Es muss nicht immer Kaviar sein. Handkäs‘ mit Musik tut’s auch. Ist genauso schmackhaft und sättigt auch viel besser. Genau so verhält es sich mit dem neuen Opel Frontera. Er ist nicht für glamouröse Auftritte an der Strandbar auf Sylt gemacht, sondern für die ganz alltäglichen Einsätze eines Familienautos. Etwa für die Fahrten zum Einkaufszentrum, zum Kindergarten oder zum Arbeitsplatz, solo oder mit bis zu sechs Passagieren. Und das Ganze zu einem halbwegs erschwinglichen Preis: Für das in Rüsselsheim entwickelte und im slowakischen Trnavan produzierten City-SUV von knapp 4,40 Metern Länge ruft Opel in der mildhybridisierten Version einen Basispreis von 23.900 Euro auf. Der Frontera Electric – der uns hier nur interessieren soll – ist nur 5090 Euro teurer. Und wer so viel nicht auf der hohen Kante hat oder aufbringen mag, kann den kleinen Stromer für lediglich 279 Euro im Monat bei einer Jahresfahrleistung von 10.000 Kilometern leasen.

"Edition" mit Stahlrädern 
In der Basisversion rollt der Frontera Electric auf 16-Zöllern, die gegen einen Aufpreis von 450 Euro wie das Dach weiß lackiert sind. Damit erinnert der neuzeitliche Frontera zumindest ein wenig an seinen rustikalen Ahnen aus den 1990er Jahren.
„Edition“ mit Stahlrädern
In der Basisversion rollt der Frontera Electric auf 16-Zöllern, die gegen einen Aufpreis von 450 Euro wie das Dach weiß lackiert sind. Damit erinnert der neuzeitliche Frontera zumindest ein wenig an seinen rustikalen Ahnen aus den 1990er Jahren.

Bei Opel haben sie sich mächtig ins Zeug gelegt, um den familienfreundlichen „Alltagshelden“ zu solch „mutigen“ Konditionen anbieten zu können. Vor allem, um mit der Elektro-Version unter der Schwelle von 30.000 Euro zu bleiben. Grundlage dafür war die neue Smart Car-Plattform von Stellantis, die eine Weiterentwicklung der Common Modular Platform (CMP) ist und sich für mehrere Antriebsarten eignet. Für einen reinen Batterieantrieb und Versionen ohne Stecker, bei denen ein Dreizylinder-Benziner mit einem kleinen Elektromotor zusammenarbeitet, damit in der Wohnsiedlung zumindest einige hundert Meter emissionsfrei zurückgelegt werden können. Das ist aber eher eine Feigenblatt-Lösung.

83 kW Spitzenleistung müssen erst mal genügen

Mit Blick auf die nochmals verschärften CO2-Flottenziele, die ab kommendem Jahr für die Autohersteller in Europa gelten, ist der Frontera Electric das wesentlich wichtigere Modell. Im ersten Schritt wird das Modell deshalb auch nur mit einem 44 kWh großen LFP-Akku angeboten, der für Reichweiten von bis zu 305 Kilometer gut sein soll. Bei unserer ersten Testfahrt auf Mallorca unter idealen Wetterbedingungen kamen wir auf einen Durchschnittsverbrauch von um die 20 kWh – das spräche eher für eine Reichweite im Alltagsverkehr von etwas mehr als 200 Kilometer. Das könnte für den einen oder anderen Interessenten zu knapp bemessen sein. Deshalb soll im kommenden Jahr noch eine (vermutlich stärkere) „Long Range“-Version nachgeschoben werden, die bis zu 400 Kilometer in einem Rutsch schaffen sein. Wie groß der Akku hier ist, mag Opel uns noch nicht verraten – wir tippen mal auf eine Kapazität um die 58 kWh.

