Foto: Volkswagen

2020 hat seinen Platz in den Geschichtsbüchern als Corona-Krisenjahr sicher. Im Angesicht der weltweiten Gesundheitskrise und des ihr folgenden Wirtschaftsschocks ist es allzu verständlich, dass positive Entwicklungen aus dem Sichtfeld verschwinden.

Im laufenden Jahr bahnt sich nämlich auch einen Gezeitenwechsel für die Verkehrswende in Europa an. Laut aktuellen Erhebungen war der September 2020 der erste Monat, in dem EU-weit mehr elektrifizierte Personenwagen (reine E-Autos plus Hybridfahrzeuge) als Diesel-PKWs zugelassen wurden. Führt man sich vor Augen, dass noch vor 10 Jahren rund 50% aller Neuzulassungen auf Diesel entfielen und der Anteil von E-Autos bei unter 1% lag, wird die Dimension des Erreichten deutlich. Nicht zuletzt aufgrund der vielen Förderprogramme ist ein regelrechter Elektroboom entstanden. Größter Gewinner dabei ist übrigens Volkswagen und nicht, wie man annehmen könnte, der US-Elektroautopionier Tesla. Insofern kann 2020 auch als das Jahr vermerkt werden, in dem E-Mobilität in der EU aus der Nische in den Massenmarkt eingetreten ist.

Eigentlich Grund zur Freude, immerhin besitzen gute Nachrichten für das Klima leider Seltenheitswert. Doch während die Verbraucher mit regulatorischer Schützenhilfe längst Tatsachen schaffen, halten sich hartnäckig Vorbehalte gegenüber der Elektromobilität gerade im „Autoland“ Deutschland. Gestützt auf stark veraltete, in ihrer Betrachtungsweise limitierte und damit unseriöse Studien werden auch in der politischen Diskussion immer wieder Argumente vorgebracht, die den positiven Beitrag von Elektroautos zur Verkehrswende und zur Verbesserung von Klima und Lebensqualität in Frage stellen.

Das ist nicht nur wenig hilfreich, sondern geradezu gefährlich. Denn ohne eine konsequente und beschleunigte Verkehrswende verbunden mit einem raschen Ausbau der Erneuerbaren wird die EU ihr Ziel der Klimaneutralität bis 2050 deutlich verfehlen. Und Elektromobilität ist eben der entscheidende Baustein jener Verkehrswende. Hierzu gibt es längst einen breiten Konsens in der Wissenschaft und auch in weiten Teilen der Industrie. Umso verstörender, dass eine laute Minderheit mit unfundierten Argumenten nach wie vor so viel Gehör findet.

Zwei besonders beliebte Einwände gegen Elektroautos betreffen den vermeintlich höheren CO2-Fußabdruck der Stromer sowie deren scheinbar höhere Kosten. Dabei lassen sich beide Einwände längst als Mythen entlarven, wie der folgende Faktencheck zeigt.

Mythos 1: E-Autos hinterlassen einen größeren CO2-Fußabdruck als Verbrenner

Um die Umweltbilanz verschiedener Antriebsarten realistisch vergleichen zu können, wählen seriöse Studien der jüngeren Vergangenheit allesamt einen holistische Ansatz, der die  CO2-Emissionen entlang der gesamten Wertschöpfungskette und über die komplette Lebensdauer der Fahrzeuge hinweg betrachtet – von der Herstellung über deren Betrieb bis hin zum anschließenden Recycling.

Tatsächlich weisen Stromer bei der Produktion aktuell noch einen höheren CO2-Fußabdruck als ihre fossilen Gegenstücke auf. Das liegt in erster Linie an den Emissionen, die bei der Fertigung der Batterien entstehen (Cox et. Al. (2018): Uncertain environmental footprint of current and future battery electric vehicles. Environ. Sci. Technol. 52.)

Eine im Spätsommer veröffentlichte Studie der Technischen Universität Eindhoven legt anhand aktueller Produktionsdaten im Mittel 75 Kilogramm CO₂-Äquivalent pro Kilowattstunde verbauter Batteriekapazität zugrunde – ein „Klima-Rucksack“, der bei Verbrennern nicht im gleichen Maße anfällt. Doch die fortlaufende Weiterentwicklung der Batterietechnologie spielt den E-Autos in die Karten.  Denn zum einen steigt die Lebensdauer der Batterien kontinuierlich an – die Autoren von der TU Eindhoven gehen von durchschnittlich 250.000 gefahrenen Kilometern bis zum Batteriewechsel aus. Außerdem wird die Produktion zunehmend effizienter und bedient sich künftig zu großen Teilen aus Wind- und Solarenergie. Darüber hinaus zeichnen sich vielversprechende Entwicklungen etwa bei Lithium-Schwefel-Zellen, ab, welche die CO2-Bilanz der Batterien künftig zusätzlich verbessern.

