In das Sollo Restaurant geht man nicht einfach so: Man reserviert mehrere Tage im Voraus, macht eine Anzahlung, nimmt sich für das Essen mindestens drei Stunden Zeit. 16 Gänge werden serviert, kleine Portionen auf glasierten Keramiktellern mit unebener Oberfläche, die an die schuppige Haut eines Fischs erinnern. Überhaupt ist Fisch hier allgegenwärtig: Bis auf das Dessert enthält jeder Gang Fisch oder Kaviar, kleine Metall-Fische dekorieren den Raum, Keramikfische dienen als Besteckhalter und der Koch, den man durch die Glasscheibe zur Küche sieht, hat einen großen Fisch auf den Unterarm tätowiert. Eine Fensterfront weiter: Der Blick auf die südspanischen Mittelmeerküste. Doch obwohl es so nah ist, schwamm keiner der Fische, die im Sollo Restaurant serviert werden, jemals im Meer. Diego Gallegos, der Koch des Michelin-Restaurants an der Costa del Sol, serviert ausschließlich Süßwasserfisch und fast nur aus eigener Zucht. Sein Ziel ist es, Genuss und Nachhaltigkeit zu verbinden.

Das Sollo Restaurant befindet sich im DoubleTree by Hilton Hotel in Fuengirola, etwa 30 Kilometer von Malaga entfernt. Im Garten, neben einem der Pools, ist das hoteleigene Gewächshaus inklusive Aquaponik-Anlage. Bis Ende des Jahres sollen alle Fische und das gesamte Gemüse, das im Sollo-Restaurant verarbeitet wird, aus eigenem Anbau und eigener Aufzucht stammen – ein bisher einzigartiges Konzept.

Lernen in der „Meeres-Schule“ von Malaga

Aquaponik bezeichnet ein Kreislauf-Verfahren, das die Aufzucht von Fischen und den Anbau von Pflanzen verbindet. Die Becken der Fische und die Beete der Pflanzen sind durch ein Pumpsystem gekoppelt. Das Wasser aus den Fischtanks wird zu den Pflanzen gepumpt, die ihre Nährstoffe aus den Exkrementen der Tiere beziehen. Dadurch wird es gefiltert und kann zu den Fischen zurückgeführt werden. Die Nährstoffzufuhr erfolgt nur durch das Futter der Fische, der einzige Wasserverlust entsteht durch Verdunstung.

Im Hilton in Malaga wird seit 2016 mit der Technik experimentiert. Angefangen haben sie mit einem kleinen Modell, bestehend aus zwei Tanks, erinnert sich Juan Antonio López. Er ist der Technische Direktor der Anlage, der damals den gesamten Prozess ins Rollen brachte. Der Biologe setzt sich schon seit 30 Jahren für den Umweltschutz ein, leitet mehrere Forschungsgruppen zum Meeresschutz und hat „Aula del Mar“ gegründet, die „Meeres-Schule“ von Malaga. Dort sollen Familien lernen, wie sie durch Aquaponik-Anlagen ihr eigenes Essen produzieren können. „Ich wünsche mir, den Fischfang im Meer zu reduzieren“, sagt Lopéz. „Die Fische sind extrem belastet durch den ganzen Müll, der die Ozeane verseucht. Mit jedem Boot, das auf See fährt, gelangen mehr Schadstoffe ins Wasser.“

100 Prozent aus eigener Zucht bis Ende des Jahres

Die Aquaponik ist weitaus nachhaltiger und Lopéz will diese Technik verbreiten. Auf einer Unternehmer-Messe in Malaga lernte er Diego Gallegos kennen, der damals bereits ein Restaurant in der Stadt führte. Sie verstanden sich sofort: Beide engagierten sich für den Umweltschutz und beide interessierten sich für das Potenzial der Süßwasserfische, das an der südspanischen Küste fast ungenutzt ist. Gallegos kommt aus Brasilien und hat Biochemie studiert, ehe er seiner Leidenschaft folgte und Koch wurde. „In Brasilien kochen wir oft mit Flussfischen“, erzählt er. „Der Geschmack ist in meinem Kopf.“ Seine Erinnerungen mixt Gallegos mit traditionellen, andalusischen Rezepten, die oft Wels oder Barsch enthalten.

Gemeinsam mit Lopéz hat Gallegos dem Hotelchef Jose Navas vorgeschlagen, ein Restaurant im Hotel zu eröffnen, in dem langfristig nur mit selbst angebauten Pflanzen und selbst gezüchteten Fischen gekocht werden soll. Der Chef war begeistert. Noch im selben Jahr, in dem Gallegos sein neues Restaurant im Hilton-Hotel eröffnete, erhielt er seinen ersten Michelin-Stern.

Inzwischen bezieht das Restaurant alle Pflanzen und 80 Prozent der verarbeiteten Fische aus eigener Aufzucht. Das Ziel ist, Ende des Jahres die 100 Prozent zu erreichen. Jeden Vormittag geht Gallegos ins Gewächshaus direkt neben dem Hotel, schneidet sich Kresse, Kohl oder Salat ab und schaut nach den Fischen. 30 Fisch- und Pflanzenarten sind hier untergebracht – ein kleiner Teil der gesamten Anlage. „Noch haben wir zu wenig Platz hier“, sagt Lopéz. „Deswegen arbeiten wir mit Partnern zusammen.“

2000 Fische pro Jahr

Bei Aula del Mar werden Jungfische aus dem Kaviar gezogen und angefüttert, danach kommen sie nach Huerto Lazo, eine drei Hektar große Farm im Hinterland von Malaga. Fürs Restaurant werden dort pro Jahr 2000 Fische aufgezogen, jeder wiegt etwa 400 Gramm. Über den Becken türmen sich vertikale Gärten und bepflanzte Rohre bis zur Decke. Der Wasserverlust durch Verdunstung ist minimal. Wenn die Fische groß genug sind, werden sie zum Hotel gebracht und verbringen ihre letzten Tage in den Tanks im Gewächshaus.

Noch sind die Wege weit und der Transport der Fischtanks ist sicherlich nicht emissionsfrei. Langfristig soll sich das aber ändern. „Nächstes Jahr wird das Hotel umgebaut. Wir wollen die gesamte Aquaponik-Anlage vor Ort haben“, sagt Jose Navas. „Sie soll so weit vergrößert werden, dass das Restaurant seinen gesamten Bedarf an Fisch aus der eigenen Zucht decken kann.“ Der Hotelchef unterstützt die grünen Ideen seines Kochs tatkräftig. Das Engagement für die Umwelt ist ihm wichtig und er weiß, dass gerade der Tourismus zu den größten Klimasündern gehört.

Aquaponik als Marketing-Investition

Die Maßnahme des DoubleTree by Hilton Hotel in Malaga fügt sich in die „Travel with Purpose“-Initiative der gesamten Kette. Bis 2030 soll dabei der ökologische Fußabdruck um die Hälfte reduziert und das soziale Engagement verdoppelt werden. Geplant ist, weniger Müll zu produzieren, nachhaltige Lebensmittel zu verwenden und den CO2-Ausstoß zu reduzieren. Die Zusammenarbeit mit lokalen Produzenten soll erhöht werden und die Mitarbeiter sollen sich vermehrt sozial engagieren.

„Natürlich geht es auch um Marketing“, sagt Hotelchef Navas. „Die Kosten durch den Neubau der Aquaponik-Anlage sehe ich als Investment.“ Navas ist stolz, dass sich in seinem Hotel ein Restaurant mit so zukunftsweisendem Konzept befindet – auch wenn dort je nach Jahreszeit nur 14 bis 26 Menschen essen können. Noch befindet sich das System am Anfang und Lopéz, Gallagos und alle anderen Beteiligten experimentieren noch, welche Fisch- und Pflanzenarten am besten harmonieren und wie man das System verbessern kann. Doch es ist der erste kleine Schritt, der für jede Veränderung gemacht werden muss.

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