2020 sollte das Jahr werden, in der die Verkehrswende auch in Deutschland Fahrt aufnimmt und die Ära der Elektromobilität beginnt – mit einer Vielzahl neuer Fahrzeuge, mit neuen Ladelösungen und neuen Geschäftsmodellen. Die Erhöhung des Umweltbonus war ein guter Anfang: Seit Ende Februar fördern Bundesregierung und Autohersteller die Anschaffung von Batterieautos und Hybridfahrzeuge mit Steckern mit Prämien von bis zu 6000 Euro. Die Maßnahme zeigte auch schnell Wirkung: Im März stiegen nach Angaben des Kraftfahrtbundesamtes die Neuzulassungen von Elektroautos um 104 Prozent, die Anträge auf Zahlung des Umweltbonus um 119 Prozent. Nach langer Flaute hat das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa) nun größte Mühe, die Anträge zügig zu prüfen und Fördersummen auszuzahlen: Auch diese Behörde blieb von der Corona-Krise nicht verschont.
Die Auswirkungen der Seuche, die Folge von Reiseverboten und Ausgangssperren, zeigen sich aber an anderer Stelle: An den Ladesäulen für Elektroautos: Um bis zu 70 Prozent ging hier in den vergangenen Wochen die Zahl der Ladevorgänge zurück. Besonders betroffen waren die Schnelllader entlang der Autobahnen. Deren Zahl ist in den vergangenen Monaten ebenfalls stark gestiegen – die Energieversorger und Mobility Service-Provider (MSP) wollten schließlich teilhaben an der Verkehrswende und profitieren von der Flut der Elektroautos, die da kommen sollte.
Die verzögert sich nun wegen der Corona-Krise ein wenig: Die Autofabriken stehen still, die Autohäuser sind geschlossen. Die Lieferzeiten für Elektroautos werden sich deshalb massiv verlängern. Die Zeit wollen wir nutzen, um einen Blick auf die Ladeinfrastruktur zu werfen. Wie gut ist sie inzwischen, wo hapert es noch? Vom Leben mit dem Strom in Zeiten des Umbruchs.
Kein Grund mehr für Reichweitenangst
Reichweitenangst? Thoralf Will aus Regensburg lächelt nur müde. Ja, davon hat der IT-Ingenieur schon gehört. Aber sie auf seinen Fahrten kreuz und quer durch Europa noch nie persönlich erlebt. Weder mit dem Hyundai Ioniq, den er mehr als 65 000 Kilometer bewegte, noch mit dem Hyundai Kona, der darauf folgte. Und schon gar nicht mit dem Tesla Model 3, das inzwischen in seiner Garage steht. „Reichweitenangst“, lästert er, „haben nur Leute, die nicht elektrisch fahren.“ Wer seinen Stromer erst einmal ein paar Wochen bewegt habe, wisse sehr genau, wie weit einen die Batterie trägt – und wie er eine Reise so plant, dass immer genügend Energie an Bord ist. Selbst eine Urlaubsreise von Regensburg nach Dänemark bereitet Will längst keinen Stress mehr – „nur Genuss“.
Hansjörg von Gemmingen ist praktisch permanent mit seinem Elektroauto unterwegs, in Deutschland und Europa. Sogar bis China ist er mit seinem Tesla Model S schon gekommen. Fast unglaubliche eine Million Kilometer hat der Devisenhändler aus Karlsruhe abgespult.
Elektroautos sind durchaus langstreckentauglich
Elektroautos sind nur etwas für den Stadtverkehr, sind nicht alltagstauglich und halten nicht lange? Denkste, der stromernde Edelmann hat längst alle Vorurteile widerlegt. Als er sich 2008 sein erstes Elektroauto zulegte, einen Tesla Roadster, gab es in Karlsruhe keine einzige öffentliche Ladesäule. Reichweitenangst war deshalb damals durchaus ein Thema, wie er zugibt. Zumal der kleine Tesla nur einphasig Strom laden konnte, Ladevorgänge sich deshalb lange hinzogen. Inzwischen gibt es in Karlsruhe über 18 Ladestationen, darunter sogar einige besonders schnelle der EnBW, an denen sich mit bis zu 100 Kilowatt (kW) Leistung Gleichstrom ziehen lässt.
Auch außerhalb der Städte, entlang der Fernstraßen und Autobahnen, hat sich eine Menge getan, vor allem in den vergangenen zwei Jahren. „Von der öffentlichen Wahrnehmung weitgehend unbeachtet, hat der Ausbau der Ladeinfrastruktur in Deutschland in den vergangenen Jahren nachhaltig Fahrt aufgenommen“, weiß Ludwig Hohenlohe, der Geschäftsführer von Theon Data.
