Wenn Italien gegen Kroatien Fußball spielt, geht es meistens sehr hitzig zur Sache. Jetzt gibt es das Duell der beiden Nationen auch auf dem Asphalt, auf dem der Rimac Nevera gegen den Pininfarina Battista antritt. Die beiden E-Hypersportler sind technisch eng verwandt, denn die Plattform stammt von den Kroaten und die Italiener – seit 2015 im Besitz der indischen Mahindra-Gruppe – nutzten die Technik, um den Sportler eine besondere Note zu verleihen. Beim Namen ist das keine große Kunst: Pininfarina Battista klingt per se schon nach Grandezza und stilsichere Automobil-Tradition: Benannt ist das Fahrzeug nach dem Firmengründer und Karosseriebauer Battista „Pinin“ Farina (1893-1966).

Das spiegelt sich dann auch im Design wider, bei dem die Italiener mehr auf geschwungenere Formen setzen als beim eher kantigen kroatischen Verwandten. Die kommen zumindest im Heimatland des vollelektrischen Hypersportlers gut an. Beim diesjährigen Concorso d’Eleganza Villa d’Este hat der Pininfarina Battista schon einmal einen Designpreis abgeräumt.

Elektrischer Wirbelwind 
Nicht nur auf der Rennstrecke, sondern auch auf italienischen Landstraßen machte der vollelektrische Pininfarina Battista bei der ersten Ausfahrt "bella figura". Bis zur ersten Auslieferung ist nur noch etwas Feinarbeit am Fahrwerk erforderlich. Fotos: Pininfarina
Elektrischer Wirbelwind
Nicht nur auf der Rennstrecke, sondern auch auf italienischen Landstraßen machte der vollelektrische Pininfarina Battista bei der ersten Ausfahrt „bella figura“. Bis zur ersten Auslieferung ist nur noch etwas Feinarbeit am Fahrwerk erforderlich. Fotos: Pininfarina

Das passt auch zum GT-Konzept des Battista, wonach der Kraftprotz auch eine komfortable Seite haben darf. Die beiden Technik-Brüder geben sich bei den Muskeln, Gewicht und Preis nicht viel. Die vier Elektromotoren des Battista leisten maximal 1.400 kW (1.900 PS). Das sind 9 kW oder 12 PS weniger als beim Nevera – und das bei dem identischen maximalen Drehmoment von 2.360 Newtonmetern. Da das Gewicht mit knapp 2.2 Tonnen ebenfalls fast identisch ist, dürfte es auch beim Sprint von null auf 100 km/h keinen Sieger geben.

Unikate für wenigstens 1,98 Millionen Euro

Pininfarina legt die Karten noch nicht auf den Tisch. „Unter zwei Sekunden“ heißt es kryptisch. Beim Rimac sind es ganz offiziell 1,85 Sekunden. Bei der Höchstgeschwindigkeit hat der Kroate mit 412 km/h gegenüber 350 km/h nominell die Nase vorne. Beim Verkaufspreis herrscht hingegen wieder Gleichstand: Zwei Millionen Euro kostet der Rimac Nevera, ab 1,98 Millionen Euro der Pininfarina Battista. Das „ab“ ist hier wichtig, denn der Gestaltungsfreude der Kunden sind keine Grenzen gesetzt. „Jeder Battista ist ein Unikat“, sagt CEO Per Svantesson. Und nach einer Produktion von 150 Exemplaren ist Schluss.

Rimac Nevera Knapp 2.000 PS machen den Nevera zum schnellsten Elektro-Sprinter der Welt. Nur 50 Exemplare des Hypercars werden gebaut - und für zwei Millionen Euro verkauft. Elektroauto

Etwa im April des nächsten Jahres sollen die ersten Modelle ausgeliefert werden. Bis dahin feilen die italienischen Ingenieure noch an der Abstimmung der Systeme. „Von der Hardware her ist das Auto fertig“; erklärt Chefingenieur Paolo Dellachà. Die fehlenden Feinschliff-Prozente werden beim Dauerfeuern auf der Rennstrecke deutlich: Die Brembo CCMR (Carbon-Keramik)-Bremse könnte feiner dosierbar sein, die Eingriffe der Fahrdynamikregelung erfolgen noch etwas zu abrupt und beim harten Verzögern wird das Heck zu lebendig und droht auszubrechen.

