Kaum ein Auto ist weltweit so emotional besetzt wie der Bulli. Gemeint ist dabei meist der ursprüngliche T1, aber auch die nachfolgenden Baureihen versuchten dem Stil und der Funktion treu zu bleiben, wenn auch mit leider wachsender Verfremdung. Bereits seit mehr als 20 Jahren wuchs die Idee heran, diese Ikone wieder auferstehen zu lassen. Und nun im Elektro-Zeitalter angekommen wurde die Vision endlich Realität. Aber wie viel ist tatsächlich von der ursprünglichen Design-Studie umgesetzt worden? Bei der Weltpremiere konnten wir den ID.Buzz unter die Lupe nehmen. Experten gaben uns dabei spannende Einblicke in die realen Daten und Fakten des Elektro-Bulli.
Von Tradition zu Innovation
Auch verhüllt sind die leuchtenden Augen des ID.Buzz schon ein Eye-Catcher. Wegen des Krieges in der Ukraine und des anhaltenden Infektionsgeschehens ist es nur ein kleiner Kreis an Journalisten und VW-Experten, die Zeuge werden dürfen bei der heißersehnten Wiederauferstehung der Bulli-Ikone oder der „Transformation von Tradition zu Innovation“, wie es VW tituliert.
Ausgerechnet im Schuppen 52, wo in den 50er Jahren der T1 nach Übersee verschifft wurde, warteten die Journalisten und der Bulli voller Spannung auf dessen Enthüllung. Dass exakt hier heute das größte Solaranlagen-System ganz Hamburgs platziert ist, schlägt die nächste Brücke von der Tradition ins Elektro-Zeitalter: Marken-Botschafter Ewan McGregor verkündet feierlich per Aufzeichnung: „The Legend is back!“ – und dann nehmen Vorstandsvorsitzender Herbert Diess und Ministerpräsident Stephan Weil den ID.Buzz und den ID.Cargo feierlich in Empfang. Die Show war kurz und auf den Punkt – dann können wir endlich ran an das Objekt der Begierde…
Was sind die spannendsten Fakten am Elektro-Bulli?
Mit einem Akku von 77 kWh netto (ein größerer und ein kleinerer werden noch folgen) soll er eine Reichweite von „über 400 Kilometern“ schaffen und in weniger als 30 Minuten von 5 auf 80 Prozentgeladen werden können. Denn er kann mit einem Peak bis zu 170 kWh per Gleichstrom schnellladen, was mehr ist als aktuell bei den MEB-Kollegen ID.4 und ID.5. Diese können bis dato maximal mit 135 kWh laden, werden aber beim nächsten Lade-Software-Update entsprechend hochgeboostert, wie Entwicklungschef Kai Grünitz von Volkswagen Nutzfahrzeuge am Rande verriet.
Besonders spannend: Der ID.Buzz kann bidirektional laden und verfügt über Plug & Charge – zwei wichtige Meilensteine in Sachen Innovation, die nun endlich auch bei VW Einzug halten in die Realität, wo andere Hersteller bisher die Nase vorn hatten.
Was uns zu der Frage bringt: Wann konkret kommt der ID.Buzz denn nun zu den Kunden? Popsänger Wincent Weiss, ein weiterer VW-Markenbotschafter verriet, dass er „seinen“ bereits im September erwartet. Offiziell heißt es seitens VW, dass die Bestellungen ab April/Mai beginnen und die Auslieferung der ersten Fahrzeuge ab Herbst erfolgen soll.
Was kostet der Spaß?
Apropos Bestellungen: Den ID.Buzz wird es ab rund 54.000 € geben, die Cargo-Version wird zwischen 35.000 € und 39.000 € liegen – jeweils noch abzüglich der Förderung. Aber Vorsicht: Die Preise beziehen sich auf die Basisversionen, zunächst wird der ID.Buzz jedoch zunächst nur in der besser ausgestatteten Version PRO zu bekommen sein.
Neben der regulären Version mit 4,71 Länge und 2,99 Meter Radstand wird es später auch noch eine Version mit längerem Radstand geben, ebenfalls wird ein Allradantrieb sowie die bereits angekündigte Camperversion als ID.California folgen – allerdings erst ab 2025.
Wo liegen die Stärken und Schwächen des ID.Buzz?
Die herausragendste Stärke des ID.Buzz erschließt sich auf den ersten Blick: Die Optik, das Design ist eine klare Referenz an den Ur-Vater T1, die One-Box-Kastenform, die Ur-Tugend des Bulli: Größtmögliche Raumausnutzung bei kleinstmöglich erforderlicher Verkehrsfläche – sprich Außenmaßen. Dank des Modularen-Elektrifizierungs-Baukastens (MEB) ist der ID.Buzz mit einem Radstand von 2,99 Meter und extrem kürzen Überhängen rund 27 cm kürzer als der aktuelle T7. Trotzdem hat er das größere Innenraumvolumen des T6.1.
