Steigende Erwartungen und sich ändernde Kundenanforderungen verlangen nach neuen Ansätzen der Automobilhersteller, um auch im Zeitalter der Mobilitätsdienstleistungen erfolgreich zu sein. Der Markt für Mobilitätsdienste wird durch die ständige Verbesserung der autonomen Fahrzeugtechnologien exponentiell wachsen, wobei die Einnahmen in den nächsten zehn Jahren auf mehr als eine Billion Euro steigen dürften. Es liegt auf der Hand, dass das Potenzial für Automobilhersteller und Mobilitätsanbieter im Allgemeinen spannend und unvergleichlich ist. Die große Frage hier: Wer wird profitieren?
Aktuelle Untersuchungen von Accenture haben einige überraschende Erkenntnisse über Verbraucher und Mobilitätsdienste ergeben. In einer der ersten Umfragen zum Thema Mobilitätsdienstleistungen, bei der die Kundenperspektive im Mittelpunkt stand, befragte Accenture mehr als 7.000 Menschen in den USA, China und Europa, um herauszufinden, welche Anforderungen heutige Kunden an Bezug auf automobile Mobilitätsdienstleistungen haben. Die Ergebnisse sind ein Weckruf für die Automobilhersteller, die zügig einen Gang hochschalten sollten, wenn sie relevant und erfolgreich bleiben wollen.
So konnten beispielsweise bestimmte Automobilhersteller aufgrund des Gütesiegels ihrer Marken bislang deutlich höhere Margen als Wettbewerber realisieren. Die Studie ergab jedoch, dass die Marke für die Verbraucher zwar ein wichtiger Faktor beim Kauf eines Autos ist, aber weitaus weniger wichtig ist, wenn es um Carsharing (einschließlich autonomer Lösungen) geht. Insbesondere gilt das bei Fahrern aus dem Nicht-Premium-Segment. Mit anderen Worten, die Strahlkraft der Marke allein wird den künftigen Erfolg nicht sichern. Daher müssen Autohersteller, die im Bereich der Mobilitätsdienstleistung Marktanteile gewinnen wollen, ihre Marke neu positionieren.
Premiumhersteller sind besonders gefordert
Noch überraschender als die sinkende Bedeutung der Marke ist die Bereitschaft, ganz auf den Autobesitz zu verzichten. Tatsächlich gab fast die Hälfte (48 Prozent) aller Befragten an, dass sie erwägen, den Autobesitz zugunsten von autonomen Mobilitätslösungen aufzugeben.
Was bedeutet das für die Automobilhersteller? Auch wenn das Gros der Automobilhersteller bereits verschiedene Mobilitätsangebote im Markt ausgerollt hat, ist es bislang noch nicht gelungen, daraus nachhaltig profitable Geschäftsmodelle zu entwickeln. Hier ist es absolut wichtig, den richtigen Fokus zu setzen, nämlich Mobilitätsdienste noch stärker in den Vordergrund zu rücken und als valide Alternative zum klassischen Autobesitz zu positionieren. Das gilt insbesondere im Segment der Premium-Automarken. Denn überraschenderweise erwägen es Besitzer von Premium-Fahrzeugen eher als Besitzer von Nicht-Premium-Autos, den Pkw-Besitz aufzugeben.
Das deutet darauf hin, dass der Übergang vom Autobesitz zur „Mobilität auf Abruf“ unvermeidlich sein könnte. Daraus ergibt sich das hohe Risiko, bestehende und potenziell neue Kunden an Mobilitätsdienstleister zu verlieren, die am Markt besser positioniert. Entscheidend für die Automobilhersteller ist es, zukünftige Marktchancen früh zu identifizieren und die erforderlichen Investitionen zu tätigen, um diese zu nutzen.