Opel-Gesicht
Der schwarze Vizor mit dem neuem Opel-Blitz im Zentrum integriert bei der GS-Version die LED-Scheinwerfer in das Markengesicht. Den robusten Stand des Frontera verstärken schwarze Schweller und ausgestellte Radkästen. Foto: Dani Heyne für Opel
Opel-Gesicht
Der schwarze Vizor mit dem neuem Opel-Blitz im Zentrum integriert bei der GS-Version die LED-Scheinwerfer in das Markengesicht. Den robusten Stand des Frontera verstärken schwarze Schweller und ausgestellte Radkästen. Foto: Dani Heyne für Opel

Für den Vortrieb sorgt im Frontera Electric eine E-Maschine mit der Kennung M2, die aus China stammt und gerade einmal eine Höchstleistung von 83 kW oder 113 PS hat. Da ist der kleinere, aber mit einem Basispreis von 36.740 Euro auch teurere Opel Mokka Electric (115 kW) deutlich kräftiger motorisiert. Eine sportliche Fortbewegung ist diesem Stromer fremd, Überholmanöver auf der Landstraße wollen deshalb sorgsam geplant sein. Und die Höchstgeschwindigkeit von 143 km/h reicht auf der Autobahn nur fürs Mitschwimmen.

Kompaktes Raumwunder

Dafür glänzt der Frontera an anderen Stellen. Beim Fahrkomfort – und vor allem beim Platzangebot für Insassen und Gepäck. 460 Liter passen bei voller Bestuhlung in den Kofferraum, bei umgeklappter Rücksitzbank passen bis zu 1600 Liter rein. Da kommt der kleine Mokka (310/1060 Liter) nicht mit. Zumal sich bei dem in der zweiten Sitzreihe nur Kinder und Jugendliche auf längeren Strecken wohl fühlen. Im Frontera finden hinten auch Erwachsene ordentlich Knie- und Kopffreiheit vor. Einziges Manko: Die aufgrund des flach bauenden Akkus recht niedrige Sitzbank bietet den Oberschenkeln kaum eine Auflage.

Gut in der Hand 
Mit der Abstimmung von Fahrwerk und Lenkung haben sie sich beim Opel Frontera viel Mühe gegeben: Das Auto liegt satt auf der Straße und lässt sich leicht wie zielsicher dirigieren, ohne dass der hohe Fahrkomfort leidet. Foto: Dani Heyne für Opel
Gut in der Hand
Mit der Abstimmung von Fahrwerk und Lenkung haben sie sich beim Opel Frontera viel Mühe gegeben: Das Auto liegt satt auf der Straße und lässt sich leicht wie zielsicher dirigieren, ohne dass der hohe Fahrkomfort leidet. Foto: Dani Heyne für Opel

Vorne hingegen können sich Fahrer und Co-Pilot in der GS-Version oder gegen Aufpreis von 1000 Euro für das Komfort-Paket über die innovativen „Intelli-Seats“ freuen, die mit einer mittig in der Sitzfläche verlaufenden Vertiefung spürbar den Allerwertesten entlasten und guten Langstrecken-Komfort bieten. Die noch aufwendigeren, AGR-zertifizierten Ergonomie-Sitze aus Astra und Grandland hat sich Opel hier sparen müssen – das Budget gab die Lizenz-Gebühren nicht her.

Rotstift hinterließ Spuren

Ohnehin haben die Entwickler an allen Ende und Ecken sparen müssen, um den günstigen Kaufpreis hinzubekommen. So rollt die Einstiegsversion „Edition“ nur auf 16 Zoll großen Stahlfelgen. Und statt des zehn Zoll großen zentralen Touchscreens der GS-Ausführung (ab 32.490 Euro) gibt es serienmäßig nur eine Halterung für das Smartphone, das sich über eine App aber immerhin mit dem Fahrzeug verbinden lässt, so dass bei der Ladeplanung auch der Füllstand des Akkus berücksichtigt werden kann. Skurril statt smart mutet hingegen an, dass zum Starten des Elektroantriebs nach Altväter Sitte noch an der Lenksäule ein Zündschlüssel gedreht werden muss.

