Abasnormen, CO2-Emissionen? Sind kein Thema in den klassischen Motorrad-Zeitschriften. Statt über Umweltaspekte fachsimpelt man dort lieber über die Frage über Auspuffsysteme mit zwei Gaswegen – eine mit „sozialverträglichen Geräuschwerten“ für die Fahrt durch die Stadt und einen für „vollen Durchlass“ der Motorgeräusche bei Fahrten über Land. Lithium-Ionen-Akkus kommen dort auch vor, aber nur als kleine Starterbatterien. Ansonsten feiert man dort noch Pferdestärken und Hubraumgrößen, debattiert man Kurbelwellenkröpfungen und Tankinhalte.
Dabei steht auch der Motorrad-Branche ein Umbruch bevor, tritt die Ära der Verbrenner auch im Zweirad-Bereich in die letzte Phase. Seit Inkrafttreten der Euro-5-Abgasnorm zu Jahresbeginn, gelten strengere Grenzwerte für die Emissionen von Kohlenstoffmonoxid (1000 Milligramm pro Kilometer), Kohlenwasserstoffen (100mg/km), Stickoxide (60mg/km) sowie Feinpartikel (4,5 mg/km). Obergrenzen für den CO2-Ausstoß der Maschinen gibt es zwar noch ebenso wenig wie CO2-Flottengrenzwerte bei den Autos. Immerhin arbeitet die Europäische Union bereits an einer neuen Fahrgeräusch-Verordnung, um die erlaubten Lärmemissionen unter den Wert von aktuell 77 Dezibel zu drücken. Und künftig wird ein Kleincomputer auch kontrollieren, dass der Katalysator ordnungsgemäß arbeitet und nicht etwa vom Besitzer ausgebaut wird, um das akustische Fahrerlebnis zu erhöhen.
Politik droht mit Fahrverboten
Der politische Druck auf die Zweiradindustrie wächst jedenfalls. In Italien wird in mittlerweile rund 200 Städten Zweitaktern die Einfahrt komplett verwehrt, in Amsterdam, London und Paris sollen in einigen Jahren sämtliche Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor – auch Roller und Motorräder – Einfahrverbot erhalten. Aufgrund der Lärmbelästigungen haben auch in Deutschland auch jetzt schon zumindest saisonale Fahrverbote für Motorräder erlassen, die von einer Verbrennungskraftmaschinen angetrieben werden.
Vor dem Hintergrund trifft es sich ganz gut, dass das Angebot an Motorräder wächst, die dank Elektroantrieb ohne einen Auspuff auskommen, weder Lärmbelästigungen verursachen noch die Luft verschmutzen – und trotzdem jede Menge Fahrdynamik bieten. Auf der Dortmunder Motorradmesse (5. bis 8. März) werden einige davon zu sehen sein. Wir stellen eine Auswahl davon hier vor.
360 Kilometer mit einer Akkuladung
Beispielsweise die Zero SR/S, den nagelneuen vollverkleideten Sporttourer des kalifornischen Herstellers Zero Motorcycles. In punkto Dynamik braucht sich das Elektromotorrad selbst hinter einer konventionell angetriebenen Kawasaki Ninja nicht zu verstecken, mit einer Leistung von 81 Kilowatt Leistung und einem maximalen Drehmoment von 190 Newtonmeter. Ok, bei der Zero beträgt die Höchstgeschwindigkeit „nur“ 200 km/h statt 240 km/h wie bei der Ninja. Aber auch die sind im Alltagsverkehr ohnehin nur schwer darzustellen. Der Lithium-Ionen-Akku an Bord der Zero SR/S fasst immerhin 14, 4 Kilowattstunden (kWh) Strom, über einen zusätzlichen „Power-Tank“ lassen sich weitere 3,6 kWh hinzufügen. Damit sind im Stadtverkehr Fahrten über 360 Kilometer darstellen. Auf der Autobahn beträgt die Reichweite dann immerhin 180 Kilometer.
Wieder aufgeladen werden kann die Batterie an öffentlichen Ladesäulen mit Typ-2-Anschluss. Zero bietet verschiedene Lademodule an. In der 23.740 Euro teuren Premiumversion kann beispielsweise mit einem 6kW-Rapid-Charger die Batterie in einer Stunde wieder komplett geladen werden. Das Standardmodell hat nur ein Ladegerät für Leistungen bis zu 3 kW an Bord – da dauert ein Ladevorgang naturgemäß deutlich länger.
Wie bei den Elektroautos entwickelt sich die Antriebs- und Steuerungstechnik auch bei den Elektro-Motorrädern rasant. In puncto Digitalisierung sind sie ihren konventionell angetriebenen Schwestermodellen weit voraus – die Zero offeriert zehn benutzerdefinierte Fahrmodi und die Möglichkeit der Fernüberwachung des Fahrzeugs. Und in punkto Fahrspaß, Komfort und Sicherheit herrscht inzwischen Gleichstand. Auf Fernfahrten limitiert der Stromspeicher zwar noch ein wenig die Reichweite. Aber im Stadt- und Regionalverkehr sind sie unschlagbar: Um „sozialverträgliche Geräuschwerte“ muss man hier keine Gedanken machen.