Nein, das ist kein SUV. Jene Fahrzeuggattung, die gerade so hip ist wie ein Ganzkörper-Tatoo oder eine Jeans mit Löchern. Obwohl: Ein wenig spielt auch der Kia XCeed mit diesem Trend und macht mit einem höhergelegten Fahrwerk, mit Kunststoff-Beplankungen für die Radhäuser und einer Dachreling ein wenig auf Abenteurer und Großstadt-Indianer. Derlei kennt man auch von anderen Herstellern, die mit Namens-Zusätzen wie „Alltrack“, „Cross Country“ oder „Scout“ sowie mit kleineren Fahrwerks-Veränderungen und Anbauteilen braven Familienautos mit Frontantrieb den Anschein von Offroad-Fahrzeugen zu geben versuchen. Als „Crossover“ (noch so ein Modewort) geistern sie durch die Designstudios. Bei Großstädtern mit Ferienhaus auf dem Land, Jägern und Naturliebhabern kommen sie recht gut an – sofern die sich nicht gleich für einen „Suff“ entscheiden.

Nun haben auch die Koreaner diese Klientel entdeckt – und dafür im Designstudio ein neues Kleid für sein Kompaktmodell Ceed stricken lassen, das in der so genannten Golf-Klasse bereits zahlreiche Punkte gesammelt hat. Mit einer zuverlässigen Technik und einer guten Verarbeitung, mit günstigen Preisen und, ja, einem sehr gefälligen Design, das dem Geschmack europäischer Kunden sehr entgegenkommt. Letzteres ist kein Wunder, steht doch dem Designstudio von Kia doch mit dem Bayern Peter Schreyer einer der aktuell weltbesten Autodesigner vor.

Aber mit Äußerlichen wollen wir uns hier nicht zu lange aufhalten – deshalb haben wir den Testwagen nicht geordert. Wir interessieren uns eher für die inneren Werte des XCeed – seinen Antrieb. Denn das kompakte Crossover aus Kombi und Coupe mit Anflügen von einem SUV gibt es seit kurzem auch als Plug-in hybridelektrisches Vehikel (PHEV). Dank einer großzügigen Förderung durch den Finanzminister erfreuen sich dieses Antriebskonzept derzeit einer wachsenden Beliebtheit. Doch im B-Segment sind die Teilzeitstromer mit Steckeranschluss derzeit noch eine rare Erscheinung. Mercedes bietet hier den A250e auf, Renault neuerdings den Kompakt-SUV Captur – das war es dann aber auch schon.

Ingenieurs-Technik vom Feinsten
Beim Plug-un Hybrid wurde ein Benzin-Direkteinspritzer mit einem Elektromotor, einer Lithium-Ionen-Polymer-Batterie und einem Doppelkupplungs-Getriebe zusammengespannt.

Die Koreaner hingegen schicken gerade eine ganze Flotte von PHEVs los, unter der Flagge von Kia und Hyundai. Eine intelligente Plattformstrategie liefert die technische Basis. Ob Kia XCeed, Kia Ceed Sportwaggon, Kia Niro oder Hyundai Ioniq – in der Ausführung PHEV sind stets die gleichen Antriebskomponenten an Bord: Ein 77 Kilowatt (105 PS) starker Benziner und ein 44,5 kW (60,5 PS) starker Elektromotor, gekoppelt an eine Lithium-Ionen-Polymer-Batterie mit einer Speicherkapazität von 8,9 Kilowattstunden (kWh) und verbunden über ein Sechsstufen-Doppelkupplungsgetriebe. Damit reißt man zwar keine Bäume aus, aber kommt sparsam und entspannt über Land. Rein elektrisch bis zu 58 Kilometer weit und theoretisch bis 120 km/h schnell.

Verbrauch hängt stark an der Fahrstrategie

Allerdings wird sich im Alltagsbetrieb kaum jemand elektrisch mit solchen Geschwindigkeiten über die Autobahn bewegen. Wozu auch? Sinnvoller ist es, bei schnellen Überlandfahrten durch Betätigung des „Drive Mode“-Schalters in den Sportbetrieb zu wechsel und den Verbrenner werkeln zu lassen. Um die Batterie zu schonen und den dort gespeicherten Stromvorrat für emissionsfreie Fahrten durch den Zielort aufzubewahren.

Ein Plug-in Hybrid, das lehren uns auch die Testfahrten mit dem XCeed, ist eine nicht nur eine technisch anspruchsvolle Antriebsform, sondern auch eine, die die Intelligenz des Fahrers fordert: Einfach losfahren und lustig Gas geben bis Strom und Sprit verbraucht sind, beschert Energieverbräuche, die weit jenseits der im Verkaufsprospekt genannten Werte (1,3 Liter Benzin und 11,3 kW Strom auf 100 Kilometer) liegen. Es gilt vielmehr, bei jeder Ruhepause, die wir dem Auto gönnen – daheim oder am Arbeitsplatz – das Ladekabel hervorzuholen und die Batterie ans Stromnetz zu hängen. Auf Fernfahrten macht das bei einer maximalen Ladeleistung von 3,3 kW zwar weniger Sinn.