Simply Clever 
Mithilfe eines Gummibandes lässt sich ein iPad sicher auf der Mittelkonsole fixieren. Die Sicht auf das Smartphone in der Ladeschale dahinter ist dann allerdings verdeckt. Skurril: Gestartet wird der Antrieb des Frontera Electric mit einem Dreh des Zündschlüssels.
Simply Clever
Mithilfe eines Gummibandes lässt sich ein iPad sicher auf der Mittelkonsole fixieren. Die Sicht auf das Smartphone in der Ladeschale dahinter ist dann allerdings verdeckt. Skurril: Gestartet wird der Antrieb des Frontera Electric mit einem Dreh des Zündschlüssels.

Dass die Entwicklung des Fahrzeugs unter dem Diktat des Rotstifts stand, merkt man noch an vielen anderen Stellen. Am reichlichen Einsatz von Hartplastik im Innenraum und am Verzicht an Haltegriffen vorne rechts oder Kleiderhaken beidseitig hinten. Am Verzicht auf eine Wärmepumpe oder am OnBoard-Charger, der serienmäßig nur einphasig mit 7,4 kW lädt – wer seine Wallbox daheim mit 11 kW laden möchte, zahlt 400 Euro Aufpreis. Der Bordcomputer der Hybrid-Version zeigt den durchschnittlichen Benzinverbrauch an – im Stromer wird nur die Reichweite angezeigt, den Verbraucht muss man sich selbst ausrechnen.

25.000-Euro-Stromer folgt später

Dafür haben die Entwickler an anderen Stellen gute Arbeit geleistet. Etwa bei der Abstimmung von Fahrwerk und Lenkung. Bodenwellen federt der Frontera wunderbar aus ohne dass die Karosserie ins Wanken und Wippen kommt. Und die Lenkung reagiert zügig auf jede Richtungsänderung. Dass sie um die Mittellage bei höheren Geschwindigkeiten etwas schwammig anmutet – geschenkt. Darüber machen sich nur Motorjournalisten Gedanken. Erfreulich ist hingegen das niedrige Geräuschniveau im Innenraum und die gute Verarbeitung: Weder knarzte unser Testwagen im Gebälk noch waren auf der Autobahn laute Windgeräusche vernehmbar. Hier stimmt alles. Ebenso wie bei der Ausstattung des Fahrzeugs mit Assistenzsystemen. Zum Abschalten des nervigen Tempowarners gibt es sogar einen separaten Knopf am Armaturenträger.

Ohne Netz, aber mit doppeltem Boden 
Das Platzangebot im neuen Frontera ist enorm. Das gilt auch für das Gepäckabteil. Die Hybridversion lässt sich sogar mit sieben Sitzplätzen ordern. Beim Elektriker verhindert das die Batterie im Fahrzeugboden.
Ohne Netz, aber mit doppeltem Boden
Das Platzangebot im neuen Frontera ist enorm. Das gilt auch für das Gepäckabteil. Die Hybridversion lässt sich sogar mit sieben Sitzplätzen ordern. Beim Elektriker verhindert das die Batterie im Fahrzeugboden.

Deutschland-Chef Patrick Dinger setzt große Hoffnungen auf das kompakte SUV, der die Lücke zwischen dem Mokka und dem Topmodell Grandland schließt. 20 Prozent der Fahrzeuge würde er gerne in der Electric-Version verkaufen, auch um schnell die neuen, nochmals strengeren CO2-Flottenziele der EU zu erreichen, die für Opel einen Schnitt von 94 Gramm pro Kilometer vorsehen. Aktuell sollen die Opel-Modell im Schnitt noch etwa 120 Gramm CO2 pro Kilometer emittieren.

Da muss sich also noch viel bewegen. Vor allem in Deutschland, wo die Autokäufer nach dem abrupten Ende der staatlichen Förderung von Elektroautos schwer verunsichert sind und die E-Auto-Skeptiker wieder Oberwasser bekommen haben. Opel will dagegen im Frühjahr – ähnlich wie Volkswagen – mit einer breitangelegten Info-Kampagne angehen. Und gegen Ende des Jahres mit einem Elektroauto für knapp unter 25.000 Euro auf den Markt kommen. Wir drücken die Daumen.

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