Gerhard Roth liebt seinen weißen Toyota Mirai. Tausende von Kilometer hat er mit dem Brennstoffzellenauto in den vergangenen zwei Jahren bereits zurückgelegt. Im Rhein-Main-Gebiet, wo der promovierte Chemiker aus Hofheim im Taunus heimisch ist. Aber auch bei Fahrten nach Belgien oder an die Nordsee. Reichweitenangst hat er dabei nach eigenen Worten noch „keine Sekunde“ erlebt, auch nie lange nach einer Wasserstoff-Tankstelle suchen müssen. Auf 100 Kilometern Strecke, erzählt er, verbrauche der Mirai weniger als ein Kilo Wasserstoff. Damit komme er locker 560 Kilometer mit einer Tankfüllung.
Was er sich wünschen würde? Zum einen, „dass man in Deutschland endlich damit aufhört, das Brennstoffzellenauto immer wieder schlecht zu reden“ – während seiner Tätigkeit in Japan habe er gelernt, dass eine Denke in den Farben Schwarz und Weiß den Fortschritt nicht befördert. Und zu anderen wäre ein noch größerer Wasserstoff-Tank nicht schlecht.
Reichweite steigt auf 650 Kilometer
Dem Mann kann geholfen werden. Zumindest, was Teil 2 seiner kurzen Wunschliste anbetrifft: Der Toyota Mirai der zweiten Generation, der zum Jahresende auf den Markt kommt, hat zwei statt wie bisher drei Tanks an Bord, die 5,6 statt glatt fünf Kilo gasförmigen Wasserstoff bunkern können. Weil gleichzeitig die Leistungsdichte der Brennstoffzelle erhöht und das Gewicht der Antriebsquelle wie auch anderer Komponenten sank, konnte die Effizienz des Gesamtsystems deutlich erhöht werden.
Das Ergebnis: Der Energieverbrauch sank um zehn Prozent. Und die Reichweite stieg um rund 30 Prozent. Statt 454 Kilometer wie früher kommt der Mirai der zweiten Generation nach der Verbrauchsnorm WLTP nunmehr „gut 650 Kilometer“, wie Chefingenieur Yoshikazu Tanaka in einer Videoschalte zur Weltpremiere des neuen Autos versprach. „Mit einer Tankfüllung kommen sie nun leicht von Tokio nach Osaka.“
Besser als ein Batterieauto?
Wegen Corona fällt Europäern die Überprüfung dieser Angabe derzeit schwer. Aber von Hofheim im Taunus aus wäre nun zum Beispiel Frankfurt an der Oder aus ohne Zwischenstopp zu erreichen. Oder von der Deutschland-Zentrale von Toyota in Köln aus wäre es mit dem neuen Mirai nur ein Katzensprung bis nach Rosenheim. Die meisten Batterieautos müssten unterwegs eine Ladesäule aufsuchen.
„Erklärtes Ziel“ war es laut Tanaka, die Reichweite des Mirai so zu steigern, dass sie die eines rein batterielektrischen Autos deutlich übertrifft – um die Begehrlichkeit des Produkts zu erhöhen und im Wettstreit der Systeme Punkte gut zu machen. Und das nicht nur in puncto Aktionsradius. Auch die Performance wurde verbessert, durch eine Leistungssteigerung von 114 kW (155 PS) auf 134 kW (182 PS). Die Höchstgeschwindigkeit wird allerdings weiterhin bei 174 km/h abgeregelt. Und die Beschleunigung von 0 auf 100 km/h verbesserte sich nur geringfügig auf 9,2 Sekunden.
Fahrtkomfort der Oberklasse
Den größten Sprung nach vorn machte der Toyota Mirai ohne Zweifel aber beim Styling. Das betont futuristisch gestylte Vorgängermodell brauchte schon mutige Fahrer mit gesundem Selbstbewusstsein und gefestigter Überzeugung. Der Neue kommt wesentlich gefälliger, weil konventioneller daher: Der Mirai könnte jetzt auch leicht als Tesla durchgehen. Der Radstand wurde gestreckt, die Karosserie abgesenkt. Im Fahrgastraum finden dank der kompakteren Tanks nun auch fünf Personen Platz.