Tasten-Flut
Zu schalten gibt es im XCeed jede Menge. In der Beziehung sind andere Hersteller schon weiter. Ob das Auto dadurch bedienerfreundlicher wird, muss jeder selbst entscheiden.

Aber die meiste Zeit des Jahres bewegen wir uns ohnehin auf kurzen Strecken, auf dem Weg zur Arbeit, zum Shopping Center oder ins Grüne vor der Stadt. Für solche Pendel- und Ausflugsfahrten reicht die Speicherkapazität des Akkus völlig aus. Erst recht bei vorausschauender Fahrweise und sensiblem Umgang mit dem Fahrpedal: Unterm Strich stand im Testbetrieb laut Bordcomputer ein Durchschnittsverbrauch über 100 Kilometer von 2,6 Liter Superbenzin und ein Stromverbrauch von 15 Kilowattstunden.

Die theoretische maximale Höchstgeschwindigkeit von 200 km/h im Hybrid-Modus haben wir dafür allerdings auch nicht zu erreichen versuchen. Zum einen, weil es der Verkehr nicht zuließ. Zum anderen aber auch, weil wir das lautlose Vorankommen mehr schätzten als das Dröhnen des Benziners unter Volllast. Und der kleine Direkteinspritzer kann ganz schön brummig werden, wenn man ihm im Sport-Modus mit dem rechten Fuß zusetzt.

Jede Menge Fahr-Assistenten

Ansonsten aber war der XCeed ein Aufenthaltsort mit viel Komfort. Das Doppelkupplungsgetriebe kann man in Ruhe werkeln lassen – es beherrscht die Schaltarbeit in hohem Maße. Und eine ganze Armee von Assistenzsystemen sorgt dafür, dass man sich weder um die optimale Ausleuchtung der Fahrbahn bei Nacht oder um den korrekten Abstand zum Vordermann im Stau kümmern muss – wird alles automatisch erledigt. Wer mag, kann sich sogar automatisch in Parklücken fahren lassen. Warum allerdings die elektrische Parkbremse vor jedem Fahrtantritt aufs Neue aktiviert werden muss, war dem Tester nur schwer zu vermitteln.

Nein, zu kritisieren gab es nur wenig. Etwa die Vielzahl der Tasten, mit denen die Funktionalitäten des Fahrzeugs gesteuert werden. Oder die Positionierung des Ladesteckers für die Batterie auf der Fahrerseite – dergleichen macht eigentlich nur in Ländern mit Linksverkehr Sinn. Und eine höhere Ladegeschwindigkeit wünscht man sich gelegentlich auch.

Für den Hausgebrauch
Eine Wallbox oder der Halt an einer öffentlichen Ladestation machen bei einer maximalen Ladegeschwindigkeit von 3,3 Kilowatt eigentlich wenig Sinn. Foto: Kia

Die Verarbeitungsqualität und die Güte der Materialien hingegen hat bei Kia inzwischen ein Niveau erreicht, von dem sich andere Hersteller aus Kostengründen wieder verabschiedet haben. Während Volkswagen seinen Golf „entfeinert“, haben die Koreaner noch eine Schippe drauf gelegt. Darüber reifte der XCeed zu einem feinen Landsitz mit bester Lage und schöner Aussicht: Sieben Jahre Garantie und obendrein sieben Jahre lang kostenfreie Updates für das Navigationssystem verheißen eine stressfreie Beziehung.

Knapp 8000 Euro Aufpreis für den E-Antrieb

Bei den Verkaufspreisen hat sich Kia allerdings den Wettbewerbern angenähert. Mit einem Einstiegspreis von gut 35.000 Euro rückt der XCeed PHEV schon recht nahe an einen „nackten“ Mercedes A250 e (36.944 Euro) heran, dem er – zumindest aus der Ferne – optisch durchaus nahe kommt. Als Plug-in liegt er damit rund 10.000 Euro über seinem vergleichbar starken Schwestermodell mit Doppelkupplungsgetriebe und Solo-Benziner.

Immerhin gibt es derzeit nicht nur einen Umweltbonus, sondern obendrein auch noch eine so genannte Innovationsprämie, wodurch sich der Kaufpreis für das Basismodell des Kia XCeed PHEV um 7210 Euro auf 27.872 Euro verringert. Steuerliche Vorteile gibt es nur, wenn das Auto als Dienstwagen genutzt wird. Man muss also genau abwägen, was einem der zusätzliche Elektroantrieb wert ist: Bis man die Verbrauchsvorteile herausgefahren hat, wird man bei den aktuellen Spritpreisen etliche Tausend Kilometer stromern müssen.

Aber schön ist er schon, dieser Landsitz mit Stromanschluss.

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