Es sind Bilder, wie sie in den vergangenen Wochen häufig zu sehen waren: Überraschte Autofahrer versuchen, sich und ihr Fahrzeug durch überflutete Straßen in Sicherheit zu bringen. Zahlreiche Fahrzeuge versinken in den Wassermassen, weil ein Weiterfahren nicht mehr möglich war. Bei einer zunehmenden Verbreitung der Elektromobilität stellt sich daher die Frage: Sind Elektroautos bei der Durchfahrt durch Wasser gefährlicher für die Insassen? Und bleiben sie aufgrund einer geringeren Wattiefe möglicherweise früher als Verbrennerautos liegen? Die Frage sind nicht ganz unwichtig, da immer mehr Elektroautos auf die Straße kommen und auch im Rettungswesen die Elektrifizierung begonnen hat: Erste Krankenwagen mit Elektroantrieb rollen bereits durch Duetschland.
Strom und Wasser vertragen sich bekanntlich nicht besonders gut. Sobald Feuchtigkeit in elektronische Bauteile eindringt, besteht die Gefahr von Funktionsverlusten oder einer kompletten Zerstörung. Das gilt gleichermaßen für die Elektronik in Verbrennern wie in Elektroautos. „Sobald die elektronische Datenbusverbindung ausfällt, wird sowohl der Verbrenner als auch das Elektrofahrzeug nicht mehr fahrbereit sein. Das kann zum Beispiel der Fall sein, wenn das Auto in einer überfluteten Umgebung parkt“, teilte Audi auf Anfrage mit.
Audis schaffen 50 cm Wassertiefe
Theoretisch können Elektroautos sogar besser im Wasser funktionieren als Verbrenner, da sie keinen Sauerstoff ansaugen müssen. Nicht-nukleare U-Boote nutzen bei Tauchfahrt daher einen Elektromotor, der von Akkus oder einer Brennstoffzelle mit Energie versorgt wird. Doch im Gegensatz zu U-Booten sind Elektroautos nicht so gut gegen Wasser isoliert, als dass der Antrieb bei beliebigen Wassertiefen noch funktionieren würde.
Das betrifft weniger Komponenten wie die Hochvoltbatterie oder den Elektroantrieb. Diese sind in der Regel flüssigkeitsgekühlt und daher hermetisch abgeschlossen, so dass Flüssigkeit weder aus- noch eindringen kann. Das gilt jedoch nicht in gleicher Weise für die Kabelsteckverbindungen zwischen den Bauteilen oder andere Komponenten.
Erstaunlicherweise machen die Hersteller sehr unterschiedliche Angaben dazu, was die zulässige Durchfahrttiefe ihrer Fahrzeuge betrifft. So teilte Audi mit: „Bei Audi stellen wir sicher, dass unsere Fahrzeuge (Verbrenner und Elektroautos) bis zu einer Wassertiefe von 50 cm eine Wasserdurchfahrt in Schrittgeschwindigkeit unbeschadet überstehen. Es besteht keine Modellabhängigkeit in dieser Anforderung.“ Immerhin können Audi-Fahrzeuge wie der e-tron somit langsam durch knietiefes Wasser fahren.
Bis zur Unterkante der Karosserie
Deutlich vorsichtiger äußerte sich Mercedes-Benz. „Wenn eine Wasserdurchfahrt nicht vermeidbar ist, so darf die Wasserhöhe bei ruhigem Wasser maximal der Unterkante der Karosserie entsprechen. Unterschiedliche Fahrzeug-Modelle weisen natürlich verschiedene Fahrzeughöhen auf, so dass die Bodenfreiheit nicht pauschal auf eine Höhe festgelegt werden kann“, sagte eine Sprecherin auf Anfrage.
Ein SUV wie der EQC könnte vollbeladen aufgrund der geringen Bodenfreiheit von 97 Millimetern somit nur durch knöcheltiefes Wasser fahren. Beim EQA könnte bei einer Bodenfreiheit von 20 cm das Wasser immerhin bis zur Wade reichen. Nochmal 10 cm höher könnte das Wasser beim Extremgeländewagen EQC 4×4² stehen.
Ein wichtiger Faktor für eine sichere Wasserdurchfahrt sei zudem die Fahrgeschwindigkeit. Mercedes empfiehlt daher, nicht schneller als Schrittgeschwindigkeit zu fahren. Da nach einer Wasserdurchfahrt die Bremsen eine verminderte Bremswirkung aufwiesen, sollte der Fahrer das Fahrzeug vorsichtig abbremsen, bis die volle Bremswirkung wiederhergestellt sei.
Keine Stromschläge für Insassen zu befürchten
Keine Gefahr für die Insassen soll durch eine überschwemmte Hochvolt-Batterie ausgehen.