Der aktuell höhere CO2-Fußabdruck bei der E-Fahrzeugherstellung wird also nicht nur bald der Vergangenheit angehören. In den allermeisten Ländern wird er bereits heute durch die deutlich geringeren Emissionen im laufenden Betrieb mehr als ausgeglichen. So bescheinigt eine Ende März unter anderem im Fachmagazin Nature Sustainability publizierte Studie von Wissenschaftlern der Universitäten Exeter, Nijmwegen und Cambridge, Elektroautos in nahezu allen Teilen der Welt, die zusammen ca. 95 Prozent des globalen Transportbedarfs repräsentieren, eine bessere Klimabilanz als Verbrennern. In Ländern wie Schweden beispielsweise, deren Strommix ganz überwiegend auf Erneuerbaren beruht, emittieren E-Autos bis zu 70% weniger CO2. Selbst in Großbritannien mit einem verhältnismäßig bescheidenen Anteil an erneuerbaren Energien ist der Ausstoß immerhin noch um 30% niedriger.  Einzige Ausnahmen in Europa sind Polen und Estland, deren Stromversorgung noch überwiegend auf der Verbrennung von Kohle fußt.

Im Direktvergleich zwischen Stromern und Verbrennern unterschiedlicher Fahrzeugklassen – vom Klein- bis zum Sportwagen – stoßen die von der TU Eindhoven im Rahmen ihrer Studie getesteten E-Modelle zwischen 54% und 82% weniger CO2 (g/km) aus. So holen sie ihren Klimarückstand durch die Herstellung ab 11.000 (Sportwagen), spätestens aber nach 30.000 gefahrenen Kilometern wieder raus .

Mythos 2: Geringe Sprit- und hohe Anschaffungskosten machen Stromer finanziell unattraktiv

Lange Zeit galten die vergleichsweise hohen Anschaffungskosten als zentrales Argument gegen die Anschaffung eines Elektrofahrzeugs. Dank staatlicher Förderprogramme wie der zuletzt beschlossenen deutschen „Innovationsprämie“ in Höhe von bis zu 9.000 Euro für rein elektrisch betriebene Pkw, sinkender Wartungs- und Herstellungskosten, verliert dieses Argument jedoch an Bedeutung. Die in Deutschland zunächst bis Ende 2021 laufende Innovationsprämie soll nach den Beschlüssen des jüngsten „Autogipfels“ sogar bis 2025 verlängert werden. Auch bei den Versicherungskosten weisen Stromer keinerlei Nachteile gegenüber wartungsintensiven Benzin- und Dieselfahrzeugen auf.

Quelle: Agora Verkehrswende

Und bis 2025 fahren Elektroautos sogar völlig steuerfrei. Lediglich der geringe Ölpreis wirkt sich aktuell positiv auf die Kosten der Verbrenner aus. Die auf 100 Kilometer berechneten Fahrtkosten fallen je nach Studie[10] bei einem Verbrenner momentan rund 15 Cent geringer aus als bei einem Stromer. Dabei nicht berücksichtigt ist jedoch die geplante CO2-Bepreisung ab dem kommenden Jahr, die die Preise für Benzin und Diesel deutlich erhöhen wird. Auch die ab dem kommenden Jahr greifende Absenkung der der EEG-Umlage wird den Unterschied zwischen Verbrenner und Elektroauto bei den Fahrtkosten weiter verringern.

Hinter den Mythen stehen Studien mit fragwürdigen Annahmen

Wie kommt es also, dass sich diese Mythen so hartnäckig halten? Ein Grund dafür ist, dass sie immer wieder durch vermeintlich wissenschaftliche Untersuchungen befeuert werden. „Vermeintlich“ deshalb, weil die darin getroffenen Annahmen und die Aktualität der verwendeten Daten mehr als fragwürdig sind. Beispielsweise fällt auf, dass die Studien bei der Bewertung der CO2-Bilanz eines Elektroautos einen konstanten Strommix über dessen Lebenszyklus hinweg unterstellen. Diese Annahme ist schlichtweg unrealistisch – wirkt sich aber natürlich erheblich negativ auf die CO2-Bilanz der Fahrzeuge aus.

