Der Mann an der Schranke hatte uns vorgewarnt: Die Rossfeld-Panoramastraße sei auf weiten Strecken schneebedeckt, in den Spitzkehre müsse man mit eisglatter Fahrbahn rechnen. Jörg Bergmeister lässt sich davon nicht irritieren. Mit ein paar Fingergriffen schaltet der Porsche-Werksfahrer und Rennfahrer nach und nach die Assistenzsysteme und Fahrhilfen des Taycan Turbo S Sport Turismo aus. Noch ein fragender Blick auf den Beifahrersitz: „Alles klar?“ Und noch ehe wir geantwortet haben, schießt der Taycan auch schon bergauf. Mit „Launch Control“ und einer Geschwindigkeit, dass den Insassen Hören und Sehen vergeht, ja fast schon ein Schleudertrauma droht.

In den 1960er Jahren und bis 1973 fanden auf der 15,4 Kilometer langen Rossfeld-Panoramastraße bei Berchtesgaden legendäre Bergrennen statt. Steigungen von bis zu 13 Prozent und Kurvenradien von zum Teil nur zwölf Metern forderten damals sowohl den Teilnehmern wie auch den Fahrzeugen alles ab. Seitdem geht es auf der kurvenreichen Strecke eher beschaulich zu – sofern das Wetter überhaupt eine Befahrung zulässt. An diesem Tag jedoch hat Porsche die Mautstraße gebucht. Und deshalb kann nun ein Bergmeister (nomen est omen) zeigen, wozu ein Elektroauto, wozu ein Porsche Taycan fähig ist.

Porsche Taycan im Schnee
Rother

Sofern man die Technik beherrscht, sofern man mit Lenkrad, Fahr- und Bremspedal kunstvoll umgehen kann. Mit einem Stromer, der im Boost-Modus bis zu 560 Kilowatt (kW), nach alter Währung 761 PS, mobilisieren kann. Aber der allerdings auch knapp fünf Meter lang und in der Top-Ausstattung des Testwagens und mit drei Insassen auch über 2,7 Tonnen schwer ist.

„Praktisch-sportlicher Allrounder“

„Sport Turismo“ nennt Porsche die dritte Karosserievariante des vollelektrischen Taycan, der in einigen Ländern der Welt dem Elfer den Rang abgelaufen hat – zumindest, was die Stückzahlen anbetrifft. Nach der Sportlimousine mit Fließheck und einem „Cross-Turismo“ getauften, etwas hochbeinigeren Sport-Offroader wollen die Stuttgarter nun mit einem tiefergelegten Shooting Brake das Modellportfolio um einen „praktisch sportlichen“ Lifestyle-Lademeister ergänzen. Nach dem Motto: Das Kombi ist tot, es lebe das Kombi.

Mit Dachreling und Fahrradträger, mit 39 Litern mehr Kofferraumvolumen (mit voller Bestuhlung) und bis zu 47 Millimeter mehr Luft über dem Scheitel der Fondpassagiere. Auch vorne geht es etwas luftiger zu: Gegenüber dem „Sport Sedan“ bietet der „Sport Turismo“ Fahrer und Beifahrer immerhin neun Millimeter mehr Kopffreiheit.

Jörg Bergmeister, knapp 1,90 Meter groß, kann den Zugewinn durchaus gebrauchen – wenn er sich nicht gerade in leicht gebückter Haltung durch die Spitzkehren einer Bergstraße kämpft. In der Version Turbo S verfügt der Taycan serienmäßig über Allradantrieb. Aber auf Schnee und Eis schwänzelt das Heck doch ganz ordentlich – was der Rennfahrer nutzt, um quer durch die Kurve zu sausen. Elektroautos verstehen keinen Spaß und können keinen Sport? Denkste.

83,3 kWh Durchschnittsverbrauch – im Renntempo

Nach fünf Minuten 38 Sekunden ist die Passhöhe erreicht, können die Insassen ausatmen und der Antrieb des Taycan abkühlen. Der Höllenritt hat Kraft gekostet, auch jede Menge Energie: Der Bordcomputer weist am Ziel einen Durchschnittsverbrauch von 83,3 kWh/100 Kilometer aus. Bei einer Speicherkapazität des Akkus des Akkus von 93,4 KWh in der Ausführung Performance Plus würde das für eine Reichweite von etwa 122 Kilometern reichen. Aber glücklicherweise reichen die Berge nicht bis in den Himmel – und lässt sich der Taycan Sport Turismo auch ganz gemächlich bewegen – ohne, dass der Fahrspaß leidet.

Geschmackssache
Passend zur Außenlackierung in Mambagrün Metallic bietet Porsche auch eine Innenausstattung mit grünen Lederelementen an.

Verbrauchswerte um die 25, 26 oder 27 kWh/100 km scheinen nach den Meßwerten aus zwei Testtagen mit dem Taycan Sport Turismo durchaus erreichbar – je nachdem, für welche Antriebsvariante man sich entscheidet. Denn mittlerweile bietet Porsche den Taycan nicht nur in drei Karossierevarianten an, sondern auch mit Heck- und Allradantrieb, mit 93,4 und 79,2 kWh-Akkupaket und Antriebsleistungen zwischen 240 und 460 kW: Ein Elektroauto ist schließlich kein Verzichtsmobil.

Jede Menge Modellvarianten

Was sich natürlich auch im Preis niederschlägt. Unser mambagrüner Turbo S Sport Turismo in Individualausstattung – zu unter anderem grüne Ledersitze zähle – kostete die Kleinigkeit von 218.561 Euro. Und nach einem Umweltbonus braucht man da gar nicht erst zu fragen. Das gilt aber auch für das Basismodell mit Heckantrieb, das mit 86.465 Euro in der Preisliste steht. Das sind übrigens nur 952 Euro mehr als ein Taycan in der Ausführung Sport-Sedan. Leichtmetallräder in Wagenfarbe sind teurer. Deutlich tiefer in die Tasche greifen muss auch, wer den Taycan überwiegend auf unbefestigten Wegen bewegen möchte und deshalb unbedingt einen Unterbodenschutz benötigt: Denn den rustikaleren Taycan Cross Turismo gibt es nur als Allradler. Die günstigste Ausführung 4S kostet da schon über 112.000 Euro – über 4000 Euro mehr als der Sport Turismo.

Da bleiben wir dann doch lieber auf festem Boden. Der Sport lebt schließlich auch so. Im März geht’s los mit dem Verkauf des neuen Modells.

Feine Unterschiede
Den neuen Sport Turismo bietet Porsche in sieben Antriebsvarianten an, mit Heck- und Allradantrieb. Grafik: Porsche

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