Beim deutschen Importeur haben sie es aufgegeben, ihren Kunden die korrekte Aussprache der Marke beizubringen. In China, dem Heimatland des Elektroautos, wäre „Schaupong“ wohl angesagt – hierzulande ist „Ickspeng“ erlaubt. He Xiaopeng, der große Vorsitzende des E-Autoherstellers aus Gungchou, wird sicher darüber hinweghören. Hauptsache, wir nehmen ihm genügend Autos ab. Die Voraussetzungen dafür sind gut: Das vollelektrische Sportcoupé XPeng G6 gibt es mit einem 350 kW oder 476 PS starken Allradantrieb und einem hochwertigen NMC-Akku mit einer Kapazität von 87,5 Kilowattstunden (kWh) offiziell bereits für 51.600 Euro. Mit Vollausstattung – aufpreispflichtig ist lediglich eine Metallic-Lackierung (800 Euro) und die Montage einer elektrisch ausfahrbaren Anhängerkupplung.

Und wenn die Reichweite wichtiger ist als der Allradantrieb, surrt mit 210 kW (286 PS) vom Hof des Händlers und hat noch 4000 Euro für den nächsten Urlaub – oder die Ladestromlieferungen für die nächsten 50.000 Kilometer auf dem Sparbuch. Versuchen Sie mal zu den gleichen Konditionen einen ähnlich ausgestatteten Audi Q4 e-tron Sportback oder ein Skoda Enyaq Coupé zu bekommen – da wird das Sparguthaben ordentlich geplündert werden müssen. Selbst das Model Y von Tesla (52.990 Euro mit Allradantrieb), das nach dem jüngsten Facelift mit der durchgezogenen Lichtleiste vorne dem G6 sehr ähnlich sieht, ist eine Stange teurer.

Flotter Feger 
Der allradgetriebene Xpeng G6 Performance beschleunigt in 4,1 Sekunden auf Tempo 100. Da kommt echtes Sportwagenfeeling auf.
Flotter Feger
Der allradgetriebene Xpeng G6 Performance beschleunigt in 4,1 Sekunden auf Tempo 100. Da kommt echtes Sportwagenfeeling auf.

Aber bietet der Chinese auch die gleichen Qualitäten wie die europäische Konkurrenz, der Audi aus Zwickau oder der Skoda aus Mlada Boleslav? Wir haben den XPeng G6 Performance (die Topversion mit Allradantrieb) zwei Wochen lang einem Alltagstest unterzogen und blieben – so viel sei hier schon einmal verraten – ordentlich beeindruckt zurück. Und das, obwohl die winterlichen Rahmenbedingungen mit Temperaturen nur knapp über dem Gefrierpunkt alles andere als ideal waren.

Viel Autos fürs Geld

Respekteinflößend war schon der erste Eindruck: Mit einer Länge von 4,75 Meter, einer Breite von 1,92 Meter (ohne Spiegel) und einer Höhe von 1,65 Meter macht der XPeng G6 ordentlich was her. Die graphitgraue Lackierung und die die 20 Zoll großen Alu-Räder standen dem Stromer ebenso gut wie hellgraue Innenausstattung. Echtes Rindsleder ist in Zeiten des Klimawandels und der Vermessung der CO2-Fußabdrücke inzwischen nicht mehr opportun. Aber die Kunstlederhäute, mit denen XPeng die klimatisierten Sitze und große Teile des Armaturenträgers überzogen hat, schmeicheln dem Auge ebenso gut. Die Verarbeitung ist fast schon auf Audi-Niveau, die Passungen der Teile innen wie außen blieben ohne Tadel. Chapeau!

Betreutes Fahren 
Die zahlreichen Assistenzsysteme an Bord sind eine feine Sache, zumal sie keinen Aufpreis kosten. Die Fahrerzustands-Überwachung hingegen nervt - schon der Blick auf den Zentralbildschirm kann eine strenge Ermahnung von "Frau Schaupeng" eintragen.
Betreutes Fahren
Die zahlreichen Assistenzsysteme an Bord sind eine feine Sache, zumal sie keinen Aufpreis kosten. Die Fahrerzustands-Überwachung hingegen nervt – schon der Blick auf den Zentralbildschirm kann eine strenge Ermahnung von „Frau Schaupeng“ eintragen.

