Vorstandschef Luca de Meo ließ es sich nicht nehmen, bei der Fahrpräsentation des neuen Mégane E-Tech Electric in Versailles nochmals deutlich zu machen, wie es bei Renault um die Elektromobilität steht: prächtig. Man sieht sich in Europa als Pionier. Über 400.000 Zoe sind auf der Straße. Alle zusammen haben sie bereits mehr als zehn Milliarden Kilometer abgespult. Das sei ein gewaltiger Erfahrungsschatz.
All dieses Know-how wollen die Entwickler nun für die „Renaulution“ und die nächste Stufe in Richtung null Emission und Nachhaltigkeit nutzen. Verkörpern soll dies der Mégane E-Tech Electric. Er tritt in Europa im sehr wichtigen C-Segment an. Hier ist seit gut einem Jahrzehnt der Nissan Leaf unterwegs. Dominiert wird diese kompakte Hatchback-Klasse aber derzeit vom VW ID.3. Jüngst kam das spanische Schwestermodell, der Cupra Born hinzu. Es ist also noch nicht viel los in diesem Segment – weil die meisten Hersteller auf das Karosseriekonzept SUV setzen.
Der Mégane E-Tech Electric ist der erste Renault, der auf der Konzernplattform CMF-EV (entwickelt von Renault, Nissan und Mitsubishi) basiert und soll möglichst viele Menschen erreichen.
Massentauglicher Stromer
„Wir möchten die Masse zum Umsteigen bewegen“, sagt de Meo, „der elektrische Mégane ist kein Nischenfahrzeug.“ Durch die dezidierte CMF-EV-Architektur erhielten die Designer neue Gestaltungsfreiheiten, sehr zum Vorteil knackiger Proportionen. Die Räder (bis zu 20 Zoll) können weit in die Ecken rücken, schaffen kurze Überhänge und ermöglichen bei 4,21 Meter Gesamtlänge einen Radstand von 2,70 Meter.
Technische Daten Renault Mégane E-TECH EV60
Antrieb: Front, Leistung: 160 kW/218 PS
Max. Drehmoment: 300 Nm
0-100 km/h: 7,4 s
Höchstgeschwindigkeit: 160 km/h
Reichweite (WLTP): 470 km
Stromverbrauch: (WLTP): 16,1 kWh/100 km
Batteriekapazität: 60 kWh (netto)
Ladeleistung: 22 kW AC, 130 kWh DC
Abmessungen (L/B/H): 4,21/1,78/1,50 m
Leergewicht: 1.624 kg
Preise: ab Mitte Dezember
Das kommt vor allem den Passagieren im Fond zugute. Die Sitzprobe zeigt: Man fühlt sich hinten wie im Auto eines höheren Segments. Gleiches gilt hinter dem Lenkrad. Vom vielzitierten Rotstift, wie ihn beispielsweise VW beim ID.3 zu stark angesetzt hat, ist im Mégane nichts zu merken. Die Materialien wirken hochwertig, das Cockpit-Layout mit zwei Displays ist schick und modern, die Bedienung schnell zu erfassen. Lediglich den Satelliten hinter der rechten Lenkradspeiche, ein (unsichtbares) Relikt aus früheren Modellen wie der Zoe, hätte Renault sich sparen können. Über ihn wird das Radio (blind) bedient. Neueinsteiger müssen das erst lernen.
Google an Bord
Nahezu intuitiv läuft dagegen die Sprachbedienung ab. Renault hat Konnektivität und Infotainment zusammen mit Google entwickelt. Der Kunde profitiert, kann Google Assist nutzen. Ein „Hey, Google, schalte die Sitzheizung ein“ klappt genauso gut wie ein „Hey, Google, zeig mir die Ladesäulen entlang meiner Route“. Wirklich klasse funktioniert auch Google Maps, inklusive der Echtzeitstaus. Die übersichtliche Darstellung kennen die meisten ja bereits vom Smartphone.
Was manchem fehlen dürfte, ist ein Head-up-Display, wie es vermehrt auch in die Kompaktklasse einzieht. Renault meint, die Anzeigen auf den beiden Bildschirmen würden mehr als ausreichen.
Frontantrieb zerrt an den Rädern
Schon die ersten Kilometer im elektrischen Mégane zeigen unmissverständlich, in welche Richtung Renault seinen kompakten Stromer entwickelt hat: Sportlichkeit. Der Schwerpunkt des Mégane E-Tech Electric liegt, bedingt durch die große Batterie im Boden, imposante neun Zentimeter tiefer als beim Verbrenner, die Lenkung wurde sehr direkt ausgelegt. Es macht Spaß, mit dem Mégane um die Ecken zu fegen.
„Unser Ziel war es, einen ‚GTI“ unter den Elektroautos zu bauen“, sagt Chef-Ingenieur Oliver Brosse. Gleichzeitig gelang es den Entwicklern, den Mégane in der Längsdynamik recht komfortabel abzustimmen. Entspanntes Cruisen geht mit dem Auto wunderbar, zumal der Geräuschpegel sehr niedrig liegt. Was der ausschließlich frontgetriebene Wagen nicht mag, ist zu forsches Beschleunigen nach dem Abbiegen. Bei feuchtem Belag zerrt es kräftig an den Vorderrädern. Aber vielleicht schiebe Renault später ja noch einen Allradler nach – die Plattform gäbe es her.
160 km/h Tospeed müssen dem E-GTI reichen
Zum Marktstart im Frühjahr wird es den Mégane E-Tech Electric erst einmal nur mit zwei unterschiedlichen Leistungen und zwei unterschiedlich großen Batterien geben. Im von uns gefahrenen Topmodell steckte eine 160 kW (218 PS) starke E-Maschine. Sie liefert ein Drehmoment von 300 Newtonmetern. Mit dieser Kombination ist der Mégane naturgemäß sehr souverän unterwegs, zieht kräftig und geschmeidig los, wie wir es von Elektroautos dieser Kategorie im Allgemeinen kennen. Wer es darauf anlegt, schafft den Sprint von null auf Tempo 100 in etwas mehr als sieben Sekunden. Die Höchstgeschwindigkeit hat Renault auf 160 km/h begrenzt – wie stets, um den Energiespeicher nicht allzu schnell leer zu saugen. Und wo in der Welt kann man überhaupt noch so schnell fahren, fragte de Meo schon bei der Weltpremiere.
60 kWh beträgt die Kapazität des großen flüssigkeitsgekühlten Akkus. Damit sollen nach der Verbrauchsnorm WLTP bis zu 470 Kilometer Reichweite möglich sein – bei einem offiziellen Durchschnittsverbrauch von sensationellen 12,8 kWh/100 km. Unser Testverbrauch (gemischte Fahrweise südlich von Paris auf Landstraße und Autobahn) betrug allerdings 19,4 kWh/100 km. Die Batterie wäre also schon nach knapp 300 Kilometern leer.
Um den Mégane-Fahrer unterwegs einen möglichst hohen Ladekomfort, das heißt eine kurze Ladezeit zu bieten, kann der große Akku mit 130 kW Gleichstrom geladen werden. In rund einer halben Stunde wäre die Batterie zu 80 Prozent wieder gefüllt. Fürs AC-Laden zu Hause an der üblichen 11-kW-Ladebox spendierte Renault dem Topmodell einen dreiphasigen On-board-Lader.
Basismodell nun doch mit Schnelllade-Möglichkeit
Anders sieht die Sache beim Einstiegsmodell mit 96 kW (130 PS) aus. Hier sind mit 40 kWh ein Drittel weniger Energie an Bord, der Mégane schafft nach WLTP-Norm nur noch 300 Kilometer. Die Basisversion sieht Renault hauptsächlich für Kunden, die das Auto vorwiegend im Kurzstreckenverkehr nutzen und es in Ruhe über Nacht zu Hause laden. Dagegen ist grundsätzlich nichts zu sagen, doch zur Serienausstattung gehört hier nur ein einphasiges Ladegerät. Somit sind lediglich 3,7 kW pro Stunde übertragbar, mithin dauert die komplette Befüllung der Batterie gut zwölf Stunden.
Zweiter Punkt: Auch mit einem Basis-Mégane möchte man mal eine längere Tour unternehmen. Ursprünglich sahen die Strategen bei Renault vor, dem Käufer nicht einmal die Chance zu geben, zumindest gegen Aufpreis eine DC-Lademöglichkeit (CCS-Anschluss) in der Preisliste zu erhalten. Ein No-Go. Doch von dieser Idee kam man zwischenzeitlich wieder ab. Immerhin soll sich die 40-kWh-Batterie am Quick-Charger nun gegen Aufpreis mit bis zu 85 kW Leistung aufladen lassen.
Preise für den Mégane E-Tech Electric wird Renault nicht vor Mitte Dezember bekanntgeben. Man kann jedoch davon ausgehen, dass sie leicht unter jenen des wichtigsten Wettbewerbers, dem ID.3, liegen werden: Der VW startet bei knapp 36.000 Euro. Einen Medienbericht, wonach der Mégane E-Tech bereits für rund 30.000 Euro zu haben sein wird, hat Renault inzwischen dementiert.
Interessant wäre auch einmal zu erfahren, ob die vorgestellten E-Autos über eine Anhängerkupplunng verfügen und welche Anhhängelast maximal möglich ist.
750 kg