Designer Klaus Zyciora hätte die Frontlinie des ID.Buzz gern noch stärker dem T1 nachempfunden: „Wir wollten am liebsten eine Linie, die One-Box-Form. Aber Windschutzscheibenlage und die Überhänge müssen ja auch mit den heutigen Crash-Anforderungen, Fußgängerschutz, Sensorlagen und der Aerodynamik vereinbar sein. Deshalb mussten wir Kompromisse eingehen. Aber das große Logo war mir besonders wichtig – das hat eine ganz andere Strahlkraft als ein x-beliebiges Kleineres aus dem Regal.“ Somit konnte nicht alles, aber doch erstaunlich viel aus der Design-Studie von 2017 in die Realität umgesetzt werden. Verzichtet werden musste aus Kostengründen beispielsweise auf die versenkten Türgriffe mit Sensorsteuerung, die 2017 noch die Studie zierten.
Weitere Stärken finden sich im wahrsten Sinne des Wortes bei der Zuglast: Eine Tonne darf der ID.Buzz mit 77 kWh-Akku an den Haken nehmen. Und: Es werden noch andere Varianten folgen, die teilweise auch Anhängelasten bis zu 1,2 Tonnen erlauben.
Was tut sich noch beim Bedienkonzept?
Und die Spannung steigt auch bei der 230-Volt-Steckdose im Fahrerraum: Mit ungewöhnlich hohen 300 Watt läuft diese im ID.Buzz, während vergleichbare Modelle nur eine Leistung bis zu 150 Watt bieten. Wobei auch hier noch Luft nach oben ist, wie Kai Grünitz bestätigt: „Über Over the Air-Updates werden wir dies perspektivisch noch steigern, so dass irgendwann auch die Bohrmaschine des Handwerkers (oder jetzt schon die Kaffeemaschine) darüber laufen kann.“
Was auch für die vielleicht präsenteste Schwäche gilt, das vielkritisierte Bedienkonzept des ID.3 & Co. Hierzu machte ebenfalls der Entwicklungschef Hoffnung: „Wir arbeiten mit Hochdruck daran. Sobald die technische Entwicklung bei VW Pkw das realisiert hat, wird die Aktualisierung auch direkt für den ID.Buzz per Over-The-Air-Update übernommen. Das ist ja das Schöne bei diesen Fahrzeugen: Der Kunde muss keine Sorge haben, einen alten Stand zu kaufen, die Aktualisierungen können permanent realisiert werden.“
Volkswagen oder VW Nutzfahrzeuge?
Ohnehin stellt sich die Frage, wer denn nun die Eltern des ID.Buzz sind – Volkswagen oder Volkswagen Nutzfahrzeuge wie beim Bulli damals? Auch hierzu verriet Kai Grünitz, Entwicklungschef Nutzfahrzeuge: „Die Plattform, das Fahrwerk und die gesamte Software kommen von VW (Cariad und Technische Entwicklung), aber den Hut und das Interieur haben wir von VWN draufgesetzt und alles appliziert. Bemerkenswert dabei: Ich habe noch nie so eine gute Zusammenarbeit erlebt zwischen VW und VWN wie bei diesem Projekt, wir haben tatsächlich Hand in Hand gearbeitet.“
Apropos Verhältnis Nutzfahrzeuge zu PKW: Nach dem Verhältnis der Absatz-Quote ID.Buzz (Personen-Beförderung) zu ID.Cargo (Güter-Transport) befragt, nannte Vertriebsvorstand Klaus Zellmer ganz klar die Relation „Fifty:Fifty“.
Wann geht es los in Hannover?
Ab April wird dann sukzessive die Produktion im Werk Hannover hochgefahren, die eine maximale Stückzahl von bis zu 100.000 ID.Buzz pro Jahr bei voller Auslastung produzieren könnte. Für realistisch erachtet Eric Felber, Leiter Kommunikation Volkswagen Nutzfahrzeuge, dagegen aber eher etwa 50.000 – 60.000 ID.Buzz pro Jahr und „in diesem Jahr des Anlaufs ist wohl eher eine niedrige fünfstellige Zahl realistisch. Aber auch Stückzahlen jenseits der 100.000 sind denkbar, wenn man beispielsweise an den amerikanischen Markt denkt und hier weitere Produktionsstätten in Betrachtung ziehen würde.“