Natürlich müssen auch die Chinesen irgendwo sparen, um den günstigen Verkaufspreis hinzubekommen und obendrein die Strafzölle der EU zu kompensieren. So gibt es unterhalb der Knieregionen reichlich Hartplastik. Auch die Stöpsel, die unter der elektrisch angetriebenen (!) Ladeklappe die Stromanschlüsse schützen, wirken billig. Aber das ist dann auch schon Meckern auf hohem Niveau.

Bedienkonzept braucht Eingewöhnung

Über das Platzangebot im G6 gab es hingegen keinerlei Klagen. Beim Einsteigen hinten müssen Erwachsene zwar leicht den Kopf einziehen, Aber dafür dürfen sie anschließend die Beine ausstrecken. Zudem lässt sich die Neigung der Rückenlehne verstellen, wenn auf längeren Fahrten eine leichte Liegeposition eingenommen werden möchte. Das ist fast schon fürstlich.

Derweil hatte der Fahrer vor dem Start noch mit einigen Eingewöhnungsproblemen zu kämpfen: Wie stellt man die Außenspiegel ein, wie das Lenkrad? Knöpfe und Regler haben sie bei Xpeng nach Tesla-Vorbild weitgehend eingespart, ebenso übrigens wie das Handschuhfach. Die „Digital Natives“ in Fernost regeln inzwischen vieles per Touch und Wisch über ihr Smartphone und ein großes Zentraldisplay im Auto. Und da tun sich – wenn man das Prinzip und beim G6 auch die Struktur der tiefgestaffelten Menüs verstanden hat, enorme Möglichkeiten auf, zur Individualisierung des Fahrzeugs, zur Steuerung des Fahr- und Lenkverhaltens sowie des Aufenthaltskomforts auf. Erst recht, wenn man die XPeng-App herunterlädt und die Möglichkeiten dort ausschöpft.

Schnelles Laden dank 800-Volt-Architektur

Und so ging es dann mit unserem Testwagen irgendwann auf die erste Tour raus ins Bergische Land, dessen Straßennetz an vielen Stellen inzwischen so marode wie das in Ostdeutschland kurz vor der Maueröffnung. Da heißt es nach Schlaglöchern Ausschau zu halten und mit schnellen Lenkbewegungen zu reagieren, um schwere Erschütterungen des Fahrzeugs und Schäden an den Rädern vermeiden. Das gelingt dem XPeng dank adaptiven Multi-Valve-Stoßdämpfern und einer Mehrlenkerachse hinten ganz passabel, wenn auch nicht so zackig und geschmeidig, wie man es von Sportcoupés deutscher Premiumhersteller kennt. Aber die lassen sich das auch teuer bezahlen.

Platz ohne Ende
571 Liter passen bei voller Bestuhlung in den Kofferraum - das reicht völlig für den Wocheneinkauf. Bei umgelegter Rücksitzbank wächst das Gepäck- und Einkaufsvolumen auf bis zu 1374 Liter. Da passt dann auch schon mal das neue Bett von Ikea rein.
Viel mal laden
571 Liter passen bei voller Bestuhlung in den Kofferraum – das reicht völlig für den Wocheneinkauf. Bei umgelegter Rücksitzbank wächst das Gepäck- und Einkaufsvolumen auf bis zu 1374 Liter. Da passt dann auch schon mal das neue Bett von Ikea rein.

Dafür ersparen die sich bis heute vielfach eine 800-Volt-Architektur. Der Xpeng G6 hat diese bereits und kann deshalb auf Reisen am High-Power-Charger Gleichstrom deutlich schneller aufnehmen als die meisten Konkurrenten aus dem Westen. Bis zu 280 kW sind bei dem Performance-Modell nominell möglich, um den Ladestand des Akkus in 20 Minuten von 10 auf 80 Prozent anzuheben. Zumindest unter optimalen Bedingungen. Bei unseren Test-Beladungen erreichten wir trotz Vorkonditionierung des Akkus maximal 197 kW – was möglicherweise an den niedrigen Außentemperaturen oder auch an der Stromversorgung der Ladesäulen lag.