So heißt es bei Audi: „Sobald das Fahrzeug eine relevante Abweichung im Isolationswiderstand des Hochvoltsystems erkennt, wird die Hochvolt-Batterie mit Schützen vom Fahrzeug getrennt und das Gesamtsystem stromlos geschaltet. Die Gefahr für einen elektrischen Schlag an einem technisch intakten Fahrzeug kann daher ausgeschlossen werden.“
Ähnlich äußerte sich Mercedes: „Bei eindringendem Wasser kann es unter Umständen zu lokalen Kurzschlüssen in den Hochvolt-Komponenten kommen. Diese werden durch entsprechende Überstromschutzmaßnahmen wie zum Beispiel Sicherungen abgeschaltet. Festzuhalten ist, dass zu keiner Zeit Hochvolt-Spannungen an den Gehäusen von Komponenten anliegen oder entstehen.“
Höchste IP-Schutzklasse für Hochvolt-Systeme
Elektrische und elektronische Bauelemente sind in den Fahrzeugen je nach Einbauposition unterschiedlich gegen Feuchtigkeit geschützt. „Grundsätzlich sind diese Bauteile gegen den Eintritt von Wasser geschützt, beispielsweise durch Regen, Waschanlage oder Hochdruckreinigung“, heißt bei Audi. Für die einzelnen Bauteile gebe es entsprechende Vorgaben der IP-Schutzklassen, die davon abhingen, ob sich ein Bauteil in einem Nassbereich, Spritzwasserbereich oder im Innenraum befinde.
Bei Mercedes sind demnach zumindest alle Hochvolt-Komponenten mit der höchsten Schutzklasse IP 6K9K abgesichert. Das bedeutet, dass die Komponenten eine völlige Staubdichtheit sowie Schutz gegen Wasser bei Hochdruck- und Dampfstrahlreinigung aufweisen müssen.
Keine generellen Unterschiede zwischen Verbrennern und E-Autos
Sowohl Mercedes als auch Audi sehen somit bei der Wassertauglichkeit keine generellen Unterschiede zwischen Elektroautos und Verbrennerfahrzeugen. Für den Verbrennungsmotor sei ein Wassereintritt in die Luftansaugung eine kritische Schwelle, heißt es bei Audi. Für Mercedes sind beide Antriebsarten gleichermaßen „allgemein nicht für den Einsatz in ‚Hochwassersituationen‘ vorgesehen, da es sich hierbei unter Umständen um nicht vorhersehbare Extremsituationen handelt“. Eine pauschale Bewertung sei nicht möglich.
Und wie sieht es beim Elektroautohersteller Tesla aus? Firmenchef Elon Musk hat vor einigen Jahren sogar von einem „Schwimm-Modus“ beim Model S gesprochen.
Können Teslas wirklich schwimmen?
So twitterte Musk im Juni 2016 als Reaktion auf das Video eines Tesla-Fahrers, der ein Model S durch einen überfluteten Tunnel in Kasachstan gesteuert hatte: „Wir können das definitiv nicht empfehlen, aber das Model S schwimmt gut genug, um es kurzzeitig in ein Boot zu verwandeln. Der Antrieb erfolgt durch die Drehung der Räder.“ Antrieb und Batterie seien abgedichtet, ergänzte Musk.
Nicht ganz so ernst gemeint ist allerdings der „Tauch-Modus„, der im Menü des Model S aufgerufen werden kann. In den Einstellungen hatten Programmierer ein so genanntes „Easter Egg“ versteckt, das aus dem Model S einen Lotus Esprit aus dem James-Bond-Film „Der Spion, der mich liebte“ machte. Natürlich nur virtuell auf dem Monitor.
Wasser schwappt bis auf die Fronthaube
Nach den jüngsten Überschwemmungen in der chinesischen Provinz Henan zeigten hingegen im Internet veröffentlichte Videos, wie verschiedene Teslas durch überflutete Straßen steuern. In einem der Videos schwappt die Bugwelle der Wassermassen bis auf die Fronthaube. In einem anderen Video ist zu sehen, wie ein Tesla tatsächlich schwimmend durch sein rotierendes Hinterrad angetrieben wird.
Darüber hinaus zeigt Tesla in einem Werbevideo der Autofabrik in Schanghai, wie ein Model Y bei der Qualitätskontrolle durch ein Bassin mit einer Wassertiefe von gut 40 cm fährt. Wie wasserfest sind also die Tesla-Autos? Auf Anfrage verwies ein Sprecher des Unternehmens auf das Notfallhandbuch für das Model 3. Darin heißt es: „Behandeln Sie ein in Wasser eingetauchtes Model 3 wie jedes andere in Wasser eingetauchte Fahrzeug. Bei Model 3 geht von der Karosserie auch unter Wasser keine erhöhte Stromschlaggefahr aus.“ Generelle Angaben zur Wattiefe der Elektroautos von Tesla konnte der Sprecher allerdings nicht machen.