Brutale Beschleunigung aus dem Stand

„Bis zur Auslieferung haben wir diese Probleme ausgemerzt“, verspricht Dellachà. Deswegen wird der ehemalige Formel-1-Fahrer und Formel E/Mahindra-Racer Nick Heidfeld in nächster Zeit Extra-Schichten schieben. Auch an der Aerodynamik wird noch getüftelt. „Das ist ja eine Pininfarina-Tradition“, weiß Per Svantesson. Und Nick Heidfeld ergänzt: „Die Kühlung ist zu gut, da können wir noch was machen!“

Drei Minitore und ein Lenkrad 
Eher spartanisch ist das Cockpit des Elektro-Sportlers eingerichtet: Der Fahrer soll sich ganz auf die Straße lonzentrieren können.
Drei Minitore und ein Lenkrad
Eher spartanisch ist das Cockpit des Elektro-Sportlers eingerichtet: Der Fahrer soll sich ganz auf die Straße lonzentrieren können.

Was sich aber nicht verändern wird, ist die unglaubliche Geschwindigkeit, mit der die vier E-Maschinen das rollende Projektil die Start-Ziel-Gerade auf dem Circuito Tazio Nuvolari nach vorne katapultieren. Während man atemlos auf den Bremspunkt zustürmt, klettern die Stundenkilometerzahlen im Zehntelsekundenstakkato nach oben. Beeindruckend! Brachial! Brutal!

Gran Turismo der besonders schnellen Art

Auf öffentlichen Straßen gibt der Battista ein deutlich ausgereifteres Bild ab. Die Lenkung ist präzise und erzählt freudig, wie es um die Kontaktfreude der vier Räder steht. Das Einlenken in schnellen Kurven hat uns schon auf der Rennstrecke gefallen, auf der Landstraße agiert der Battista völlig problemlos. Da helfen die fast perfekte Achslastverteilung von 48 Prozent vorne zu 52 Prozent hinten, der tiefe Schwerpunkt sowie die Tatsache, dass die Elastokinematik also unter anderem die Gummilager der Radaufhängung an der Vorderachse und vor allem der Stabilisator steifer ausgelegt sind als beim Rimac.

Der stabilere Vorderwagen zahlt zusammen mit dem Carbonfaser-Monocoque nicht nur in den Kurveneingang, sondern auch in den Komfort ein. Der Battista soll ja ein GT sein, also ein Gran Turismo was so viel bedeutet wie große Reise. Um dieses Attribut zu erfüllen, sollte man sich nicht nach 200 Kilometern durchgeschüttelt mit steifem Rücken aus den Rennsitzschalen schälen.

Von wegen 500 Kilometer Reichweite 
Wer den Battista ordentlich fordert, kommt mit einer Ladung der 120 kWh großen Batterie nur etwa 150 Kilometer weit, zeigt der Blick auf den Bordcomputer. Immerhin wird der Akku mit einer maximalen Ladeleistung von 290 kW schnell wieder geladen
Von wegen 500 Kilometer Reichweite
Wer den Battista ordentlich fordert, kommt mit einer Ladung der 120 kWh großen Batterie nur etwa 150 Kilometer weit, zeigt der Blick auf den Bordcomputer. Immerhin wird der Akku mit einer maximalen Ladeleistung von 290 kW schnell wieder geladen

Apropos Reichweite. Die 120 kWh große Batterie bringt den Pininfarina Battista (theoretisch und bei maximal Tempo 130) bis zu 500 Kilometer weit. Und bei der Ladeleistung von 250 Kilowatt sind die Energiespeicher dank der 800 Volt-Ladetechnik in nur 25 Minuten von 20 auf 80 Prozent gefüllt. Passend zum Auto wird auch die Heim-Wallbox in der entsprechenden Farbe lackiert.