Mehr als 400 Kilometer Reichweite waren nicht drin

Und die Ladekurven, die wir dabei an den EnBW-Säulen zu Gesicht bekamen, ähnelten Achterbahnfahrten – erst ging es steil bergauf, dann rasant wieder runter, um dann später größere und kleinere Hüpfer hinzulegen. Mit der Folge, dass die Ladepausen meist länger dauerten als geplant. Für die Aufnahme von 66 Kilowattstunden brauchten wir in einem Fall 33 Minuten. Da blieb reichlich Zeit, im immerhin wohltemperierten Innenraum die E-Mails zu checken.

Schnell mal laden 
Mit einer maximalen Ladeleistung von 280 kW zählt der G6 zu den Schnellsten an der Ladesäule. Wir kamen bei unserem Test nicht über 197 kW hinaus. Und wunderten uns, warum Xpeng eine elektrische Ladeklappe mit Billig-Stöpseln am Band kombiniert.
Schnell mal laden
Mit einer maximalen Ladeleistung von 280 kW zählt der G6 zu den Schnellsten an der Ladesäule. Wir kamen bei unserem Test nicht über 197 kW hinaus. Und wunderten uns, warum Xpeng eine elektrische Ladeklappe mit Billig-Stöpseln am Band kombiniert.

Und die Reichweite? Blieb wohl aus ähnlichen Gründen ebenfalls unter den Erwartungen. Nominell soll der XPeng G6 Performance bis zu 550 Kilometer weit kommen. Wir hingegen mussten spätestens nach 400 Kilometer eine Lademöglichkeit suchen – bei einem Durchschnittsverbrauch von 21,1 kWh auf 100 Kilometer war beim besten Willen, trotz Verzicht auf den Dynamik-Modus und Reisegeschwindigkeiten um die 130 km/h auf der Autobahn, nicht mehr drin. Bei sommerlichen Temperaturen sollte das aber anders aussehen.

Großes Update steht vor der Tür

Reichweitenangst kam trotzdem keine auf. Auch weil der Ladeplaner – zumindest für ein Auto aus China – schon erstaunlich gut arbeitete. Weniger gut funktionierte dafür die Sprachsteuerung, die inzwischen auch des Deutschen mächtig ist. Und nervig war anfangs die als Assistenzsystem getarnte Fahrer-Überwachung. Für Chinesen mag das betreute und kontrollierte Fahren Alltag sein – wir wurden erst so richtig warm mit dem G6, nachdem wir herausgefunden hatten, wie man „Frau Schaupeng“ zum Schweigen bringt.

Schöner Wohnen 
Den großzügigen Innenraum des G6 haben minimalistisch-modern gestaltet und mit feinem Kunstleder ausgekleidet. Es gibt zwei Ladeplätze für Smartphones und eine frei konfigurierbare Ambientebeleuchtung, allerdings kein Handschuhfach. Fotos: Rother
Schöner Wohnen
Den großzügigen Innenraum des G6 haben minimalistisch-modern gestaltet und mit feinem Kunstleder ausgekleidet. Es gibt zwei Ladeplätze für Smartphones und eine frei konfigurierbare Ambientebeleuchtung, allerdings kein Handschuhfach. Fotos: Rother

Aber die Chinesen lernen bekanntlich schnell. Und Xpeng hat im Mutterland inzwischen auch schon ein Facelift für den G6 vorgestellt. 81 Neuerungen, so hört man, sind hier verbaut. Im Innenraum erwarten den Fahrer ein nochmals größeres Display und ein schwebendes Infotainment-System sowie elektronische Türöffner. Vor allem aber soll das Modell des Jahrgangs 2025 über eine nochmals verbesserte Ladeperformance verfügen und über einen effizienteren Antrieb. Wenn sich an den Verkaufspreisen nichts großartig ändert, sollten die Maßnahmen die Nachfrage nach dem Sportcoupé auch hierzulande deutlich erhöhen: Im vergangenen Jahr konnte XPeng von dem G6 in Deutschland gerade einmal 135 Exemplare absetzen. Am Auto lag es sicherlich nicht.

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