Auf Bürgermeisterin Anne Hidalgo sind viele Menschen in Paris gerade nicht gut zu sprechen. Die grüne Politikerin hat bereits komplette Straßen für Autos gesperrt, die Zahl der Parkplätze drastisch reduziert und in der Innenstadt kürzlich flächendeckend Tempo 30 eingeführt. Um die Luft und die Verkehrssicherheit in der Stadt zu verbessern, sollen bald auch Taxen und Mietwagen nur noch mit Elektroantrieb in die City kommen, Geschäfte in der Innenstadt nur noch mit elektrischen Kleinlieferwagen und Lastenrädern beliefert werden können – und Parkplätze in großem Stil in Grünflächen umgewandelt werden.

„Autofahren macht keinen Spaß mehr in meiner Stadt“, sagt ein hochrangiger Renault-Manager. Er wohnt in der Innenstadt, braucht aber aufgrund einer Sperrung der Straße vor einer benachbarten Grundschule eine halbe Stunde, um zu seinem privaten Auto zu gelangen, für das er in einem Wohnblock zwei Straßen weiter einen Tiefgaragenplatz angemietet hat.

Neue Geschäftsmodelle jenseits des Automobilbaus

Und die Luft für den konventionellen Autoverkehr dürfte in den kommenden Jahren noch dünner werden – nicht nur in Paris. Auch in Berlin diskutieren grüne und linke Politiker eine autofreie Innenstadt und Zulassungsbeschränkungen für den motorisierten Individualverkehr, auch eine drastische Reduzierung der Parkplätze nicht nur am Straßenrand: Da braucht ein Autohersteller nicht nur neue Elektroautos, sondern auch neue Geschäftsmodelle.

Perfektes Elektro-Taxi“
Den chinesischen Ezoom Yi will Gilles Normand ab kommendem Jahr Taxiunternehmen in Europa unter der neuen Marke MOBILIZE kostengünstig zur Miete oder im Abo anbieten. Was später mit den Autos passiert, ist noch offen.

Renault hat bereits reagiert. Auf der IAA stellte der französische Autobauer mit dem Mégane E-Tech und dem Prototyp des Renault R5 E-Tech nicht nur eine neue Generation von Elektroautos vor, sondern präsentierte mit der Marke MOBILIZE auch ein Geschäftsmodell für eine neue Ära, in der sich individuelle Mobilität zumindest in der Stadt nicht mehr auf Elektroautos in Privat- sondern in Gemeinbesitz stützt. Also auf Fahrzeuge, die in Ridehailing-Diensten und im Carsharing eingesetzt werden.

Renault hat dafür unter anderem eigens vier Elektroautos entwickelt bzw. bauen lassen – das zweisitzige Leichtfahrzeug „Duo“ für Personentransporte in Sharing-Systemen wie „Zity“, das bereits in Paris und Madrid zum Einsatz kommt; den vollelektrischen Kleintransporter „Bento“ für Paket- und Pizzadienste sowie Lieferverkehre in Innenstädten. Und bei Ladevolumen von bis zu drei Kubikmetern und einer Traglast von bis zu 200 Kilogramm soll in Paris und anderen Großstädten künftig „Hippo“ zum Einsatz kommen, ein elektrischer Kleinlaster mit Container-Aufbau. Zu kaufen sein wird keines der drei Fahrzeuge – gezahlt werden soll allein für die Nutzung der Vehikel.

Das gilt auch für das vierte Modell, das jetzt auf der IAA Mobility präsentiert wurde – eine elektrische Stufenheck-Limousine mit 450 Kilometern Reichweite für den Einsatz in Taxidiensten. Erwartet hätte man, dass Renault für solche Zwecke ein Auto aus der eigenen Produktfamilie konfektioniert hätte. Statt dessen aber wird nun ab Juli kommenden Jahres den 4,62 Meter langen und 110 kW starken Ezoom Yi des chinesischen Partners Jiangling Motors Group nach Europa importiert – und hier als MOBILIZE Limo zur Miete angeboten angeboten. Für wenige Tage, Wochen oder mehrere Monate – ganz, wie es dem Kunden beliebt.

Organisiert werden sollen die Einsätze von MOBILIZE-Managern in Kooperation mit den Renault-Niederlassungen und -Händlern. Die sollen bei dem neuen Geschäft, von dem sich der Konzern bis 2030 einen Anteil am Gesamtumsatz von „wenigstens 20 Prozent“ (manche sprechen auch schon von 30 Prozent)verspricht, schließlich nicht außen vor bleiben. Und irgendwer muss sich schließlich auch um den Service für die neuen Fahrzeuge kümmern.

Große Pläne mit einer neuen Mobilitätsmarke
Bis 2030 will Clotilde Debos mit der neuen Marke MOBILIZE zwischen 20 und 30 Prozent zum Konzernumsatz beitragen

Wie das alles organisiert werden soll und was mit den Fahrzeugen am Ende ihrer Laufzeit passieren soll, wurde bei der Präsentation des neuen Fuhrparks in München noch nicht so klar. Gilles Normand, der früher für die Elektroautos von Renault verantwortlich war und nun das Fahrzeuggeschäft von MOBILIZE leitet, sprach von einem „Mosaik an Dienstleistungen“, das sich erst entwickeln müsse.

Und auch Clotilde Delbos, die CEO von MOBILIZE und Finanzchefin von Renault, äußerte sich nur vage zu den Investments in die neue Marke und die konkreten nächsten Schritte. Wo der MOBILIZE Limo-Service im kommenden Jahr erstmals eingesetzt wird, scheint noch ebenso offen zu sein wie die ersten Einsatzgebiete für „Bento“ und „Hippo“. Fest steht immerhin, dass der Sharing-Service Zity in Paris und Madrid künftig statt der Zoe den Duo einsetzen wird. Und ja, auch in Deutschland werde MOBILIZE bald Angebote machen, vielleicht in Berlin – „die Gespräche laufen noch“.

Aber erst einmal soll das Angebot in Paris ausgebaut werden. Dort werden wahrscheinlich auch die ersten 40 Exemplare des EZoom Yi im „Limo“-Service zum Einsatz kommen – Bürgermeisterin Hidalgo würde es sicher freuen.

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