Und der wurde deutlich wohnlicher eingerichtet: Ja, hier lässt es sich aushalten, wie der Autor bei einer Probefahrt rund um Köln feststellen konnte. Die neue Plattform, die von Lexus entliehen wurde, bringt dem Mirai zusammen mit der neuen Mehrlenkeraufhängungen vorne und hinten sowie diversen Maßnahmen zur Verbesserung der Karosseriesteifigkeit den Fahrtkomfort der Oberklasse: Da knirscht nichts mehr, fühlt sich auch nichts mehr minderwertig an.

Der Innenraum des Mirai ist auf den Fahrer zugeschnitten und mit edlen Materialien ausgeschlagen. Der Fahrtkomfort ist hoch, die künstliche Geräuschkulisse nervig. Bild: Toyota
Im gut gekapselten Fahrgastraum ist darüber so große Ruhe eingekehrt, dass sich die Toyota-Ingenieure entschlossen, einen Soundgenerator einzubauen, der im Sportmodus und auf Knopfdruck zwei unterschiedliche Motorengeräusche imitiert, um die den Insassen die Beschleunigungskräfte des Fahrzeugs auch akustisch zu vermitteln.

Sinnvoller als der „Active Sound Creator“ erscheint da ein anderes Feature: Ein elektrisches Vlies reinigt die Luft, die der Brennstoffzelle zugeführt werden muss, von feinen Partikeln, Stickoxiden und Schwefeldioxid, bevor sie wieder ausgestoßen wird. Batterieautos mögen Zero-Emission-Fahrzeuge sein – der Mirai ist das erste „Minus-Emission-Vehicle“, das im Fahrbetrieb die Luft in den Städten besser macht und so Atemwegserkrankungen verhindert. Da kommt kein Tesla mit.
Produktion erhöht – Preis gesenkt
Entsprechend ambitioniert sind die Absatzziele. Rund 11.000 Exemplare hat Toyota vom Mirai der ersten Generation in Handarbeitet produziert und trotz eines Verkaufspreises von rund 77.000 Euro keinen Cent daran verdient. Dem Vernehmen nach hat der Konzern zu jedem Fahrzeug sogar einen fünfstelligen Betrag dazu schießen müssen, weshalb Toyota den Mirai vorzugsweise im Leasing anbot.
Mit der zweiten Generation hofft Toyota endlich auf so etwas wie einen grünen Zweig zu kommen. Mit einer Jahresproduktion von rund 30.000 Autos und einer Fertigung unter industriellen Bedingungen zu deutlich niedrigeren Kosten. Die sind offenbar so kräftig gesunken, dass sich Toyota entschließen konnte, den Mirai trotz all der Verbesserungen in der zweiten Generation hierzulande deutlich günstiger anzubieten als das Vorgängermodell: Die Preis beginnen bei 63.900 Euro – 14.700 Euro weniger als zuvor. Und damit rutscht der Mirai auch in die Klasse der Elektroautos, die in den Genuss des Umweltbonus von 7500 Euro kommen können.
Alles in allem bleibt da kaum mehr ein Wunsch offen.
Aufmerksamen Marktbeobachtern wird auch nicht entgangen sein, dass im Bereich von Nutzfahrzeugen und Personenlogistik längst die Weichen für mit Wasserstoff betriebene Brennstoffzellen gestellt sind.
Dort sind Wartezeiten von mehr als 3-8 min beim betanken von Fahrzeugen und Reichweiten unter 600 km nicht hinnehmbar.
Ein aktuelles Tankstellennetz für Wasserstoff findet man unter: https://h2.live/
Würde man versuchen, diese Fahrzeuge batterieelektrisch zu betanken, würde unser heutiges Stromnetz unter der Last zusammenbrechen. Dies ist auch noch über Jahrzehnte der Fall.
