrad kurbeln müssen, um den 24N-Wildfang im Zaum zu halten. Was nicht immer gelingt worauf wir eine blitzsaubere Pirouette hinlegen. Doch nach einigen Versuchen haben wir den mobilen Quertreiber einigermaßen im Griff.
Kreiseln auf dem Asphalt mit Handbremse
Danach wählen wir die goldene Mitte: Asphalt. Und schon bekommt der Tanz einen anderen Charakter. Der Hyundai 24N reagiert wie ein gut ausgebildetes Dressurpferd auf Hand- und Fußbefehl. Ein leichter Zug an der Handbremse samt kurzem Stromstoß genügen um das Heck auskeilen zu lassen. Und zwar sauber und gut berechenbar. Den Rest besorgt der rechte Fuß, der die E-Maschinen auf Zug hält. Wie mit dem Zirkel gezogen, kreiselt der RN24 mit festem Radius. Sofort ertönt das markerschütternde hochfrequente Kreischen der Reifen, weißer Rauch umhüllt den Prototypen und der beißende Geruch von verbranntem Gummi steigt in die Nase. Quer ist mehr, lautet die Devise. Wir genießen jede Sekunde dieses einzigartigen koreanischen E-Karussells. Im Unterschied zu den Reifen.
Nach einigen weiteren Donuts signalisiert das unmissverständliche Zupfen und Rubbeln im Lenkrad, dass die Reifen am Ende sind. Also zurück an die Box, bevor die Pneus platzen. Schnell sind neue Gummis aufgezogen und raus geht es auf die Rennstrecke. Das ist dann eine ganz andere Gemengelage, da das Heck bei jeder Kurvenkombination eifrig mitlenkt. Also sind eine saubere Linie und ein ebenso dosierter wie präziser Einsatz der klassischen Bremse gefragt. Aber auch diese Disziplin beherrscht der Hyundai RN24. Also darf man auf den nächsten N-Stromer gespannt sein. Eines ist jetzt schon klar: Spaß macht er jede Menge.