Europa ist im Visier der chinesischen Autobauer. Es vergeht kaum ein Tag, an dem nicht ein Automobilhersteller aus dem Reich der Mitte den Sprung in das Herz des alten Kontinents ankündigt. Denn der Heimatmarkt schwächelt gerade und in Europa lassen sich höhere Gewinne einfahren.

Manche der neuen Start-ups betreten die automobile Bühne wie der berühmte Deus ex Macchina, der aus dem Nichts auftaucht. Dongfeng gehört nicht zu dieser Kategorie. Die Dongfeng Motor Corporation ist mit über drei Millionen verkauften Fahrzeugen pro Jahr eine bekannte Größe in China. Ganz unerfahren auf dem internationalen Parkett ist der chinesische Autobauer sowieso nicht, da er bereits verschiedene Joint Ventures mit ausländischen Herstellern wie Honda, Nissan oder Renault (bis 2020) eingegangen ist.

Stromern mit Komfort 
„Voyah kommt von Voyager. Deswegen geht es bei diesem Fahrzeug in erster Linie um den Reisekomfort“, erklärt Daniel Kirchert von Noyo Mobility, die den Verkauf und den Service für die neue China-Marke in Europa organisiert.
Stromern mit Komfort
„Voyah kommt von Voyager. Deswegen geht es bei diesem Fahrzeug in erster Linie um den Reisekomfort“, erklärt Daniel Kirchert von Noyo Mobility, die den Verkauf und den Service für die neue China-Marke in Europa organisiert.

Dennoch ist der Sprung nach Europa kein einfacher. Vor allem in Deutschland sind die Autofahrer anspruchsvoll. Anders als asiatische Konkurrenten, die zu viel auf einmal erreichen wollten, plant Dongfeng den Eroberungszug mit Bedacht und errichtet erst einmal in Märkten wie den Niederlanden, Finnland, Dänemark und der Schweiz einen Brückenkopf, den die Premiumtochter Voyah mit dem großen SUV namens Free darstellst.

Konkurrenz für Audi Q8 und Tesla Model X

„Voyah kommt von Voyager. Deswegen geht es bei diesem Fahrzeug auch in erster Linie um den Reisekomfort“, erklärt Daniel Kirchert, Gründer und CEO von Noyo Mobility, die den Verkauf und den Service in Europa organisiert. Kirchert kennt die beiden Kulturen aus dem Effeff: Mehr als 20 Jahre war er für BMW, Nissan und Byton auf dem größten asiatischen Markt tätig.

Nach Deutschland wird der Voyah Free vermutlich im kommenden Jahr kommen. Höchste Zeit also, das Elektro-SUV unter die Lupe zu nehmen. Schließlich wollen sich die Chinesen mit Konkurrenten wie dem Mercedes EQE SUV, dem Audi Q8 e-tron oder dem Tesla Model X messen.

Fehl am Platz 
An den neuen Superchargern mit bis zu 400 kW Ladeleistung hat der Voyah nichts verloren: Gleichstrom zieht er mit maximal 100 kW. Das ist viel zu wenig für ein Elektroauto mit einem 106,7 kWh großen Akku im Boden. Fotos: Voyah.
Fehl am Platz
An den neuen Superchargern mit bis zu 400 kW Ladeleistung hat der Voyah nichts verloren: Gleichstrom zieht er mit maximal 100 kW. Das ist viel zu wenig für ein Elektroauto mit einem 106,7 kWh großen Akku im Boden. Fotos: Voyah.

Auf den ersten Blick fällt der große Kühlergrill ins Auge, der an die Front der Maserati Levante erinnert. Im Innenraum dominieren drei 12,3 Zoll Monitore, die sich über die gesamte Breite des Armaturenbretts ziehen. Die Instrumententafel ist mit echtem Leder bezogen, ebenso wie die gemütlichen Sitze, die gemäß dem Lastenheft mehrt zum Reisen einladen denn zur Kurvenhatz.

Reichweite um die 500 Kilometer

Schließlich ist der 2.340 Kilogramm schwere E-Crossover mit Allradantrieb, 360 kW (489 PS) und einem Drehmoment von 720 Newtonmetern (vorn 310, hinten 410) alles andere als untermotorisiert. Nach 4,4 Sekunden knackt der Voyah Free aus dem Stand die 100-km/h-Marke und erst bei 200 km/h ist Schluss. Dank der Batterie mit einer Kapazität von 106,7 Kilowattstunden soll der Free über 500 WLTP-Kilometer weit kommen. Der Onboardlader erlaubt an der Wallbox 11 kW. Das ist ok. Aber am Gleichstrom-Schnelllader liegt der Voyah Free mit einer maximalen Ladeleistung von 100 kW allerdings nur auf Kleinwagen-Niveau. Immerhin soll der Energiespeicher von 20 auf 80 Prozent in 45 Minuten gefüllt sein.

