Bei Tesla sind sie ganz stolz auf ihr „Supercharger-Netzwerk“. Gerade gab der Elektroauto-Pionier bekannt, dass den Kunden des Unternehmens europaweit an 600 Standorten inzwischen 6000 Lademöglichkeiten bestehen, an denen mit wenigstens 150 Kilowatt (kW) Strom aufnehmen können. Allein in Deutschland stehen an 84 Standorten insgesamt 850 Supercharger zur Verfügung. An einigen davon sind auch schon die neuen V3-Supercharger installiert, die den Strom mit Ladeleistungen von bis zu 250 kW in den Akku eines Tesla Model 3, S oder X pumpen.
Im Vergleich damit ist das Schnellladenetz von Ionity geradezu bescheiden. Das Konsortium der deutschen Autohersteller, von Ford und Hyundai hat seit dem Start im Oktober 2017 europaweit bislang 337 Ladeparks in Betrieb genommen – das Ziel von 400 Standorten bis Ende 2020 wurde damit krachend verfehlt. Und wie es nach Erreichung der 400er Marke und der Basisabdeckung weitergeht, steht noch nicht fest.
Diskussionen über die Zukunft von Ionity
Vor einigen Wochen geisterten bereits Gerüchte durch die Branche, Mercedes wolle kein weiteres Geld in das Unternehmen pumpen, weil der Investitionsbedarf hoch, die Ertragslage schlecht und nicht absehbar ist, wann und ob Ionity jemals Gewinn abwerfe. Aus dem Grund war unter den Anteilseignern wohl auch diskutiert worden, das Joint-Venture für neue Kapitalgeber zu öffnen. Vertreter von Ionity wie auch die beteiligten Unternehmen mochten sich dazu nicht äußern.
Wie zur Bestätigung hat Porsche Chef Oliver kürzlich auf dem so genannten „Power Day“ des Volkswagen-Konzerns angekündigt, dass Ionity vor dem Markteintritt in Polen und in Portugal steht. Zudem soll an ausgewählten Ionity-Standorten nun damit begonnen werden, das „Ladeerlebnis“ zu verbessern – unter anderem mit einer Überdachung der Ladestationen, an denen der Strom inzwischen immerhin mit einer „Kraft von 350 Kilowatt“ fließt. Die Autohersteller hatten das bisher abgelehnt – ihnen war es wichtiger, mit dem eingesetzten Geld erst einmal eine möglichst große Flächendeckung zu erzielen. Inzwischen, so heißt es, sei man weiter und müsse auf die wachsenden Ansprüche der Kunden offener reagieren.
VW: Laden und Energie sind Kerngeschäft
Aus dem gleichen Grund wird noch in diesem Jahr das Ionity-Netz „Plug&Charge“-tauglich gemacht: Elektroautos mit entsprechender Befähigung wie etwa der Porsche Taycan müssen dann nur noch mit der Ladesäule verkabelt werden – der Strom fließt anschließend automatisch, ohne vorherige Freischaltung per App oder Ladekarte. Denn die Kundendaten und die Rechnungsadresse sind bereits im Auto hinterlegt. Tesla-Fahrer können darüber nur schmunzeln: Im markenexklusiven Supercharger-Netzwerk war das von Anfang an so geregelt.
Gleichzeitig aber kündete Blume auch den Aufbau eines Porsche-eigenen „Premium-Ladenetzes“ an, mit „HighPower-Ladeparks“ an strategischen Standpunkten und hochfrequentierten Plätzen. Alles natürlich nicht in Konkurrenz zu Ionity, heißt es in Stuttgart. Aber beim „Power Day“ wurde schon deutlich: Volkswagen will sich in Zukunft nicht mehr nur auf den Bau und den Verkauf von Elektroautos beschränken – auch die Bereiche „Laden und Energie gehören inzwischen zum Kerngeschäft“ des Autokonzerns, wie es Vorstandschef Herbert Diess formulierte.
Zu Beginn des Jahres wurden die Aktivitäten auf diesen Feldern bereits unter der Leitung der früheren Innogy-Managerin Elke Temme in einem neuen Geschäftsfeld gebündelt. Am 1. April schlüpft auch die Marke Elli unter dieses Dach, um, wie es heißt „ein Portfolio aus Stromtarifen, Wallboxen und Ladesäulen sowie ein intelligentes Energie-Management-System aufzubauen.“
Elektroauto wird „Energie-Dienstleister“
Volkswagen macht mächtig Druck: „Es muss jetzt weiter zügig vorangehen beim Ausbau der Ladeinfrastruktur“, mahnt Martin Roemheld, der als Leiter E-Mobility Services einer der Treiber ist. Denn davon hänge der Erfolg der Elektrifizierung der Modellpalette ab. Volkswagen werde dabei über das Joint-Venture mit Ionity hinaus eigene Beiträge liefern. Etwa durch den Aufbau eines Ladenetzes für die Mitarbeiter an den Firmenstandorten. Aber auch durch die Aktivierung neuer Partner wie den Mineralölkonzern BP/Aral, Enel in Italien und Ibederola in Spanien. Oder etwa durch die Finanzierung von drei, bald vier Ionity-Schnellladestationen in Wolfsburg – als „Geschenke“ an die Stadt, aber auch als „Lernfelder“ für den Aufbau von HPC-Ladeparks in Städten insgesamt.
Volkswagen arbeitet aber auch daran, die wachsende Zahl der Elektroautos stärker als bisher in den Energiemarkt zu integrieren – nicht nur als Stromverbraucher, sondern als Strompuffer. Der Stromer könnte darüber zu so etwas wie ein Energie-Dienstleister werden – und sich so „seine Mobilität selbst verdient“, wie es Roemheld formuliert. Diess hatte auf dem „Power Day“ davon gesprochen, dass auf diese Weise der Ladestrom eines Tages sogar kostenlos werden könnte.
VW bringt Wallbox für bidirektionales Laden
Volkswagen will seine Elektroautos deshalb schon im kommenden Jahr zum bi-direktionalen Laden befähigen, um eine Rückeinspeisung des im Fahrzeug-Akku gespeicherten Stroms zumindest ins Hausnetz zu ermöglichen. Nötig ist dafür eine spezielle Wallbox mit CCS-Stecker und integriertem Umrichter: Im Akku des Autos steckt Gleichstrom.
„Wir arbeiten daran, im nächsten Jahr ein solches Angebot im Markt zu haben“ – auch unabhängig davon, wie sich die neue Norm ISO 15118-20 bis dahin entwickelt hat. Die Norm regelt die Kommunikation zwischen dem Auto und der Ladestation sowie zwischen Wallbox und dem Strom- und Hausnetz. Billig wird die DC-Wallbox für das bidirektionale Laden nicht werden – die erste Wallbox der Art (allerdings für den asiatischen CHAdeMO-Anschluss) des spanischen Herstellers Wallbox kostet knapp 6000 Euro. „Aber das ist eine Frage der Stückzahlen“, sagt Roemheld. Auch konventionelle AC- Wallboxen hätten in den zurückliegenden Jahren enorme Preissenkungen erlebt. Roemheld: „Ähnliches werden wir bei den DC-Wallboxen sehen. Es gibt keinen Grund, warum eine DC-Wallbox in Zukunft signifikant teurer sein sollte als eine AC-Wallbox.“