Mit dem Elektroauto von Oberstdorf im Allgäu nach List auf der Nordseeinsel Sylt? Ja, warum nicht: Going Electric veranschlagt für die 1024 Kilometer lange Strecke nicht einmal zwölf Stunden. Und mit einem VW ID.3 Pro S sollten drei Ladepausen reichen. Immerhin verfügt der Wagen über einen Akku mit 77 Kilowattstunden (kWh) Speicherkapazität. Obendrein kann das aktuelle Topmodell der ID.3-Familie von Volkswagen Gleichstrom mit bis zu 125 kW aufnehmen. Und entlang der A7 herrscht wirklich kein Mangel an Schnellladesäulen.

Statt einen halben Tag hat Rainer Zietlow, 51, indes für seine Reise mit dem Elektromobil durch Deutschland gleich zwei Monate eingeplant. Ende September startete der Leiter der Agentur Challenge4 in Oberstdorf, Ende November soll die Fahrt am nördlichsten Parkplatz Deutschlands, westlich von List auf Sylt enden. Und statt nur über 1024 wird die Fahrt mit dem ID.3 über insgesamt 20.000 Kilometer führen. Kreuz und quer durch Deutschland, von Oberstdorf nach Garmisch und weiter nach München und rauf bis nach Nürnberg, rüber nach Zwickau und vom dort nach Frankfurt, um über Stuttgart zurück nach Baden-Baden zu stromern. Wo sich der ID.3 gerade befindet und wohin er fährt, lässt sich live auf der Website der ID.3 Deutschland-Tour verfolgen.

Das Elektromobil scheint wie seinerzeit der legendäre Braunbär Bruno alias JJ1 durch die Landschaft zu irren. Doch tatsächlich ist die die Marathonfahrt sorgsam geplant. Ausgetüftelt wurde die Route am Institut für Transportlogistik (ITL) an der Technischen Universität Dortmund. Das Ziel: Eine möglichst effiziente Strecke entlang von 650 Stromtankstellen mit mehr als 60 kW Ladeleistung. Zum Beweis, dass Fahrer von Elektroautos keine Reichweitenangst mehr zu haben brauchen. Und zum Beleg, dass man mit dem VW-Ladeservice WeCharge bestens durch die Lande kommt.

Nachts an der Autobahn
Ladeplätze in dunklen Ecken und oft fernab vom Rasthof.

Insofern kam die Idee von „Marathon-Mann“ Zietlow zur Deutschland-Tour mit dem ID.3 Volkswagen wie gerufen: Eine Überprüfung des Ladenetzes und der Ladepartner mit eigenen Kräften wäre mit wesentlich mehr Zeit und Kosten verbunden gewesen, gibt ein VW-Manager freimütig zu.

An den Ladestationen, die der ID.3 anfährt, wird nun ermittelt, ob die Aktivierung des Ladeplatzes problemlos funktioniert, wie hoch die Ladeleistung ist und wie lange der Ladevorgang dauert. Die Daten wird Volkswagen später analysieren und anschließend zur Optimierung des Netzes nutzen.

Schwere Ladekabel an dunklen Plätzen

Aber auch für „Marathon-Mann“ Zietlow, der seit 2005 bereits zahlreiche Rekordfahrten mit Fahrzeugen aus dem Volkswagen-Konzern unternommen hat, ist die ID.3 Deutschland-Tour eine neue Erfahrung: Erstmals bewegt er ein Elektroauto. Vom ID.3 zeigt er sich sehr angetan: „Er fährt sich auch aufgrund seines tiefen Schwerpunkts sehr gut.“

Die Strompreise steigen, die Einspeisevergütungen sinken. Wer schlau ist, nutzt den selbst erzeugten Strom im eigenen Haus - oder Elektroauto. Energiespeicher

Zwiespältiger waren die Eindrücke, die er inzwischen an über 150 Ladeplätzen gesammelt hat. Die neuen HighPower Charger von Ionity und auch von EnBW arbeiteten problemlos, seien auch leicht zu bedienen – sofern man genügend Kraft hat, die schweren, gekühlten Kabeln bis zum Anschluss am Fahrzeug zu hieven.

Bei den anderen, meist älteren Stationen anderer Anbieter moniert Zietlow, dass die Displays meist zu klein und die Lesegeräte für die Ladekarte zu klein sind. Sein Hauptkritikpunkt ist aber die Platzierung der Ladesäulen in dunklen Ecken des Parkplatzes und meist auch weitab vom Rasthaus: „In der Dunkelheit möchte man da als Frau nicht stehen.“

Ansonsten kann er von keinen Pannen und Totalausfällen berichten. Reichweitenangst sei noch zu keinem Zeitpunkt aufgekommen. Aber die Tour hat ja auch erst gerade begonnen.

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2 Kommentare

  1. David Hauptmann

    Sowas ähnliches hab ich bereits vor 4 Jahren gemacht: Mit dem BMW i3 von Rotterdam nach Stuttgart. War etwas mühselig, damals in Deutschland (Niederlande schon 2017 super mit Schnellladern ausgerüstet), hat aber trotzdem gut gekappt. Ca. 2 h extra (8 statt 6 Stunden durch Ladepausen und langsameres Fahren), dafür aber sehr entspannt angekommen.

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  2. Thomas Werner

    Von Athen zum Nordkap, das hätte mein Interesse geweckt.
    Ich glaub da wird’s eng ohne Supercharger. Vor allem wieviel Karten zu welchen Preisen genutzt werden müssen.

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