Auch bei den für die Herstellung der Batterien zugrundgelegten CO2-Emissionen verwenden diese Untersuchungen längst verjährte Daten. So ging eine hochkontroverse schwedische Studie aus dem Jahr 2017 von einem CO2-Äquivelent von 175 kg pro kWh Batteriekapazität aus. Dankbar wurde diese Werte von vielen nachfolgenden Publikationen mit gegenüber Elektromobilität kritischer Grundausrichtung zitiert. Mittlerweile jedoch haben auch die Autoren der schwedischen Studie ihre Annahmen für die Batterieproduktion aktualisiert und auf 85 kg CO2/kWH reduziert.

Ebenfalls fragwürdig erscheinen die in solchen Studien verwendeten Prognosen bezüglich der Lebensdauer von Elektrofahrzeugen und der verwendeten Batterien. Unter anderem das ifo-Institut kalkulierte in seiner jüngsten Studie (2019) mit nur 150.000 km Reichweite für ein E-Auto – modernste Batterien hingegen schaffen bereits bis zu 500.000 km. Außer Acht gelassen werden zudem die Möglichkeiten einer Zweitnutzung und des Recyclings. Ganz zu schweigen davon, dass die Normverbräuche bei Verbrennern mit ihrem Realverbrauch oft nur entfernt etwas zu tun haben und sich dementsprechend auch kaum für derartige Gegenüberstellungen eignen.

Wir sollten uns ab sofort mit der Zukunft beschäftigen

Eine breit angelegte und auch kontroverse Debatte rund um so grundlegende Transformationsprozesse wie die Verkehrswende ist unabdingbar. Genauso elementar ist es aber, sich dabei auf dem aktuellen Stand wissenschaftlicher Erkenntnisse zu bewegen, und nicht von rückwärtsgewandten Interessen leiten zu lassen. Ein genauer Blick auf ebenjene wissenschaftliche Faktenlage zeigt, dass die immer wieder vorgebrachten Vorbehalte und Gerüchte über Elektroautos nicht haltbar sind. Insofern ist es höchste Zeit, die Nebelkerzen beiseite zu legen. Zum Wohle des Klimas, der Bürger und, nicht zuletzt, der Industrie sollten wir schleunigst unseren Fokus darauf richten, die bestehenden Hürden für die Transformation des Verkehrssektors aus dem Weg zu räumen und den Markthochlauf der Elektromobilität zu beschleunigen.

Artikel teilen

3 Kommentare

  1. Duesendaniel

    Sehr guter Artikel mit deutlichen Worten an die ganzen Lobbyisten und Besitzstandswahrer, denen anscheinend jedes Mittel Recht ist, ihre Interessen über die drr Gemeinschaft zu stellen.
    „Wir sollten uns ab sofort mit der Zukunft beschäftigen“ – das wäre wunderbar. Einfach Ballast abwerfen und die Segel setzen, leider ist das nicht so einfach in einer Welt voller Querdenker und alternativer Fakten.

    Antworten
  2. haarthhoehe

    Sehr gute Analyse. Im Büro habe ich eine CO2-Ampel. Die steht immer so auf 600 bis 900 ppm. 410 sollten es sein. Da stellt sich nun die Frage nach den Schäden, die die Verbrenner angerichtet haben. Nicht allein die direkten Schäden an Personen, wie Asthmatiker, sondern auch die Langzeit- und Folgeschäden durch genetische Veränderungen. Ich kenne keinen gesund aussehenden Großstadtmenschen, noch nie gesehen.
    Warum also die ewige Leier um die E-autos, wenn man sichtlich deutlich erkennt, dass mit der Rohölwirtschaft es zu Ende geht. Warum kann man sich nicht an den positiven Aspekten der Elektrozeit freuen, wie das abgasfreie Fahren, die hohen Drehmomente? Ach so, ja, genetische Veränderungen auch in den Köpfen, kein Mut, nur Mimimimi der Nachkriegsgeneration.

    Antworten
  3. Werner

    Völlig unterschlagen wird auch permanent, dass nicht nur Co2 aus dem Verbrenner Auspuff kommt.

    Antworten

Kommentar absenden

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert