Mit der Frage nach den Rechten von Robotern beschäftigen sich Roboterethik und Technikphilosophie schon seit Jahrzehnten. Dennoch lohnt es sich, sie immer wieder zu stellen, weil sich die Roboter und auch unsere Meinungen zu Maschinen, Tieren und Pflanzen verändern. Und weil Rechte für Maschinen und für Künstliche Intelligenz (mit der sich Roboter ausstatten lassen) von neuen Gruppen eingefordert werden, etwa von der religiösen Organisation Way of the Future.

Rechte im moralischen Sinne sind das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit, das Recht auf Freiheit und Sicherheit sowie das Recht auf das Streben nach Glück und Lust. Der Zugewinn an Glück und Lust hängt mit der Verminderung von Leid und Schmerz zusammen. Wie wir sehen werden, können solche Grundrechte nicht nur Menschen haben.

Sophia ist ein humanoider Roboter. Sie ähnelt, wie der Name vermuten lässt, einer Frau. Sie kann die Brauen hochziehen, die Lider heben und senken, die Augen bewegen und verdrehen, den Mund verziehen. An ihrem durchsichtigen Hinterkopf erkennt der Betrachter, dass sie kein Mensch ist, aber auch an ihrem nicht perfekten Lächeln. Sophia verfügt über Künstliche Intelligenz. Dadurch kann sie auf Menschen in bestimmter Weise reagieren und mit ihnen kommunizieren.

Zwischen Tier und Topfpflanze

2017 verlieh Saudi-Arabien dem Androiden die Staatsbürgerschaft. Damit verbunden sind bestimmte Rechte und Pflichten im juristischen, nicht im ethischen Sinne. Ob Sophia diese beanspruchen respektive erfüllen kann, ist hier nicht das Thema – wir wollen uns auf die moralischen Rechte konzentrieren.

Für die Beantwortung der Frage, ob Roboter solche Rechte haben, stelle ich mir vor, dass Sophia sich mit einem Menschen eine Wohnung partnerschaftlich teilt. In der gemeinsamen Wohnung befinden sich noch ein Tier – eine Katze oder ein Hund – sowie eine Topfpflanze.

Fangen wir mit dem Tier an. Tierethiker wären sich einig, dass es Rechte hat. Als Begründung würden sie die Empfindungs- und Leidensfähigkeit anführen, die mit dem Streben nach Lust und nach Verminderung von Leid und Schmerz einhergehen. Das Tier hat wie der Partner von Sophia kein Recht darauf, frei von Leiden zu sein. Aber ein Recht darauf, nicht gequält zu werden: Rechten stehen Pflichten gegenüber.

Kommen wir zur Topfpflanze. Die meisten Ethiker würden sagen, dass sie keine Rechte hat. Sie empfindet nach gängiger Meinung nichts. Sie reagiert vielleicht auf Berührung, aber das ist nicht das, was wir meinen. Ebenso wenig kann sie leiden. Sie spürt keinen Schmerz, hat keine Angst, keine Trauer. Dennoch sollte man sie gießen. Sonst sieht sie traurig aus.

Auch Sophia hat weder Empfindungs- noch Leidensfähigkeit. Sie könnte mithilfe ihrer Sensoren und Motoren und der Künstlichen Intelligenz durchaus ein Fühlen simulieren, etwa den Mund aufreißen und aufschreien, wenn ich mit dem Messer in ihre Wange schneide. Ich meine nicht, dass man das tun sollte. Aber nicht wegen ihr, sondern wegen ihres Partners. Er hat Rechte – und er kann empfinden und leiden. Er wohnt mit Sophia zusammen, vermutlich nicht ohne Grund. Ich verletze also Sophia nicht wegen ihres Partners (und natürlich wegen ihres finanziellen und wissenschaftlichen Werts). Das Tier verletze ich nicht wegen seiner selbst.

Wer leiden kann, hat auch Rechte

Woraus lassen sich ansonsten Rechte ableiten? Aus einem Lebenswillen womöglich. Den hat das Tier in der Wohnung. Ob die Topfpflanze einen Lebenswillen hat? Sie hat Strategien, um zu überleben. Aber keinen Willen. Sophia hat sicherlich keinen Lebenswillen, denn sie lebt nicht. Aus einem Bewusstsein könnten sich ebenfalls Rechte ergeben. Ein solches hängt mit der Wahrnehmungs- und Empfindungsfähigkeit zusammen. Sophia mag etwas wahrnehmen, mithilfe ihrer Sensoren, aber empfinden kann sie eben nichts.

Was wäre, wenn Sophia eines Tages eine Empfindungs- und Leidensfähigkeit besäße? Dann müsste man ihr Rechte zugestehen. In diesem Sinne erweist sich die Tierethik als fruchtbar für die Roboterethik. Was leiden kann, ob Mensch, Tier oder ein Wesen anderer Art, hat Rechte. Die Wesen können Aliens oder Roboter sein. Ich persönlich glaube nicht, dass Roboter in der Zukunft leiden können. Dafür braucht es biologische Strukturen. Forscher könnten technische Strukturen mit biologischen überwuchern lassen und so einen umgekehrten Cyborg erzeugen. Dieser wäre vielleicht in der Lage zu empfinden und auch zu leiden. Aber das wäre eben ein umgekehrter Cyborg und kein Roboter mehr.

Was ist, wenn Sophia das Tier quält? Dann verstößt sie gegen dessen Rechte. Aber ein Mensch kann sie kaum zur Rechenschaft dafür ziehen. Er kann ihr freilich bestimmte Regeln beibringen, die moralisch begründet sind und an die sie sich halten muss. Zu diesen kann gehören, dass sie kein Tier malträtieren soll. Damit wären wir bei der Maschinenethik angelangt, einer jungen Disziplin, in der ich forsche. Da diese aber nicht die Rechte von Sophia zum Gegenstand hat, sondern ihre Pflichten und Verpflichtungen oder, vorsichtiger ausgedrückt, die Vorschriften, die man ihr macht, verlassen wir die Wohnung und beenden die Diskussion an dieser Stelle.

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