„Follow the Money“ – nicht nur wenn man Skandale aufdecken will, ist die Spur des Geldes meist die richtige; auch wenn man die Welt verändern will. Steven Tebbe, Europa-Chef von CDP (ehemals Carbon Disclosure Project), holt große Investoren an Bord, um Unternehmen zur Veröffentlichung ihre Umweltdaten zu drängen. Die Non-Profit-Organisation arbeitet seit fast 20 Jahren an mehr Transparenz – warum Öl- oder Zementfirmen gerade jetzt eine Chance auf mehr Nachhaltigkeit haben, erklärt er im Interview mit Edison.

Herr Tebbe, dank der Arbeit von CDP veröffentlichen derzeit knapp 6000 börsennotierte Unternehmen weltweit einmal pro Jahr viele Daten darüber, wie sie es mit Klima- und Umweltschutz halten. Sie geben an, wie viele Treibhausgasemissionen pro Jahr sie ausstoßen oder auch, wie viel Wasser sie verbrauchen. Das alles erfolgt sogar freiwillig. Wie bekommen Sie Firmen dazu, mitzumachen?

Unser Ansatz ist es, institutionelle Investoren als Hebel zu benutzen. Ich meine damit Banken, große Versicherungen, Pensions- oder Kirchenfonds oder aber auch Städte. Diese Idee, dem Geld zu folgen und dort dann mit der Veränderung anzusetzen, kommt ursprünglich aus den USA. Dort haben Pensionsfonds schon sehr früh angefangen, Druck auf Unternehmen auszuüben, damit diese beispielsweise die Arbeitsbedingungen ihrer Mitarbeiter verbessern. Pensionsfonds haben Macht, weil sie Geld haben. Und die Mitarbeiter der Firmen sind ja wiederrum Mitglieder der Pensionskassen. Europa war dieses Prinzip lange fremd. Hier wartet man in der Regel eher auf ein politisches Signal, um bestehende Umstände zu verändern.

Versicherer, Banken und Pensionsfonds sind also Ihre Verbündeten?

Genau, CDP spricht mit den Investoren. Wir machen ihnen klar, dass sie das Geld ihrer Anleger gefährden, wenn sie in Unternehmen investieren, die hohe Klimarisiken aufweisen. Die Frage, mit der alles anfing, lautete: Welche Informationen braucht ihr von Unternehmen, um bessere Entscheidungen in Sachen Umwelt- und Klimaschutz zu treffen? Und auf dieser Grundlage klopfen wir bei den Unternehmen an. Mittlerweile machen 600 Investoren mit einem Umfang an 100 Billionen US-Dollar mit.

CDP, ursprünglich Carbon Disclosure Project, startete 2000 als Organisation in London. Welche Rolle hat damals das Thema Klimaschutz am Finanzmarkt gespielt?

Tony Blair, damals Premierminister, hat früh erkannt, dass Klimaschutz etwas ist, mit dem man besser heute beginnt als es auf morgen zu verschieben. Da haben Finanzmärkte und Unternehmen noch einen hohen Lernbedarf, weil ihre Entscheidungen eher kurzfristig getrieben sind. Unsere Organisation war also auch politisch erwünscht, weil wir genau dieses Problem adressieren.

Auf Ihrer Homepage kann man den Fragenkatalog ansehen. Bitte erklären Sie ein paar der Kriterien, die Unternehmen angeben müssen.

Da geht es zum Beispiel darum, dass uns Firmen Angaben zu ihrem jährlichen Ausstoß von klimaschädlichem Kohlenstoffdioxid machen. Auch geht es um den Energieverbrauch und die Frage, inwiefern er aus erneuerbaren Energien stammt. Dann gibt es die Frage, ob das Unter-Zwei-Grad-Ziel in der strategischen Ausrichtung des Unternehmens verankert ist. Oder die Firma soll Angaben darüber machen, in welchen Vereinigungen sie ist. Damit kommt dann vielleicht heraus, dass sie sich eigentlich zum Klimaschutz bekennt, aber die Handelskammer, deren Mitglied sie ist, gar nicht darauf achtet. Wenn der Fragebogen ausgefüllt ist, kann er schon mal zwischen 20 bis 100 Seiten lang sein.

Welche Sanktionsmöglichkeit folgt, wenn Firmen nicht antworten?

Uns geht es zunächst darum, den Dialogprozess zu starten. Deshalb gibt es keine Sanktionen und übrigens auch kein Ja oder Nein in den Antworten. Es geht um das Prinzip: Erklär mir, warum du Dinge so oder so entschieden hast, damit ich dich besser verstehen kann. Uns ist wichtig, die Informationen zu beschaffen, damit Investoren eine möglichst breite Entscheidungsbasis haben.

Der Energieversorger, der Kohle verbrennt, berichtet an CDP genauso wie der Solaranlagenbauer. Ist es nicht klar, dass der Zweite besser abschneidet?

Um solch ein Ranking geht es uns nicht. Uns ist wichtig, den Markt möglichst breit abzudecken. Klimaschutz soll keine Nische mehr sein nur für Unternehmen in den erneuerbaren Energien. Wir wollen den Massenmarkt für das Thema erreichen und jene Unternehmen, von denen man es vielleicht gar nicht erwartet. Letztens war beispielsweise ein Zementhersteller im CDP-Report dabei. Um Zement klimafreundlich zu machen, muss der ganze Produktionsprozess umgestellt werden. Aber die Firma macht sich zumindest die Mühe.

Welche großen, namhaften Firmen sind nicht dabei?