Das Münchner Analysehaus betreibt zusammen mit den E-Mobility-Spezialisten von Cirrantic einen „Charging Radar“, der die Daten aus dem europäischen Ladenetz auswertet. Demnach sind hierzulande alleine vergangenes Jahr gut 14 000 neue Ladepunkte errichtet worden, ein Plus von rund 60 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Die Zahl der Standorte mit High Power Chargern (HPC), an denen Stromer dank Ladeleistungen von bis zu 350 kW ihre Akkus besonders schnell füllen können, hat sich sogar fast verdreifacht.
Viele Hinweisschilder fehlen noch
Das Problem: Die Säulen schießen schneller aus dem Boden, als die Bauämter Schilder malen können. Die Fortschritte beim Ausbau der Ladeinfrastruktur werden so nicht gleich sichtbar, weder für die Elektromobilisten noch für andere Verkehrsteilnehmer. Wer nicht lange suchen will, muss deshalb weiterhin zum Handy greifen. Über eine App wie etwa Moovility erfährt man dann nicht nur, wo der nächste Ladeplatz ist, sondern auch, ob dieser frei ist – und welcher Energieversorger dort die besten Konditionen bietet.
Suche nach dem richtigen Preismodell
Dies sind wichtige Infos für die Reiseplanung. Denn noch schneller als die Zahl der Ladesäulen wächst inzwischen der Bestand an E-Autos. Beim Verband der Automobilindustrie (VDA) rechnet der E-Mobilitätsexperte und BMW-Manager Claas Bracklo allein in diesem Jahr mit der Neuzulassung von „locker“ 200 000 weiteren Elektroautos. Auch wenn die meisten davon weiter in der heimischen Garage Strom fassen, mag es dennoch vor einem der Lade-Hotspots an der Autobahn (siehe links) zu Wartezeiten kommen.
Der VDA macht deshalb Druck, dass in diesem Jahr weitere 20 000 Schnelllademöglichkeiten entstehen. Und Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer will möglichst bald 1000 High Power Charger mit einer Ladeleistung von wenigstens 150 kW installiert sehen – aktuell gibt es davon laut Cirrantic nur 384 Stationen. Hinzu kommen die 76 exklusiven Supercharger von Tesla, die Will und von Gemmingen vorzugsweise aufsuchen. Der Kilometer-Millionär bekommt den Strom als Besitzer eines älteren Fahrzeugs hier noch kostenlos. Model-3-Neuling Will zahlt an den Superchargern hingegen 33 Cent pro Kilowattstunde (kWh) – und fährt damit günstig.
Denn an den HPC-Säulen von Ionity kann es deutlich teurer werden: 79 Cent pro kWh müssen dort all jene Automarken zahlen, die nicht dem Ionity-Konsortium (BMW, Daimler, der VW-Konzern, Ford und Hyundai) angehören. Da gilt es, sich vor Reisebeginn einen Anbieter herauszusuchen, der auch an fremden Säulen – Stichwort Roaming – günstige Konditionen bietet.
Wegen der hohen Investitionen in die Hochvolt-Technik ist der Gleichstrom an den Schnellladern der meisten Anbieter inzwischen deutlich teurer als der Wechselstrom für den Betrieb einer Kaffeemaschine daheim. Experten erwarten aber, dass die Preise ähnlich wie die Prepaid-Tarife für das mobile Surfen im Internet wieder sinken, wenn aufgrund des steigenden Bestands an E-Autos die Zahl der Ladevorgänge und damit der Wettbewerb wächst.
Warten auf Plug & Pay
Aber zugegeben: Perfekt ist das System noch nicht. Ideal wäre ein System, bei dem der E-Mobilist Strom ohne umständliche Anmeldeverfahren laden und bezahlen kann. Plug & Charge heißt das Zauberwort: Die Supercharger von Tesla sowie die Lader des niederländischen Anbieters Fastned erkennen das Auto, sobald es angestöpselt wird. Der Strom fließt dann auf Knopfdruck.
Noch sind das Insellösungen. Ändern soll sich das mit der ISO-Norm 15118, einem neuen weltweiten Kommunikationsstandard, an dem seit 2014 gearbeitet wird. In Hamburg nutzen ihn bereits 44 Ladesäulen von ABB. Und beim Porsche Taycan, Audi e-tron und Smart EQ sind die Zertifikate für die sichere Authentifizierung des Autos und Autorisierung der Bezahlung schon in die Software integriert. Doch die Vielzahl der Akteure und Prozesse machen das Verfahren teuer.
Einfacher, billiger und fast genauso komfortabel ist Direct Pay: Anstöpseln, Kreditkarte eingeben und laden. Wie an der Tankstelle.
Im zweiten Teil erfahren sie, worauf es beim Laden daheim ankommt.
Fahre seit 1 Jahr elektrisch (23.000 KM) und habe nur einmal am 28. Dezember in Sindelsdorf bei Murnau eine Wartezeit von 10 Minuten erlebt, weil in alle Ladepunkte belegt waren. Da ich aber am Navi schon frühzeitig sehe, wieveile Ladepunkte am Tesla Supercharger frei sind, kann man auch anderweitig planen.