Vor vier Jahren brachte Hermann Neuburger seine ersten fleischlosen Produkte auf den Markt. Der Österreicher aus Ulrichsberg bei Linz hatte die Fleischerei seines Vaters in den 1980er Jahren übernommen – als Vertreter der dritten Generation in diesem Handwerk. Den steigenden Fleischkonsum und seine Folgen für die Umwelt wie auch für die Gesundheit seiner Kunden sah er über die Jahre mehr und mehr kritisch. „Damals habe ich mir gedacht, jeder ist verantwortlich für das, was er macht, was er isst, ob er Fleisch isst“, sagt Neuburger „Als Fleischerzeuger aber trage ich die 100-fache Verantwortung.“ Er sattelte deshalb auf Fleischersatz-Produkte um.

Neuburger ist nicht der einzige, der erkannt hat, dass sich mit Fleischersatz nicht nur in Notzeiten Kapital schlagen lässt. Ob Erbsen, Algen oder andere pflanzliche Ersatzstoffe: Der Markt rund um vegetarische Fleischersätze boomt. Nicht zuletzt wegen der Skandale in Schlachtbetrieben, die nun auch noch als Infektionsherde für Corona-Viren gelten. Das macht sich weltweit bemerkbar. So konnte etwa der US-Hersteller Beyond Meat seinen Umsatz in den ersten drei Monaten des Jahres 2020 um 141 Prozent steigern. Übrig blieb davon ein Gewinn von 1,8 Millionen US-Dollar. 

Auch für Ex-Metzger Hermann Neuburger zahlt sich jetzt aus, dass er sich bereits vor Jahren auf die Suche nach einem ganz eigenen Rezept begeben hat: Gemeinsam mit seinem Sohn Thomas und den engsten Mitarbeitern forschte er lange an fleischlosen Ersatzlebensmitteln. Die Suche nach dem passenden Rohstoff führte sie nach Asien. Dort hat die fleischlose Kultur eine lange Tradition. Schnell wurde ihnen klar: Sie wollen nur natürliche Zutaten verwenden. Das machte die Sache schwierig. Denn Fleischalternativen werden häufig mit künstlichen Zusatzstoffen und Geschmackverstärkern versetzt.

Men in Black
Thomas und sein Vater Hermann Neuburger setzen auf natürliche Zutaten.

Austernpilz setzt sich durch


Neuburger probierte Kombinationen aus vielen natürlichen Zutaten aus: Gegen Soja, Seitan und Co. setzte sich schließlich der Kräuterseitling durch. Ein Austernpilz. Er ist fixer Bestandteil der asiatischen Küche und in Europa noch relativ unbekannt. Der Austernpilz überzeugte die Familie nicht nur geschmacklich, sondern auch mit seiner Umweltbilanz: Bei der Produktion von einem Kilogramm Kräuterseitling wird nach Angaben des Unternehmen nur ein Kilogramm CO2 freigesetzt. Zum Vergleich: Die Produktion von einem Kilogramm Fleisch schlägt mit rund 13 Kilogramm in der Klimabilanz zu Buche.

Neuburgers Interesse war geweckt. Er probierte, testete und verwarf hunderte Rezepte. Bis er zufrieden war mit ersten Rezepten auf Pilzbasis. Zu 70 Prozent bestehend aus Kräuterseitling, zu 30 Prozent aus Reis, Pflanzenöl, Hühnerei und Gewürzen. Natürlich in Bio-Qualität: Die Zutaten bezieht der ehemalige Metzger regional, die Pilze werden seit Anfang 2018 direkt vor Ort im Unternehmen gezüchtet und von Hand geerntet.

Pilz statt Milz
Der ehemalige Metzger schlachtet nicht mehr, sondern züchtet Fleischersatz-Pilze und verarbeitet sie zu Fleischersatz-Produkten.

Von Rostbratwürstchen, Käsebratwurst oder Bratstreifen über Schnitzel bis hin zu Hack – das fleischlose Sortiment von Hermann ist mittlerweile breit gestreut.

Vergangenes Jahr sicherte sich Neuburger schließlich seine neue Produktlinie mit einem europaweiten Patent, das die Herstellung von Fleischersatz-Produkten basierend auf Speisepilzen und deren Fruchtkörpern umfasst. Erstmals bildet in Europa ein Pilz die Grundlage für eine Fleischalternative.

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