Es ist schade, dass beispielsweise Amazon nichts macht. Die ganze Welt greift auf seinen Dienst zurück. Es steckt so viel Potenzial darin. Aber das Unternehmen will sich gar nicht äußern. Wir bleiben dran. Apple hat viele Jahre auch nicht berichtet und wir sind drangeblieben und haben das Gespräch gesucht, immer mit den Investoren als Druckmittel in der Hinterhand. Und jetzt ist Apple ein überzeugter Teilnehmer.

Lassen Sie uns nochmal auf Ihre Verbündeten blicken, die großen Investoren. Die haben jahrelang ihr Geld mit Firmen verdient, die aus der Kohle-, Gas- oder Ölindustrie kommen. Wie glaubhaft ist denn jetzt der Imagewechsel von Banken oder Versicherern?

Wir überzeugen mit dem wirtschaftlichen Argument, in dem wir sagen: Es gibt viele Anzeichen, die darauf hindeuten, dass Firmen aus der Öl- und Gasbranche ein großes Risiko für euer Portfolio darstellen. Das könnt ihr euren Mitgliedern nicht zumuten, ihr verliert Geld. Dieses Argument versteht jeder Investor. Zu Beginn sind sie vielleicht noch hin- und hergerissen, weil fossile Unternehmen eine höhere kurzfristige Rendite versprechen. Aber langfristig wird ein Unternehmen besser abschneiden, das langfristig Klimarisiken kalkuliert. Der Norwegische Pensionsfonds hat sich vor zwei Jahren zum Divestment bekannt. Er hat seinen Imagewechsel sehr gut gemeistert.

Wie läuft der Divestment-Prozess genau ab?

Aufgrund der Daten, die CDP zusammenträgt, können die Investoren einschätzen, wie stark ein Unternehmen Risiken im Bereich Umwelt- und Klimaschutz ausgesetzt ist. Angenommen, ein Unternehmen schneidet nicht gut ab, dann setzen sich die Investoren mit zusammen an einen Tisch und wollen zunächst verbal überzeugen. Hilft das nicht, bekommt das Unternehmen blaue Briefe, mit dem Hinweis, dass der Investor mit dem Gedanken spielt, auszusteigen. Apple zum Beispiel hat jahrelang blaue Briefe bekommen. Wenn auch die blauen Briefe nicht helfen, sprechen die Investoren beispielsweise auf der Hauptversammlung des Unternehmens. Das erzeugt auch öffentlichen Druck.

Die Investoren bittet CDP aber nicht explizit, Daten darüber zu veröffentlichen, an welchem konkreten Punkt der Divestment-Prozess steht?

Jeder Investor steigt täglich in tausende von Aktien aus- und ein. Das zu verfolgen, können wir als CDP nicht leisten. Wir halten die Investoren an, zu ihren Entscheidungen zu stehen, und vertrauen ihnen. Aber natürlich dauert solch ein Prozess. Es werden ja Milliarden an Geldern verschoben. Damit kommt auch die Frage auf: In welche Unternehmen soll das Geld alternativ gesteckt werden? Aber natürlich muss man auch sagen: Uns kann es gar nicht schnell genug gehen.

In Frankreich beispielsweise gibt es Artikel 173, der institutionelle Investoren genauso wie börsennotierte Unternehmen bittet, Klimarisiken offenzulegen. Für wie wichtig halten Sie politische Rahmenbedingungen?

Politische Signale sind sehr wichtig und machen es vielleicht leichter, Standards im Umwelt- und Klimaschutz umzusetzen. Gleichzeitig ist das Ganze aber sehr fragil. Denken wir nur mal daran, wie schnell eine andere Regierung Klimaschutzstandards aufgeben kann. Deswegen glaube ich auch so fest daran, dass der Wandel auch aus dem Markt selbst kommen muss. Die Politik kann hier höchstens die Flanken markieren. Nehmen wir etwa die USA als Beispiel. Der aktuelle US-Präsident ignoriert die Auswirkungen des Klimawandels, aber genau das hat Bundesstaaten sowie namhafte Unternehmer veranlasst, sich zum Klimaschutz und zum Abkommen von Paris zu bekennen. Es ist wiederrum nicht verwunderlich, dass ein Auto wie der Tesla in Kalifornien entstanden ist. Der Bundesstaat war und ist in Sachen strenge Klimaauflagen viel weiter als andere Länder.

Haben Unternehmen verstanden, dass sie Klimaschutz ernst nehmen müssen?

Ich denke, wir sind auf einem guten Weg. Viele Unternehmen beziehen heute schon Klimarisiken ganz automatisch mit ein. 1200 unserer insgesamt 6000 Firmen rechnen bereits mit einem internen Preis auf die Tonne CO2. In Europa sind es knapp 400 Firmen. Dieser Preis liegt dann eben nicht bei nur fünf Euro, wie beim aktuellen Emissionshandel. Konzerne wie der Energieversorger Eon oder etwa Daimler rechnen mit einem internen CO2-Preis von 22 bis 40 Euro. Sie arbeiten an der Herausforderung, mit solchen CO2-Preisen noch profitabel zu sein. Eine andere Methode vieler Unternehmen ist es, dass Unter-Zwei-Grad-Ziel in ihre Unternehmensstrategie aufgenommen zu haben. Also, es tut sich schon einiges auf der Unternehmerseite.

Steven Tebbe leitet die Niederlassungen von CDP in Berlin, Brüssel, Mailand und Stockholm.

Artikel teilen

Kommentar absenden

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert