Verkehrsstaus, überfüllte Züge und Fahrverbote gehören heute fast überall auf der Erde zum Alltag. Daher suchen Forscher, Gründer und Konzerne allenthalben nach Auswegen vor dem drohenden Verkehrskollaps. Wie aber wird die Mobilität der Zukunft aussehen in einer Welt, in der nach Schätzungen der Vereinten Nationen bis zum Jahr 2050 zwei Drittel der Menschen in Metropolen wie Los Angeles, Singapur oder Mexico City leben werden?

Die Straße durch den Ausbau öffentlicher Verkehrsmittel zu entlasten, scheint naheliegend. Doch neue U-Bahn- und S-Bahn-Strecken zu bauen ist teuer – und dauert. Also helfen solche Maßnahmen eher langfristig, sofern es überhaupt gelingt, den steigenden Mobilitätsbedarf auf diese Weise nachhaltig zu bändigen. Denn die Kapazität von Straßen, Schienen und ganzen Vierteln ist und bleibt nun einmal begrenzt. Daher bleibt nur abzuheben, meint eine wachsende Zahl von Experten und Gründern. Und schlägt vor, den bisher noch weitgehend unerschlossenen Raum über den Städten zu erobern. Stichwort 3-D-Mobilität.

Für bemannte Drohnen als Transportmittel sprechen vielfältige Einsatzmöglichkeiten: beispielsweise im gewerblichen Bereich, um Stromleitungen zu kontrollieren, Flächen in der Forst- und Landwirtschaft zu überwachen, Soldaten zu transportieren oder Unfallopfer zu retten. Aber auch für den individuellen Personenverkehr gibt es Ideen; nicht zuletzt dank Dorothee Bär, Staatsministerin für Digitales in der Bundesregierung. Sie hat das Thema Flugtaxis bereits in ihrer Amtsansprache aufgriffen und damit zunächst viel Spott geerntet. Weil sich noch immer viele Menschen nicht vorstellen können, wie ein Flugverkehr in den Städten funktionieren soll.

Das Meinungsbild dürfte sich jedoch bald wandeln, geht es nach Porsche Consulting. In einer jüngst erschienenen Studie prognostizieren die Berater dem vertikalen Verkehr schnelle Erfolge: Bereits 2035 könnte die Branche demnach Umsätze in zweistelliger Milliardenhöhe erreichen. Auch das Fraunhofer Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) in Stuttgart beschäftigt sich eingehend mit dem Thema. Erst kürzlich hat es dem Themenkomplex 3-D-Mobilität ein eigenes Symposium gewidmet, bei dem Unternehmer und Experten aus der Branche zu Wort kamen. Bei der Debatte zeigt sich: Der Hype um die 3-D-Mobilität ist bereits jetzt riesengroß. Die Zweifel aber ebenso verbreitet, ob sich die ehrgeizigen Visionen realisieren lassen.

Volocopter und Lilium mischen hierzulande mit

Weltweit arbeiten derzeit etwa 60 Unternehmen an der Entwicklung von EVTOLs (kurz für: Electrical Vertical Take-Off and Landing), also elektrisch angetriebenen, autonom fliegenden kleinen Senkrechtstartern für den Personentransport. Darunter etablierte Player wie Google, Airbus und die Audi-Tochter Italdesign, aber auch Start-Ups wie die chinesische Firma Ehang.

In Deutschland werkeln Gründer ebenfalls an den Flugobjekten. Beispielsweise die Start-ups Volocopter aus Bruchsal und Lilium aus dem bayrischen Wessling, die jeweils ganz unterschiedliche Konzepte verfolgen. Volocopter, in das auch Daimler investiert hat, setzt auf drohnenähnliche Multicopter mit vielen kleinen Rotoren. Lilium dagegen arbeitet an wesentlich leistungsfähigeren Modellen mit Schwenk-Propellern und Tragflügeln. Letztere sollten bis zu 300 Kilometer pro Stunde schnell sein und die Strecke vom Münchner Flughafen zum Marienplatz in nur acht Minuten zurücklegen. (Mehr über das Start-up Lilium lesen Sie in der aktuellen EDISON-Ausgabe.)