Vor allem Chinesen sind bereits, aufs eigene Auto zu verzichten
Ist demnach der klassische Vertrieb von Autos an Kunden, die voll und ganz bereit sind, auf Mobilitätsdienstleistungen umzusatteln, noch lohnend? Hersteller die sich daraus verlassen, riskieren Kunden an Mobilitätsdienstleister zu verlieren, die bereits heute über die notwendigen Plattformen und Strukturen verfügen, um Mobilität auf Abruf anzubieten. Sofern OEMs nicht in das Hintertreffen geraten möchten, müssen sie Alternativen zum Autobesitz voll ausschöpfen. Und da Besitzer von Premium-Autos eher bereit sind, den Besitz eines Fahrzeugs zu überdenken, wird es immer dringender, das OEMs ihr bestehendes Angebot an Mobilitätsdiensten stärker auszubauen beziehungsweise, sofern noch nicht geschehen, überhaupt erst zu entwickeln und auszurollen.
Die Studie hat jedoch einige Unterschiede zwischen den Befragten auf Grundlage der Geografie aufgedeckt. Wenn es darum geht, eine global einheitliche Strategie zu fahren, sollten Automobilhersteller vorsichtig sein. So zeigen die Befragten in China die höchste Tendenz, den Autobesitz aufzugeben – unabhängig davon, ob sie derzeit Premium- oder Nicht-Premium-Marken besitzen. Dieser Umstand bietet das ideale Umfeld, um eine Blaupause zu entwickeln, die darauf abzielt, Alternativen zum Autobesitz auszurollen. Auf Basis der gewonnen Erkenntnisse, lassen sich Anpassungen an neuen Geschäftsmodellen vornehmen und für andere Märkte adaptieren.
Autobesitzer in den USA hingegen hegen am stärksten den Wunsch, Eigentümer ihrer Autos zu bleiben. Gut ein Drittel (39 Prozent) derjenigen, die ein Premium-Fahrzeug besitzen, und ein Fünftel (21 Prozent) derjenigen, die ein Fahrzeug einer Nicht-Premium-Marke besitzt, erwägt den Besitz eines Autos zugunsten autonomer Mobilitätslösungen aufzugeben. Automobilhersteller auf diesem Markt haben demnach etwas weniger Druck, sich stärker auf Mobilitätsdienstleistungen zu fokussieren.
Das Auto soll das Hotel buchen
Die vorliegenden Studienergebnisse entlarven auch den Mythos, dass die Zeit noch nicht reif ist, Zusatzleistungen „im Fahrzeug“ zu verkaufen. Die überwiegende Mehrheit der Befragten, insbesondere die unter 40-Jährigen, hat großes Interesse an Zusatzleistungen wie Hotelservices, Musik-/Filmstreaming, Catering, Wellness, etc. – besonders in autonomen Fahrzeugen.
Zum Beispiel sagten die meisten befragten Autobesitzer, unabhängig von der geografischen Lage, dass sie an mindestens einer zusätzlichen Servicekategorie während einer autonomen Fahrt interessiert sind. Darüber hinaus erklärten sich 84 Prozent der Befragten in China und fast die Hälfte (46 Prozent) in den USA und Europa dazu bereit, einen Zuschlag für solche Dienste zu zahlen – was darauf hindeutet, dass Zusatzdienste in einer Zukunft der autonomen Mobilität zu einer wichtigen Einnahmequelle werden kann.
Die Frage der Zukunft lautet also: Wird Mobilität selbst zum Add-on oder können OEMs weitere Dienstleistungen als Add-on verkaufen? Obwohl China der einzige Markt ist, auf dem die meisten Fahrer derzeit bereit sind, für Add-ons oder Upgrades zusätzlich zu bezahlen, sollten Automobilhersteller zumindest die Entwicklung beziehungsweise Weiterentwicklung dieser Serviceangebote in Betracht ziehen. Wer sich bereits jetzt auf die zukünftigen Bedürfnisse der Kunden einstellt, könnte die enormen Vorteile nutzen, die der Markt für Mobilitätsdienstleistungen bereithält.