Reichlich Rinderhäute 
Der Voyah Free ist in Sachen Digitalisierung auf der Höhe der Zeit - mit einem Riesen-Display, das sich über das gesamte Armaturenbrett hinzieht. Den zeitgeistigen Trend zu veganen Innenräumen haben die Chinesen noch nicht aufgegriffen.
Reichlich Rinderhäute
Der Voyah Free ist in Sachen Digitalisierung auf der Höhe der Zeit – mit einem Riesen-Display, das sich über das gesamte Armaturenbrett hinzieht. Den zeitgeistigen Trend zu veganen Innenräumen haben die Chinesen noch nicht aufgegriffen.

Als Durchschnittsverbrauch gibt Voyah 20.2 kWh/100 km an Wir kamen bei unserer Testfahrt, bei der wir auf Autobahnen, innerhalb der Stadt und Landstraßen unterwegs waren, allerdings auf 22,1 kWh/100 Kilometer. Damit würde die Reichweit nur etwa 480 Kilometer betragen.

Auf der Straße macht das adaptive Luftfederfahrwerk mit 100 Millimeter Federweg, einer Doppelquerlenker-Vorderachse und einer Mehrlenkerachse hinten eine gute Figur. Die Abstimmung ist komfortabel, ohne zu weichgespült zu sein. Der Fahrer ist stets gut über den Zustand der Fahrbahn informiert. Die Lenkung kann mit dieser Auskunftsfreude nicht ganz mithalten, könnte die Lotsenkommandos etwas natürlicher und direkter umsetzen. Es agiert aber deutlich harmonischer als das bei anderen Modellen aus China der Fall ist.

Armaturenbrett lässt sich absenken

Mit den sechs Fahrmodi Eco, Komfort, Performance, Off-Road, Schnee und Individual kann man den Free nach dem eigenen Gusto abstimmen, da der Unterschied zwischen Eco und Sport durchaus spürbar ist. Witziges Detail: Im Sport-Programm fährt das Armaturenbrett nach unten, um einen besseren Blick auf die Motorhaube und die Straße zu gewähren. Ähnliches bietet derzeit nur der McLaren 720 S. Ein Head-up-Display wäre allerdings hilfreicher gewesen. Eine direkte Auswahl des Programms per Touchscreen oder Tastenbdruck ist nicht möglich – stets muss sich der Fahrer durchs Menü wühlen. Auch die individuellen Einstellungen müssen über das Hauptmenü vorgenommen werden.

Elektrisches Reisemobil
Über Platzmangel können sich im Voyah Free weder die Passagiere noch ihre Gepäckstücke beklagen. Die Ladeklappe des voraussichtlich etwa 70.000 Euro teuren SUV öffnet sich elektrisch. Na klar.
Elektrisches Reisemobil
Über Platzmangel können sich im Voyah Free weder die Passagiere noch ihre Gepäckstücke beklagen. Die Ladeklappe des voraussichtlich etwa 70.000 Euro teuren SUV öffnet sich elektrisch. Na klar.

Der 4,91 Meter lange Voyah Free bietet dafür ein ordentliches Platzangebot. Auch im Fond ist ausreichend Kopf- und Kniefreiheit vorhanden. Der Kofferraum hat ein Volumen von 560 Litern. Legt man die Lehnen der Rückbank um, wächst das Fassungsvermögen auf 1.320 Liter an. Die Ladefläche steigt nur leicht an. Für das Ladekabel und sonstigen Krimskrams steht vorne noch ein 72 Liter großer Frunk zur Verfügung.

Kleinwagen für unter 25.000 Euro

Bleibt noch der Preis. Der wird voraussichtlich etwa 70.000 Euro betragen. Das wären deutlich mehr als der Hersteller in China verlangt: 393.600 Renminbi, umgerechnet 52.500 Euro. Aber immer noch einige tausend Euro weniger als Audi für den Q8 e-tron (ab 74.400 Euro) verlangt und Tesla für das (deutlich stärkere) Model X: 99.900 Euro. Beim Service setzt Noyo Mobility auf immer beliebter werdendes Modell der Kommunikation per App. Etwa 80 Prozent der Reparaturen sollen vor Ort beim Kunden durchgeführt werden. Außerdem wird ein Hol- und Bringservice angeboten. Für alle aufwendigeren Eingriffe am Antriebsstrang sowie der Batterie soll es ein Kompetenzzentrum geben, das durch ein Netz von Partnerwerkstätten unterstützt wird.

Doch der Voyah Free dürfte erst der Anfang der Dongfeng-Produktoffensive sein. Im Heimatmarkt haben die Chinesen unlängst die Kleinwagenmarke Nammi aus dem Taufbecken gehoben und den Nammi 01 präsentiert – ein kleines Elektroauto mit rund 200 Kilometern Reichweite für umgerechnet weniger als 10.000 Euro. Mit solch kleinen Stromern dürften VW, Stellantis & Co wesentlich stärker unter Druck gesetzt werden.  

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