In der Regel wollen die Projekte Hubs in urbanen Gegenden verbinden, etwa Bahnhöfe mit Flughäfen. Später sollen die Drohnen auch Menschen aus abgelegenen Regionen an die Metropolen anschließen. Derzeit hat jedoch noch keines dieser Projekte eine Zulassung für den Passagierflug und das kann nach Meinung der Experten auch dauern. Dr. Jochen Kaiser vom Bauhaus Luftfahrt ist skeptisch. „In der Luftfahrt braucht man einen langen Atem“, sagt er, „die Zertifizierung kann mitunter Jahre dauern.“ Zudem befürchtet er einige Hürden bei der Umsetzung. Denn sollte ein nennenswerter Teil des Verkehrs abheben, würde es schnell eng im Luftraum, wie das Beispiel Los Angeles zeigt: Würden dessen Bürger nur ein Prozent ihrer Fahrten in die Luft verlagern, führte das zu ca. 5000 Flugbewegungen pro Stunde, hat Kaiser berechnet.

„Die Infrastruktur unserer Städte und Behörden ist heute einfach nicht darauf ausgelegt, so viele Flugbewegungen zu erfassen, zu steuern und zu kontrollieren.“ Autonome Systeme seien zudem auf ein ständiges sekundenschnelles Aktualisieren der Datenbanken angewiesen, damit die Systeme sofort auf Hindernisse und Bedrohungen im Luftraum reagieren könnten. Noch sei keines in Sicht, dass den hohen Sicherheitsanforderungen im Luftraum genüge.

Wer wird in die Flugtaxis einsteigen?

Aber auch vermeintlich einfachere Fragen müssen die Planer noch beantworten. Im Moment gibt es in den meisten Städten kaum geeignete Landeplätze. Und der rechtliche Rahmen ist alles andere als eindeutig. „Solange es keine Regelungen zur Zulassung von autonom fliegenden Passagierdronen gibt, ist der Betrieb schlichtweg nicht möglich“, sagt Gerhard Deiters, Partner bei der Kölner Kanzlei BHO, die sich auf neue Technologien spezialisiert hat.

Konflikte sieht er auch im Bereich der Privatsphäre und des Datenschutzes sowie in Haftungsfragen. Angesichts der Erfahrungen mit anderen neuen Technologien ist er zwar zuversichtlich, dass sich auch hierzulande ein Rechtsrahmen entwickeln wird. Andere Länder wie China oder die Arabischen Emirate dürften aber wahrscheinlich schon bald an Deutschland vorbeiziehen – Bürgerinitiativen sind dort nicht zu erwarten, Politiker müssen keine Rücksicht auf demokratische Spielregeln nehmen.

Auch die soziale Akzeptanz der neuen Technologie ist keineswegs selbstverständlich. Schwer zu sagen, wie Menschen darauf reagieren, wenn über ihren Köpfen plötzlich zahlreiche Drohnen schwirren. Viel wird davon abhängen, wie sicher und komfortabel, preisgünstig und umweltfreundlich die Flieger sein werden.

Neben all den juristischen und technischen Erwägungen ist deshalb eine ganz andere Frage entscheidend: Werden elektrische Flugtaxis wirklich langfristig die Verkehrsprobleme auf den Straßen lösen können? Oder werden sich nur Manager, Politiker und Superreiche die Nutzung der Fluggeräte leisten können? Denn letztlich werden die Bürger hierzulande einen derartigen Eingriff in ihre Lebenswelt und den Einsatz von Steuergeldern nur dann akzeptieren, wenn eine breite Bevölkerungsschicht von der Technologie profitiert. Andernfalls wird das Projekt 3-D-Mobilität schnell auf den Widerstand allerlei Aktivisten stoßen, die sich fragen, wie viele Flugbewegungen die Gesellschaft aushält.

Wahrscheinlich werden die Produkte daher zunächst vor allem ins Ausland verkauft und in Städten wie Dubai, Hongkong oder Singapur zum Einsatz kommen. Sollten die Ingenieure aus Deutschland erfolgreich sein und die Taxis Made in Germany in der Luft das Maß aller Dinge werden, sorgt deren Produktion zumindest hierzulande für Wohlstand – auch für jene, die künftig weiterhin im Stuttgarter Stau verharren müssen.

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