Der Pininfarina Battista bietet fünf Fahrmodi an: Calma (ruhig), Pura (pur), Energica (dynamisch), Furiosa (rasant) und Carattere (Charakter), bei dem verschiedene Einstellungen individuell gewählt werden können. Dass ein Elektro-Hypersportler mit einem Gewicht von 2,2 Tonnen und 1.900 kW Leistung kein ausgewiesener Langstrecken-Passagiertransporter ist, dürfte jedem klar sein.

Fahrspaß in fünf Modi

Aber in Calma und Pura geht das Fahrwerk möglichst rücksichtsvoll mit den Passagieren um. Wobei bei Calma die Karosserie etwas nachwippt, und wir deswegen Pura bevorzugen. Zumal der Battista in Calma mit 300 kW (408 PS) nur 21 Prozent seiner Leistung und mit 1.180 Nm nur die Hälfte des Maximaldrehmoments von 2.360 Nm bereitstellt. Auch die Umsetzung der Befehle des Fahrspedals findet in dem Modus vergleichsweise zurückhaltend statt.

Je mehr man am Fahrspaß-Knopf dreht, desto mehr geht auch die Fahrleistung nach oben: Pura: 745 kW (1.013 PS), 1.416 Nm; Energica: 1.000 kW (1.360 PS) und 1.888 Nm. Und bei Furiosa bricht mit 1.400 kW (1.900 PS und 2.360 Nm die Hölle los und der Battista wird zur Bestie, die man sehr entspannt zähmen kann. Allerdings lässt man schon mit Energica alles stehen, was sich auf der Straße bewegt. So geschehen auf dem Beschleunigungsstreifen zur Autobahn, als ein ambitionierter Fahrer eines deutschen Premiumproduktes auf der linken Spur es unbedingt wissen wollte, aber selbst auf dieser kurzen Strecke keine Chance hatte.

Macht hoch die Tür 
Wie der Rimac Nevera verfügt auch der Pininfarina Battista über große Flügeltüren, die sich spektakulär öffnen. Foto: Pininfarina
Macht hoch die Tür
Wie der Rimac Nevera verfügt auch der Pininfarina Battista über große Flügeltüren, die sich spektakulär öffnen. Foto: Pininfarina

Im Battista blickt ohnehin nicht zurück. Und falls doch, wird das Bild im großen Rückspiegel von einer Kamera gespeist. Daran gewöhnt man sich schnell, weil die Sicht nach hinten ansonsten ziemlich mäßig ist. Das Cockpit besteht aus jeder Menge Carbon, zwei Sitzschalen und drei Monitore, wovon zwei wie ein V auf den Fahrer ausgerichtet sind. In der Mitte befindet sich eine Art senkrecht stehendes Smartphone, auf dem die aktuelle Fahrgeschwindigkeit angezeigt wird.

Pure Elektro-Fahrmaschine

Außer einer Klavierleiste unterhalb des Hauptmonitors ist das Interieur des Flügeltürers ziemlich entschlackt. Der Battista ist eine reine Fahrmaschine, ohne Schi-schi oder Internet-Gedöns. Zum Beispiel stellt man den Sitz über einen kleinen Bildschirm am Lenkrad ein. Der Fahrmodus- und der Automatikdrehknopf befindet sich links und rechts leicht unterhalb des Lenkrads und ragen in die Fahrgastzelle hinein. Die ungewöhnliche Lösung stört kein bisschen, das Lenken und Rangieren ist damit problemlos möglich. Ganz im Gegenteil: Das metallische Klicken beim Betätigen des Fahrmodusknopfes gefällt uns. Auch an die Bedienung gewöhnt man sich schnell, zumal auch im kleinen Cockpit Monitor das Fahrprogramm deutlich benannt und zudem farbig untermalt wird.

Man merkt den Indo-Italienern an, alles etwas anders machen zu wollen. Gott sei Dank driftet der Unterscheidungsdrang nicht zu sehr in die Verspieltheit ab. Zumal die passende Sitzplatzposition auch auf diese Art schnell gefunden ist, man auch als kräftiger Nicht-Italiener in den Carbonschalen bequem Platz findet und auch der Kopf dem Dach zumindest nicht allzu nahekommt.

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