Der Verkäufer im Opel-Haus braucht ein, zwei Sekunden, um sich zu sammeln. Als das Stichwort „Corsa“ fiel, war ein Strahlen über sein Gesicht gegangen. „Ein tolles Auto“. Doch als ein „e wie elektrisch“ nachgeschoben wird, dazu der Hinweis, dass man die elektrische Version des neuen Opel Corsa als Geschäftswagen einzusetzen gedenke, ihn deshalb leasen und nicht kaufen möchte, trüben sich die Augen des Händlers merklich ein: „Na, dann kommen Sie mal mit“. Ende der Mittagspause.

Ist der Handel schon heiß auf die Elektroautos?

Eigentlich sollte sich in diesen Tagen jeder Verkäufer über einen Kunden freuen, der noch kurz vor Jahresschluss mit der ernsten Absicht ins Autohaus kommt, den Fuhrpark um ein Elektroauto zu bereichern. Die Realität sieht freilich anders aus, wie ein „Mystery Shopping“ von EDISON im Rheinland ergab. Stichprobenartig wurden eine Woche lang Betriebe von Opel und Peugeot, Volkswagen und Seat, Renault, Nissan und Kia aufgesucht. Ganz zufällig ausgewählt. Natürlich nicht repräsentativ, aber dennoch aussagekräftig. Die Zielsetzung: Wie gut kennen sich die Verkäufer mit Elektroautos und deren Förderungsmöglichkeiten aus, wie steht es um Lieferzeiten? Und vor allem: Wie wird gewerblichen Kunden die Energiewende im Fuhrpark schmackhaft gemacht?

Opel Corsa-e
Billig war gestern
Nach Abzug des Öko-Bonus ist der Corsa-fast genauso teuer wie ein Verbrenner – aber teurer als die Konkurrenz. Und auch die langen Lieferzeiten schrecken Interessenten. © Opel

„Haben Sie sich das wirklich gut überlegt?“, fragt unser erster Opel-Händler, den wir aus der Mittagspause aufgeschreckt haben. Während er kopfschüttelnd seinen Rechner hochfährt, fragt er nach dem beruflichen Hintergrund und dem Fahrprofil – immerhin. „Haben Sie denn eine Lademöglichkeit im Betrieb?“. Auch die Frage ist berechtigt. Aber so richtig Mut machen will er dem Interessenten auch nicht: „So schnell werden wir Ihnen das Auto nicht liefern können.“ Wieso das? Seit Tagen schon schwärmt doch „Kloppo“ auf gefühlt allen Fernsehkanälen von dem Spaß, den neuen, „100 Prozent elektrischen Opel Corsa-e kennenzulernen“ und über Elektromobilität zu reden.

Preisschlager SEAT Mii Electric:
Leasingkonditionen verschiedener Elektroautos für Gewerbekunden im Vergleich.

„Ja, nur vergessen die darüber, dass wir zunächst einmal den Corsa mit konventionellen Antrieben vertickern müssen“, klagt der Händler. Heute und jetzt – und nicht irgendwann in der zweiten Jahreshälfte. „Frühestens im Oktober, wahrscheinlich erst im Dezember 2020“ sei der Corsa-e da, wenn man ihn jetzt bestelle. „Das haben die uns von Opel auf einer Konferenz erzählt: Bloß keine Erwartungen an kurze Lieferzeiten schüren.“ Einige Fahrzeuge seien zwar schon vor längerer Zeit „blind“ bestellt worden. Aber auch deren Liefertermin – kurzer Blick auf den Computermonitor – verschiebe sich ständig. „Da kann ich Ihnen nichts versprechen.“

Jede Menge Vergünstigungen

In Sachen Förderung kennt sich der Opelaner immerhin bestens aus. Täglich erwarte man die Freigabe des neuen Förderpakets der Bundesregierung durch die EU-Kommssion. Wo man die Förderung der BAFA bekommt, welche anderen Möglichkeiten es in Nordrhein-Westfalen gibt, für die Anschaffung eines Stromers finanzielle Hilfen zu bekommen, wie Elektroautos versteuert werden: Er hat alles drauf. Ein preiswertes Vergnügen werde der Betrieb eines Corsa-e dennoch nicht, mahnt er allerdings. Er konfiguriert in Windeseile ein Fahrzeug der „First Edition“ mit allerlei Extras, die den Fahrzeugpreis auf über 36.000 Euro treiben. Anschließend hackt er allerlei Daten über Leasingdauer und Jahresfahrleistung in den Rechner (drei Jahre und 30.000 Kilometer) – und dreht dann den Monitor herum: „Schaun Sie hier“ und weist auf eine Zahl unten rechts: 341,60 Euro. Und das bei einer Leasing-Sonderzahlung von 3697,48 Euro und einer maximalen Ausschöpfung der Fördermöglichkeiten. Puh.

Seat-Leasing günstiger als Netzkarte

Billiger gehe es nicht. Zumindest nicht bei Opel. Wenn man sich für den Seat Mii Electric erwärmen könnte…Der sei zwar noch mal eine Nummer kleiner als der Corsa, habe auch einen kleineren Akku ein Bord, der maximal für 250 Kilometer gut sei. Aber dafür seien die Konditionen erste Sahne: „Nackt kriegen Sie den für 39 Euro im Monat.“ Der Betreiber eines Pflegedienstes habe er auf der Basis dieser Tage gleich mehrere Autos des Typs bestellt. Unser Wunschfahrzeug wird keine Nackt-, sondern die „Plus“ genannte Top-Version. Trotzdem bleibt die Leasingrate spektakulär: 76 Euro. „Dafür kriegen Sie keine Netzkarte des Verkehrsverbundes.“ Tatsächlich: Dafür müsste ich im Abo 230 Euro löhnen. Und führe dann auch nur 2. Klasse.

E-Golf auf Jahresend-Rallye
Volkswagen fördert derzeit wie kein anderer Hersteller den Verkauf seiner Elektroautos. Gewerbekunden werden bis zum Jahresende mit Sonderprämien geködert. Foto: Volkswagen

Der Volkswagen-Konzern greift zur Förderung der Elektromobilität derzeit wirklich tief in die Tasche, macht dafür über den Umweltbonus hinaus erhebliche Marketinggelder frei. Das zeigt sich anderntags in einem VW-Betrieb und der Nachfrage nach einem e-Golf. Das Modell ist zwar nicht mehr brandneu, noch ein Golf der siebten statt der neuen achten Generation. Und mit einem Speichervermögen von 35,8 Kilowattstunden (kWh) ist der Akku deutlich kleiner als der des Corsa-e (50 kWh). Aber seit der Preissenkung im Sommer auf 20.000 Euro und durch spezielle Leasingangebote für Gewerbetreibende ist der komfortable und geräumige Kompaktwagen derzeit ein echtes Schnäppchen: Bei einer Sonderzahlung von 4000 Euro kann das e-Golf schon für 180 Euro im Monat wenigstens 10.000 Kilometer im Jahr bewegt werden. Das Angebot ist allerdings nur bis zum 31. Dezember verfügbar, drängt der Autohändler zum Vertragsabschluss.

VW-Chef Diess will Verkäufe verdoppeln

Danach wird es aber sicherlich, höre ich bei einem anderen Händler weitere gute Angebote von Volkswagen geben. Denn bis zur Markteinführung des neuen ID.3 ist es noch eine Weile hin. Und wie VW-Chef Herbert Diess dieser Tage bei Maischberger kundtat, will er 2020 in Deutschland doppelt so viele Elektroautos verkaufen wie in diesem Jahr (2019: 35.000 Autos) . Die strengeren CO2-Flottengrenzwerte lassen ihm keine andere Wahl: Verkaufsfördermaßnahmen sind im Zweifelsfall günstiger als Strafzahlungen an die EU. Entsprechend gut geschult und motiviert sind die VW-Händler: Sie kennen nicht nur e-Golf und e-Up aus dem Eff-Eff, sondern sämtliche Fördermaßnahmen durch die Öffentliche Hand. Nur bei der Frage, wann der Umweltbonus auf 6000 Euro steigt, mussten sie passen. Was allerdings keine Schande ist: Die Frage kann derzeit auch in Berlin derzeit niemand beantworten.

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1 Kommentar

  1. Schaumermal

    Die Erfahrungen mit VW kann ich nur bestätigen. Ich habe spontan eine eintägige Probefahrt mit dem e-golf machen können. Die Verkäufer waren motiviert bis in die Haarspitzen.
    VW legt sich voll ins Zeug und bringt den Händlerapparat auf Spur.
    Die haben jetzt einige Jahre Vorlauf gehabt, Kompetenz im eigenen Hause gesammel und mit e-UpMiGo und e-golf sofort und danach dem id.3 ein paar richtig heiße Eisen im Feuer.
    Danach geht es gleich weiter bei Skoda, Seat und Audi mit weiteren Fahrzeugen. Offenkundig haben sie sich auch genug akkus gesichert.
    Ich weiß nicht so richtig, wie Opel/PSA die C02-Strafen vermeiden wollen wenn sie nicht ganz flott mit einem attraktiven BEV-Programm um die Ecke kommen.

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