Oh auch sollte man berücksichtigen, dass ein verkürzen der Ladezeit bei Batterien, sprich eine schnelle Ladung, die Lebensdauer der Batterie eben so drastisch verkürzt.
Was ist denn das für eine Überschrift??
„Da bleiben kaum noch Wünsche offen“
wie wäre es mit dem Wunsch nach Energieeffizienz bei einem Gesamtwirkungsgrad von 30% über die ganze Kette?
Wie wäre es daher mit Umweltfreundlichkeit unter Betrachtung des fossilen Anteils an Strommix?
Das ganze ist einfach nur zum Schmunzeln
Als Diplom-Ingenieur Elektrotechnik weiß ich, dass die Dinge sehr viel komplexer liegen. Mythische Diskussionen um vermeintliche Wirkungsgrade von 30 % helfen hier nicht weiter.
Alle die sich nicht auf Meinungen, sondern Fakten stützen wollen, sei der Artikel der Redaktion Auto-Motor-Sport empfohlen: https://www.auto-motor-und-sport.de/tech-zukunft/alternative-antriebe/wasserstoffauto-brennstoffzelle-co2-neutral-batterie-lithium/
Ein aktuelles Model S von Tesla hat eine WLTP-Reichweite von 652 Km. Da hat Herr Tanaka das erklärte Ziel, die Reichweite eines BEV ‚deutlich zu übertreffen‘, wohl verfehlt. Von den exorbitant höheren Fahrleistungen des Model S mal ganz zu schweigen.
Was kostet noch einmal das Model S?
82 k€. Zugegeben: Das ist deutlich mehr, als der Einstiegspreis 64 k€ des Mirai, aber eben auch mit besserer Ausstattung und deutlich besseren Fahrleistungen.
Aber auch das Model 3 LR für 53k€ schafft 580km nach WLTP bei viel besseren Fahrleistungen. Auch da kann ich jetzt den ‚deutlichen‘ Reichweitenvorsprung nicht erkennen.
Gespannt bin ich übrigens auch auf die Crashtests des Mirai, auch hier hat Tesla ja mit bester 5-Sterne-Bewertung schon vorgelegt.
So kann jeder für sich entscheiden, was die für ihn beste Lösung ist.
Eine Dreiviertel Tonne Batterie spazieren zu fahren ist einfach blödsinnig. Allein der CO2-Rucksack einer solche Batterie ist gigantisch. Batterien gehören in Kleinwagen, Brennstoffzellen in größere Fahzeuge. Die Japaner haben das verstanden, der Rest braucht wie immer etwas länger.
Tolles Fahrzeug, es dürfte wohl das modernste Auto sein, das man für Geld derzeit bekommen kann.
Und dazu dieser sehr gute Artikel, der ohne das angesprochene Bashing auskommt, sondern stattdessen mit viel Hintergrundwissen berichtet. Klingt vielleicht banal, aber wenn man sich mit dem Thema Wasserstoff auskennt, fällt einem auf, wie wenig Ahnung doch viele Redakteure bei dem Thema haben. Umso besser ist dieser Artikel, danke.
‚Viel Hintergrundwissen‘ = Verkaufsdarstellung aus dem Toyota Hochglanzprospekt und ‚wenig Ahnung‘ = kritische Auseinandersetzung mit störenden Details wie Wirkungsgrad, Betriebskosten und Lebensdauer. So etwa?
Allen, die sich kritisch mit Themen wie Nachhaltigkeit, Kosteneffizienz und Zukunftsfähigkeit auseinander setzen mögen, sei der Beitrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung ‚Nationale Wasserstoffstrategie‘ https://www.bmbf.de/de/nationale-wasserstoffstrategie-9916.html nahe gelegt. Dort wir erklärt, warum grüner Wasserstoff unverzichtbarer Baustein im nationalen Energiemix ist.
Zudem wird dargelegt, welche Chancen damit für eine technologische Transformation der deutschen Wirtschaft liegen.