Mit der Diskussion um die neue Langfriststrategie der Europäischen Union läuft seit Mai auch in Deutschland die Debatte, wie sich bis 2050 Klimaneutralität erreichen lässt. Den Energiebedarf für eine Schlüsseltechnologie zur CO2-Speicherung hat nun das Berliner Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC) berechnet. Dem Branchendienst energate liegen die Zahlen exklusiv vor.
Bei dem Direct Air Capture mit CCS (DACCS) genannten Verfahren wird CO2 auf chemischem Weg direkt aus der Luft abgetrennt und geologisch im Untergrund eingeschlossen. Um mit der DACCS-Technologie 60 Millionen Tonnen CO2 jährlich klimaneutral zu machen, wären pro Jahr 20 Terawattstunden Strom und 70 Terawattstunden Wärme nötig, rechnet nun Felix Creutzig vor. Er ist Infrastruktur-Experte des MCC und Professor für Nachhaltigkeitsökonomik an der TU Berlin.
63 Millionen Tonnen ist jene Menge an CO2-Äquivalenten, die in Deutschland bei einer 95-prozentigen Treibhausgasreduktion gegenüber 1990 noch verbleiben würden. Nach den gängigen Szenarien stammen sie vor allem aus der Landwirtschaft, der Industrie und der Abfallbehandlung und gelten bisher als technisch nahezu unvermeidbar. Deshalb werden in der Wissenschaft verschiedene Optionen diskutiert, solche Restemissionen zu kompensieren.
Viel Energie, wenig Fläche
DACCS ist besonders energieintensiv, benötigt aber deutlich weniger Fläche als Verfahren, die auf Biomasse basieren. Bioenergie mit CCS (BECCS) setzt beispielsweise darauf, schnellwachsende Pflanzen in Kraftwerken zu verfeuern, das entstehende CO2 abzuscheiden und mit CCS zu speichern. „Wenn man CO2 direkt aus der Luft filtern würde, wäre der Flächenbedarf mindestens um den Faktor 400 geringer als bei BECCS“, sagt Infrastruktur-Experte Creutzig über den Vergleich zwischen Direct Air Capture und Bioenergie mit CCS.
„Die technologische Entwicklung könnte den Energiebedarf für DACCS langfristig um die Hälfte drücken“, glaubt Creutzig. „Allerdings wäre es sinnvoll, die immer noch hohen Mengen an Strom und Wärme mit Solarenergie und Geothermie zu erzeugen.“
BECCS wird in einem bereits veröffentlichten Langfristszenario des Bundeswirtschaftsministeriums für eine 95-prozentige Treibhausreduktion lediglich als Option für einzelne kritische Bereiche angesehen. Als mögliches Einsatzgebiet nennen die Gutachter das Erzeugen von Fernwärme , weil andere Möglichkeiten wie Solarthermie und Wärmepumpen irgendwann an ihre Grenzen stoßen.
EU setzt auf Aufforstung
60 Millionen Tonnen entsprechen auch der CO2-Menge, welche die EU in ihren Szenarien für die Langfriststrategie berechnet hat, die in der Union mindestens mit Hilfe von CCS gespeichert werden müssten. Dabei hat die EU-Kommission bereits Minderungsbeiträge durch die Aufforstung von 170.000 Quadratkilometern an Wäldern in Europa einkalkuliert.